Konzern sieht medizinische Versorgung auf dem Land in Gefahr

Rhön-Klinikum AG unterliegt im Kartellstreit

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  • 01.01.2008

Der Zusammenschluss von Krankenhäusern unterliegt der Fusionskontrolle nach den §§ 35 bis 43 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe entschieden. Damit unterlag die Rhön-Klinikum AG, welche im Rhön-Grabfeld- Kreis schon Kliniken betreibt und nun auch das dortige Kreiskrankenhaus Bad Neustadt an der Saale übernehmen wollte. Der Kartellsenat hat die Untersagung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt bestätigt

Die Rhön-Klinikum AG sieht sich dadurch in ihrer Wachstumsstrategie nicht beeinträchtigt. Der Konzern, mit einem Umsatz von etwa zwei Milliarden Euro im Jahr, habe erst einen Marktanteil von drei Prozent in Deutschland. Es gebe also noch genug „weiße Flecken“ auf der Landkarte, wo die Rhön-Klinikum AG ihr Geschäft ausbauen könne. Aber in dünn besiedelten ländlichen Räumen werde es insbesondere für kleinere Häuser schwer, zu überleben, wenn sie sich keinen Verbünden anschließen können. Das Krankenhaus in Mellrichstadt, das die Rhön-Klinikum AG neben dem in Neustadt ebenfalls hatte übernehmen wollen, habe der Landkreis schon schließen müssen, weil er dessen Defizit nicht mehr habe finanzieren können.

Außer der Rhön-Klinikum AG hatte der Landkreis keinen anderen ernsthaften Kaufinteressenten für die beiden Häuser gefunden. Die Rhön-Klinikum AG argumentiert, die nun vom BGH bestätigte Entscheidung des Kartellamtes werde faktisch zu weniger Wettbewerb vor allem im ländlichen Raum führen. Dort, wo es nur wenige und kleine Kliniken gebe, werde ein privater Betreiber rasch eine marktbeherrschende Stellung erreichen – zumal dann, wenn in Verbünden angeschlossene Krankenhäuser nicht schließen müssen. Für den Vorstandsvorsitzenden der Rhön- Klinikum AG, Wolfgang Pföhler, festigt die Entscheidung aus Karlsruhe ein allgemeines, strukturpolitisches Problem, denn die medizinische Versorgung in der Fläche werde erschwert.

Der Wettbewerb sei ein wichtiger Schlüssel zur Weiterentwicklung der Gesundheitswirtschaft. Nur dank des Wettbewerbs können neue Wege in der Gesundheitsversorgung beschritten werden, die den wachsenden Anforderungen einer alternden Gesellschaft gerecht werden. Der bisher kartellrechtlich beschrittene Weg „erscheint nicht zielführend“, sagte Pföhler. Nun sei es die Aufgabe des Gesetzgebers, „die Voraussetzungen zu schaffen, um die Menschen in allen Regionen Deutschlands auch in Zukunft bestmöglich medizinisch zu versorgen“. Die Politik müsse klären, inwieweit die Ziele einer hochwertigen, gleichmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung, wie sie der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch vorsehe, trotz der kartellrechtlichen Entscheidungen zu erreichen seien.

Sana: Die Politik muss sich mit diesem Konflikt befassen

Dr. Reinhard Schwarz, Vorstandsvorsitzender der Sana Kliniken AG: „Die strukturelle Entwicklung der stationären Versorgung erfordert Zusammenschlüsse und Kooperationen, die ohne Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation nicht realisierbar sind. Im Zweifel hat unseres Erachtens die Versorgungssicherheit der Patienten höhere Priorität. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist die Politik aufgerufen, sich mit diesem Konflikt zu befassen. Es ist notwendig, die Interpretation des Wettbewerbsrechts zu überprüfen. Die Sana Kliniken AG war in den Akquisitionen der letzten Jahre mit 13 neuen Kliniken erfolgreich. Ein Beschlussverfahren des Kartellamts fand nicht statt.“

Helios: Schwieriger wird es für kleinere Kliniken

Dr. Francesco De Meo,Vorsitzender der Helios-Geschäftsführung: „Die Wachstumsstrategie von Helios ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht beeinträchtigt. Die Entscheidung bestätigt im Wesentlichen die Auffassung des Bundeskartellamtes, an der wir unsere selektive Wachstumsstrategie schon länger orientieren. Wir sehen die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten durch diese Entscheidung nicht gefährdet, solange es ausreichend Wettbewerber und gleiche – vor allem faire – Rahmenbedingungen für alle gibt. Helios hat die Verfahren mit dem Bundeskartellamt bisher durchweg als sachorientiert und konstruktiv erlebt. Wir wissen, wie das Kartellamt denkt – die Behörde schaut auf die gleichen Zahlen wie wir.

