Arbeitgeberattraktivität

Was Chefärzte wollen

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  • Führung & Verantwortung
  • 01.08.2014

Die Krankenhäuser haben zunehmend Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Chefärzten. Die Rochus-Mummert-Studie „Arbeitgeberattraktivität von Kliniken: Für welche Träger sich angehende Chefärzte entscheiden", die f&w exklusiv auswertet, gibt darüber Aufschluss, wie es um das Image der öffentlichen, frei-gemeinnützigen und privaten Kliniken bestellt ist.

Auswertungen der Stellenausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt für das vergangene Jahr zeigen: Chefarztpositionen scheinen – zumindest in Teilbereichen – an Attraktivität eingebüßt zu haben. Nach Schätzung von Henrik Räwer, Klinikexperte bei der Personalberatung Rochus Mummert, müssen jedes Jahr jedoch ca. 500 Chefarztpositionen neu besetzt werden. Allein sein Unternehmen betreut jährlich zwischen 90 und 120 Verfahren. Gefragt sind hohe fachliche Kompetenz, Führungsqualitäten sowie ökonomisches Bewusstsein – und die Bereitschaft, die medizinische Tätigkeit wegen des enormen Verwaltungsaufkommens hintan zu stellen. Immer weniger Ärzte in leitender Position sind aber bereit, ihre Work-life-Balance für den Job ungleich zu gewichten.

Wohl jeder Geschäftsführer einer Klinik hätte deshalb gerne das ideale Rezept, mit dem er den Wunschkandidaten in sein Haus holen kann. Aufschluss darüber, wie man bei Bewerbern punktet, gibt die noch unveröffentlichte Studie „Arbeitgeberattraktivität von Kliniken: Für welche Träger sich angehende Chefärzte entscheiden", die f&w vorliegt. Für ihre Erhebung hat Rochus Mummert in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Marketing und Gesundheitsmanagement der Universität Freiburg bundesweit 239 Ärzte in leitenden Funktionen deutscher Krankenhäuser befragt. Das entspricht über elf Prozent der bundesweit aktuell in Chefarztverfahren beteiligten ärztlichen Bewerber.

Die Studienteilnehmer bewerteten jeweils ein fiktives Krankhaus danach, ob es ihnen für eine neue Führungsposition (Employer Attractiveness) attraktiv erscheint. Nach dem Zufallsprinzip wurden sie auf vier Szenarien aufgeteilt: mögliche Führungsposition in einem privaten, freigemeinnützigen, konfessionellen oder öffentlichen Krankenhaus. Auf einer Skala von eins bis sieben mussten die Befragten angeben, wie sehr sie bestimmte Faktoren den Klinikträgern zuschreiben (1 = „trifft überhaupt nicht zu", 7 = „trifft voll und ganz zu").

Öffentliche Kliniken sind am beliebtesten

Das Fazit fällt überraschend klar aus: Kliniken in öffentlicher Hand sind für Ärzte die attraktivsten Arbeitgeber, gefolgt von freigemeinnützigen und konfessionellen Krankenhäusern. Private Kliniken haben als Arbeitgeber den schlechtesten Ruf. Bei ihnen fürchten Ärzte, dass EBITDA mehr zählt als Heilung und dass die Dominanz wirtschaftlicher Ziele ihren Arbeitsalltag bestimmt.

Den öffentlichen Krankenhäusern sprechen die befragten Ärzte hingegen die höchste Patientenorientierung und die höchste Ausstattung mit Ressourcen zu. „Städtische Kliniken und Kreiskrankenhäuser genießen als Arbeitgeber ein höheres Vertrauen, da sie regional verwurzelt sind und in der Regel eine gewisse Größe haben", sagt Räwer. „Sie strahlen Stabilität aus. Gerade für kleinere Privatkliniken ist es schwer, damit zu konkurrieren." Daher begrüßen die Mediziner einen Jobwechsel vor allem dann, wenn ihnen die neue Stelle von einer öffent- lichen Klinik angeboten wird. Auf der Skala der Wechselbereitschaft erreichen die öffentlichen Träger mit Abstand den höchsten Wert (5,27), gefolgt von den freigemeinnützigen (4,59), konfessionellen (4,18) und privaten Kliniken (3,67).

Ein weiterer überraschender Befund: Positive Gehaltsperspektiven sind für die Attraktivität der Arbeitgeber weniger relevant. Stattdessen stehen gute Karrieremöglichkeiten an erster Stelle. Hier schneiden Krankenhäuser eines öffentlichen oder privaten Trägers besser ab als konfessionelle und frei-gemeinnützige Häuser. Die Ärzte glauben, dort bessere Aufstiegsperspektiven und Voraussetzungen für die weitere Karriere zu haben. Auch die Möglichkeiten, sich beruflich weiterzuentwickeln, schätzen sie höher ein.

