Reha-Kliniken und Pflegeeinrichtungen haben immer mehr Schwierigkeiten, qualifiziertes Pflegepersonal zu finden, wie die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) zu den Ergebnissen des BWKG-Indikators 2/2021 vermeldet. Bei der regelmäßigen Befragung von Geschäftsführern der BWKG-Mitgliedseinrichtungen zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und zur Gewinnung von Fachkräften gaben 97,3 Prozent der befragten Reha-Kliniken und 89,3 Prozent der Pflegeeinrichtungen an, dass es schwierig sei, qualifiziertes Personal zu finden. Zudem hätten 78,9 Prozent der Reha-Kliniken Probleme, freie Stellen im Ärztlichen Dienst zu besetzen.
Auch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) vermeldet auf Basis einer aktuellen Umfrage: „Die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Niedersachsen ist so dramatisch wie nie zuvor und wird sich voraussichtlich noch weiter verschlechtern.“ Insgesamt 138 der 168 Kliniken im Land haben sich an der Umfrage beteiligt. Ihre Situation begründen die Häuser mit unzureichenden Corona-Hilfen, einer mangelnden Bereitschaft der Krankenkassen, auskömmliche Pflegebudgets bereitzustellen, sowie überbordenden bürokratischen Dokumentationsanforderungen, die den Fachkräftemangel immer weiter verschärfen.
Fachkräftemangel bleibt Problem
Die Mehrheit der Krankenhäuser engagiere sich laut der NKG-Umfrage für die Verbesserung von Ausbildung und Arbeitsplatzattraktivität. Sieben von zehn Kliniken hätten die Anzahl ihrer Vollkräfte in den letzten drei Jahren gesteigert und ein Großteil der Krankenhäuser beabsichtige auch in den kommenden drei Jahren eine weitere Aufstockung des Personals. Der Fachkräftemangel sei für die Kliniken die größte Herausforderung. Rund 96 Prozent der Krankenhäuser geben in der Befragung außerdem an, dass es schwierig sei, Stellen zu besetzen. Die Erhebung kommt zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich acht Pflegekräfte je Einrichtung in Niedersachsen fehlen.
Der Dokumentationsaufwand für Kliniken habe in den vergangenen Jahren weiter zugenommen und verschärfe den Fachkräftemangel außerdem. Neun von zehn Krankenhäusern geben in der NKG-Umfrage an, dass der Dokumentationsaufwand für das Personal in den vergangenen Jahren stark oder sehr stark angestiegen sei.
„Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden. Dabei nimmt der Abbau von Bürokratie sicherlich eine Schlüsselrolle ein“, sagt Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der BWKG. Pflegekräfte und Ärzte hätten aufgrund des bürokratischen Aufwands immer weniger Zeit für Patienten. Zudem fordert Scheffold, ausländische Fachkräfte schneller anerkennen zu lassen, um mehr Flexibilität beim Personaleinsatz zu haben. Starre Personalvorgaben und festgelegte berufliche Qualifikationen verhinderten einen modernen Personalmix. Alle Einrichtungen, die ausbilden können, sollten das auch dürfen. Das im Koalitionsvertrag enthaltene Vorhaben, die Pflegeausbildung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation zu ermöglichen, soweit diese die Voraussetzungen erfüllen, sollte möglichst bald umgesetzt werden, so der BWKG-Vorstandsvorsitzende weiter.
Die Ausbildungskosten belasten die Einrichtungen sowie deren Bewohnerschaft und Klienten immer noch einseitig. „In der Altenpflege wird es immer wichtiger, auch qualifizierte Hilfskräfte zu haben. Hierzu gibt es eine einjährige Helferausbildung und es wäre eine große Hilfe, wenn diese – wie schon die dreijährige Fachkraftausbildung – solidarisch über einen Fonds finanziert werden könnte“, verdeutlicht Scheffold.
Minus durch Pandemie
Laut der Zahlen des BWKG-Indikators gehen aktuell 59,7 Prozent der befragten Reha-Kliniken und fast 30 Prozent der Pflegeeinrichtungen davon aus, dass sie das Jahr 2021 mit einem Defizit abschließen werden.