Darauf stellen wir uns auch bei der Fokussierung unserer Wachstumsstrategie ein. Wir hatten noch keinen einzigen Fall, wo wir aus Kartellgründen nicht mitgeboten hätten. Schwieriger als für private Klinikketten stellen sich die Kartellvorgaben künftig aller Voraussicht nach für kleinere Kliniken selbst dar, die oft nur in regionalen Verbünden mit sinnvoll abgestimmten Leistungsangeboten ihr langfristiges Überleben sichern können. Hier können die vom Bundeskartellamt und dem Bundesgerichtshof aufgestellten Regeln gegebenenfalls hinderlich sein und damit indirekt die langfristige Sicherung eines Standortes gefährden. Das könnte am Ende sogar künftige Privatisierungen beschleunigen.“

Auch Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung zählen fusionsrechtlich zur Marktgegenseite für das Angebot von Krankenhausleistungen

In einer Mitteilung des BGH heißt es, im September 2004 meldete die Rhön-Klinikum AG beim Bundeskartellamt das Vorhaben an, das Kreiskrankenhaus Bad Neustadt an der Saale zu erwerben. Das Bundeskartellamt habe den angemeldeten Zusammenschluss untersagt. Die dagegen eingelegte Beschwerde habe das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Zusammenschlussbeteiligten, mit der sie die Freigabe des Zusammenschlusses erreichen wollten, habe der Bundesgerichtshof nun zurückgewiesen. Der Kartellsenat stellte klar, dass weder die Regelungen des Sozialrechts über die gesetzliche Krankenversicherung noch die Bestimmungen zur Krankenhausfinanzierung die Fusionskontrolle ausschließen. Insbesondere § 69 SGB V unterstelle nur die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern abschließend dem Sozialrecht, verdränge aber nicht die Fusionskontrolle beim Zusammenschluss von Krankenhäusern.

Nach Auffassung des Kartellsenats bieten Krankenhäuser die stationäre Behandlung nicht nur Privatpatienten, sondern auch den gesetzlich versicherten Patienten auf einem Wettbewerbsmarkt im Sinne der deutschen Fusionskontrolle an. Zwar fragten aufgrund des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung die Krankenkassen die stationären Behandlungsleistungen für Kassenpatienten nach und zahlten dafür. Aber die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Kassen und Krankenhäusern stehe der Annahme eines Wettbewerbsmarktes nicht entgegen. Auch den Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung stehe ein Wahlrecht zu, wenn sie sich zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben. Aufgrund dieser Auswahlentscheidung komme es zu einem eigenen Behandlungsvertrag mit dem jeweiligen Krankenhaus. Weil die Patienten die Entscheidung treffen, seien sie und nicht die Krankenkassen fusionsrechtlich die Marktgegenseite für das Angebot von Krankenhausleistungen.

Zwischen Krankenhäusern bestehe auch erheblicher Qualitätswettbewerb, etwa bei der fachlichen Qualifikation von Ärzten und Pflegepersonal oder der sachlichen Ausstattung. Der Kartellsenat teilte die Erwartung von Oberlandesgericht und Bundeskartellamt, dass die Übernahme der Kreisklinik zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der Rhön-Klinikum AG auf dem Markt für akutstationäre Krankenhausdienstleistungen im Gebiet Bad Neustadt/Bad Kissingen führen würde. Bei einer Fusion von Allgemeinkrankenhäusern sei der sachlich relevante Markt nicht nach medizinischen Fachabteilungen abzugrenzen.

Die Rhön-Klinikum AG halte im Rhön-Grabfeld- Kreis um Neustadt schon jetzt einen Marktanteil von deutlich über 40 Prozent. Es kann nach Auffassung des BGH dahinstehen, ob daraus bereits eine marktbeherrschende Stellung folge. Jedenfalls würde durch den Zusammenschluss eine solche Stellung begründet oder verstärkt werden. Beschluss vom 16. Januar 2008 – KVR 26/07 OLG Düsseldorf – Beschluss vom 11. April 2007 – VI Kart 6/05 (V)
 

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