Christliche Wertvorgaben schrecken eher ab

Zu den wichtigsten Entscheidungskriterien zählen auf Platz zwei Jobsicherheit und an dritter Stelle die „soziale Kompetenz". Letzterem werden Eigenschaften wie Fürsorge, Freundlichkeit und Großzügigkeit zugeordnet. Diese erwarten die Ärzte mit einem Skalenwert von 4,62 vor allem bei konfessionellen Häusern. Frei-gemeinnützige (4,33) und öffentliche Träger (4,14) liegen dicht auf, während privatwirtschaftliche Kliniken auf der Sozialkompetenz-Skala nur einen Wert von 3,21 erreichen. Doch obwohl eine hohe Sozialkompetenz das Wahlverhalten der Ärzte positiv beeinflusst, schrecken gerade konfessionelle Häuser mit christlichen Wertvorgaben ab. „Offenbar befürchten einige Ärzte, dass sie durch moralische Vorgaben in ihrem Handlungsspielraum zu stark eingeschränkt werden. Die Ärzte glauben, dass sie in ihren Therapieentscheidungen limitiert sind und etwa keine Schwangerschaftsabbrüche vornehmen dürfen", sagt Henrik Räwer zum diesbezüglich überraschend schwachen Abschneiden der konfessionellen Träger. Diese müssten ihre kirchliche Grundordnung überdenken und rigide Aspekte lockern, meint der Berater. Zwar seien kirchliche Träger besser als ihr Image, aber einzelne Vorfälle generierten einen Gesamtschaden für diese Trägergruppe, zum Beispiel, wenn ein wieder verheirateter Chefarzt nicht in seiner Position geduldet werde. Räwer, der selber Arzt ist, empfiehlt konfessionellen Trägern, ihre eigene Außendarstellung zu überdenken und Ursachenforschung nach den Vorbehalten der Chefarztkandidaten zu betreiben.

Am schlechtesten jedoch ist die Arbeitgeberattraktivität privatwirtschaftlicher Krankenhäuser. Dabei sei die Gruppe der privaten Kliniken bezogen auf ihre Arbeitskulturen sehr heterogen, meint Räwer. In den meisten privaten Kliniken gelinge es gut, trotz privatwirtschaftlichem Hintergrund im Klinikalltag den Fokus auf die fachliche Kompetenz zu legen. Die Studie zeige daher auch, dass Ärzte, die bereits in einem privaten Haus gearbeitet haben, diesen Kliniktyp wieder wählen würden.

Bei der statistischen Zusammensetzung der Befragten fällt auf, dass 51 Prozent bei einem öffentlichen Träger arbeiten und insgesamt 91 Prozent über Erfahrungen mit öffentlichen Trägern verfügen. Das wirft die Frage auf, ob die signifikant hohe Zugehörigkeit zu einem öffentlichen Träger die Studienaussage beeinflusst. Dazu Räwer: „Bei den 91 Prozent handelt es sich wahrscheinlich um eine statistische Unschärfe, der wir nachgehen müssen. Wir vermuten, da die meisten der Befragten zumindest als Assistenzärzte an Unikliniken beschäftigt waren, sie diese Arbeitszeit einem öffentlichen Träger zugeschrieben haben. Die 51 Prozent entsprechen der Bettenverteilung nach Trägern. Die kommunalen Häuser sind häufig größer als die privaten oder konfessionellen Häuser."

Die Karrieren bleiben in Männerhand

Generell kommt der Report zu dem Ergebnis: Wenn medizinische Fach- und Führungskräfte zufrieden mit ihren gegenwärtigen Arbeitgebern sind, besteht eine höhere Bereitschaft, in ein Krankenhaus in gleicher Trägerschaft zu wechseln als in eines in anderer Trägerschaft. Und noch eines wird deutlich. 86 Prozent der befragten medizinischen Führungskräfte sind männlich, nur 14 Prozent dagegen weiblich. Mehr oder weniger ungewollt bestätigt auch diese Studie: Zwar wird die Medizin weiblich, die Karrieren aber bleiben in Männerhand. So ganz will der Berater dies nicht stehen lassen und entgegnet, der Anteil der Bewerberinnen an Chefarztpositionen steige von Jahr zu Jahr. Zum aktuellen Zeitpunkt liege er im Mittel bei 14 Prozent. Deshalb sei die Studie auch hier repräsentativ.

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