Die NKG-Umfrage zeigt, dass erstmals mehr als drei Viertel der befragten Krankenhäuser mittel- bis langfristig in ihrer Existenz bedroht seien. Vier von fünf Krankenhäuser in Niedersachsen rechnen ebenfalls mit einem negativen Jahresergebnis für 2021. Und auch für das Jahr 2022 erwarten die Kliniken eine Zuspitzung ihrer finanziellen Lage. Der Erhebung zufolge werde dann nur noch jedes zehnte Krankenhaus schwarze Zahlen schreiben.
Wesentlicher Grund für die dramatische Entwicklung sei die Corona-Pandemie. 75 Prozent der niedersächsischen Kliniken geben in der Befragung der NKG an, dass sich die geringere Auslastung durch Belegungsrückgänge und Einschränkungen des Regelbetriebs massiv auf das Leistungsgeschehen und dessen Refinanzierung auswirken. Und dies liegt nicht an mangelndem Engagement der Krankenhäuser: Im Vergleich zur Vorjahresumfrage versorgten mit rund 79 Prozent noch einmal mehr Kliniken Covid-19-Erkrankte (2020: 65 Prozent).
Der BWKG-Indikator ergibt außerdem, dass die Pandemie vor allem wegen der rückläufigen Auslastung sowie der horrenden Kosten vor allem Reha-Kliniken stark belaste. Die Kosten in Baden-Württemberg seien überdurchschnittlich hoch und müssten für alle Einrichtungen – insbesondere für Reha-Kliniken – finanziert werden, fordert die BWKG. Zumal eine leistungsgerechte Vergütung mit den Kostenträgern weiterhin problematisch für Reha-Kliniken zu verhandeln sei.
Auch aus Sicht der NKG besteht akuter Handlungsbedarf seitens der Politik, damit die Krankenhäuser zukünftig die notwendige Versorgung gewährleisten können. Die Liquidität der Kliniken müsse umgehend gesichert werden, da die akute Nichtbelegung von Krankenhausbetten und die vielfach nicht ausreichende Finanzierung der Pflegepersonalkosten tiefe Löcher in die Finanzplanung reißen.
Unzureichender Rettungsschirm 2021
Die Umfrage der NKG habe sich zudem gezeigt, dass der von der Bundespolitik gespannte Corona-Rettungsschirm für 2021 unzureichend war. Bei rund 83 Prozent der befragten Krankenhäuser blieben die coronabedingten Verluste des Jahres 2021 unausgeglichen. Eine Anhebung der Ausgleichszahlungen sei ebenso erforderlich wie eine sachgerechtere und umfassendere Ausgestaltung des Rettungsschirms 2022.
„Die wirtschaftlichen Aussichten für die Krankenhäuser in Niedersachsen sind düster. Das ist besonders bitter, weil die Kliniken einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie beigetragen haben und dies weiterhin nach Kräften tun. Es kann doch nicht sein, dass zu der immensen physischen und emotionalen Belastung der Beschäftigten jetzt noch die Sorge um den wirtschaftlichen Fortbestand von Krankenhäusern und somit auch um Arbeitsplätze hinzukommt“, betont Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG. „Die Kliniken und ihre Mitarbeiter brauchen jetzt dringend ein Signal, dass sie in dieser dramatischen Situation nicht im Stich gelassen werden.“
Indes stocken in Niedersachsen seit zwei Jahren die Verhandlungen der Pflegebudgets mit den Krankenkassen, heißt es in der NKG-Mitteilung. Dadurch würden hohe Beträge zur Finanzierung der Pflegepersonalkosten nicht fließen. Nur noch knapp 11 Prozent der niedersächsischen Krankenhäuser erwarten der Umfrage zufolge eine verbesserte Finanzsituation durch das Pflegebudget. Knapp die Hälfte der Befragten rechne sogar mit einer Verschlechterung. Dies sei „hinsichtlich der Zielsetzung des 2019 in Kraft getretenen Pflegestärkungsgesetzes ein Offenbarungseid“, so NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke.
„Die aktuellen Umfrageergebnisse sind alarmierend und markieren einen neuen Tiefpunkt seit Beginn unserer Erhebungen im Jahr 2010. Gemeinsames Ziel aller politischen Entscheidungsträger muss es jetzt sein, die Krankenhäuser in Niedersachsen und ihre Beschäftigten in dieser Krise historischen Ausmaßes wirtschaftlich abzusichern, um auch künftig eine flächendeckende stationäre Versorgung zu gewährleisten. Hierzu gehört auch die Bereitschaft von Politik und Krankenkassen, die erforderlichen Finanzierungsgrundlagen bereitzustellen“, betont Engelke.