Chef- und Oberärzte zu befähigen, ihre Führungs- und Kommunikationsarbeit noch effektiver verrichten zu können, scheint der erfolgversprechendste Einstieg in einen größeren Veränderungsprozess zu sein. Das Werkzeug hierfür liefert die Personalentwicklung. Denn gutes Personal ist der wichtigste Qualitätsfaktor im Klinikum.
Wer heute kein Personalmanagement betreibt, dem wird morgen das wichtig-te Kapital fehlen, das ein Unternehmen hat: die Menschen, die motiviert und gut ausgebildet Dienst am Patienten oder in der Verwaltung eines Klinikums tun. Darauf müssen die Arbeitnehmer im Krankenhaus vorbereitet werden. Wer das als Klinikmanager beherrscht und auf der Klaviatur moderner Personalentwicklung zu spielen vermag, erhöht die Qualität in seinem Haus signifikant.
Personalmanagement kann auch dazu beitragen, die komplexe Kooperation der verschiedenen Klinik-Berufsgruppen zu erleichtern. Aus der komplexen Innensicht eines Klinikbetriebes sind es vor allem die über mehrere Jahrzehnte gewachsenen, standespolitischen Strukturen von Pflegern, Schwestern, Ärzten und Kaufleuten, die eine reibungslose Kooperation verhindern. Viele Berufsgruppen sind heute noch häufig tradierten Denkmustern verhaftet und agieren in teilweise völlig unterschiedlichen Arbeitsweisen und Organisationsformen.
Die PIX-Befragung aus dem Jahr 2005 zur Professionalität der einzelnen Teilfunktionen des Personalmanagements im Klinikbereich bestätigt hierzu, dass „Personalabrechnung und -administration" am besten beherrscht werden (94,7 Prozent), während „Personalentwicklung" (20 Prozent) und „Personalmarketing" (14,7 Prozent) auf den letzten beiden Plätzen rangieren und im Allgemeinen funktional nicht eindeutig ausgerichtet sind. Mit PIX, dem Personalmanagement-Professionalisierungs-Index, beobachtet die Deutsche Gesellschaft für Personalführung eV. (DGFP) seit 2004 die professionelle Entwicklung des Personalmanagements.
Abteilungen arbeiten zu oft isoliert voneinander
Der ärztliche Bereich ist stark hierarchisch geprägt. Die einzelnen Fachabteilungen arbeiten noch oft isoliert voneinander und konkurrieren in der Zuständigkeit. Der Pflegebereich zeichnet sich durch eine starke Team- und Prozesszentrierung aus. Der Management-Bereich (Control, Care und Cure) ist durch funktionale Arbeitsteilung, administrative Hierarchien und ergebnisbezogene Kontrollprozesse gekennzeichnet.
Das verhindert fachübergreifende betriebliche Zielvorstellungen. Gäbe man den Individuen im Klinikum Leistungsmotivation und Teamgeist, könnte das eine „Corporate Identity" hervorbringen.
Folgende Ansätze könnten einen nachhaltigen Beitrag leisten, um aktiv mit den beschriebenen Problemen umzugehen:
Management-Audits für Chef- und Oberärzte zur nachhaltigen Verbesserung der Führungsleistung
Es gibt signifikante Zusammenhänge zwischen der Führungsqualität von Chef- und Oberärzten, Betriebsklima, Mitarbeiterbindung und Fluktuation; drei Aspekte, die hier nur kurz genannt werden sollen:
1. Schlechte Personalführung vergrößert die Mitarbeiterfluktuation und erschwert die kooperative Zusammenarbeit zwischen Pflege, kaufmännischer Leitung und Ärzteschaft.
2. Personalbeschaffung, gerade in ländlichen, strukturschwachen Regionen, wird zunehmend schwieriger und kostspieliger und macht Mitarbeiterbindung auch zu einem betriebswirtschaftlich relevanten Thema.
3. Ein dauerhaft schlechtes Betriebsklima ist einer der Hauptdemotivatoren für an sich leistungswillige und -fähige Mitarbeiter. Damit verstärkt ein negativ erlebtes Betriebsklima die Effekte schlechter Mitarbeiterführung. Gerade begehrte Funktionen wie zum Beispiel „OP-Pfleger, die sich in vielen Städten aufgrund der hohen Nachfrage ihren Arbeitgeber frei aussuchen können", so ein Verwaltungschef einer führenden Klinik in Norddeutschland, „verlassen häufig in geschlossenen Gruppen oder Teilteams ihren Arbeitgeber."
Insbesondere Chef-, aber auch Oberärzte werden im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung nur ungenügend auf ihre hochkomplexen Personalführungsaufgaben vorbereitet und trainiert. Anforderungen im Hinblick auf Sozialkompetenzen (kommunikative, kooperative und integrative) und persönliche Wertkompetenz (unter anderem Innovationsbereitschaft, Selbstlernfähigkeit, Entscheidungsfreudigkeit, Ehrlichkeit, Eigeninitiative) haben seit 2000 mit einem Bedeutungszuwachs bis zu 20 Prozent aus Sicht von Mitarbeitern und Führungskräften deutlich an Stellenwert zugelegt.
Gleichzeitig müssen gerade Chefärzte ein enormes Spektrum an Beteiligten professionell bedienen. Damit ist der Chefarzt vielfach auch die zentrale Instanz stattfindender oder ausbleibender Personalentwicklungsarbeit. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Haushaltssituation vieler Kliniken. Denn im Regelfall verfügen auch größere Kliniken eben nicht über eine etablierte Personalentwicklungsabteilung mit festen Jahresbudgets, strategischen Programmen und Projekten, auch wenn die Klinikkonzerne hier bereits feste Planungsbudgets vorhalten. Es wäre hier wichtig, Chef- und Oberärzten durch ein Management-Auditverfahren individuell aufzuzeigen, wo besondere, bislang ungenutzte Führungspotenziale liegen.
Gleichzeitig könnte wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Ärzten Führungsschwächen aufzuzeigen und zu lernen, mit diesen bewusster umzugehen. Der Begriff der „Selbstwirksamkeitserfahrung" – also die Persönlichkeitswirkung auf zu führende Mitarbeiter – bekommt hierbei eine zentrale Schlüsselfunktion: Welche gefühlte Mitarbeiterwirkung geht von der Person eines Chefarztes aus? Was passiert psychologisch-kommunikativ durch den Chefarzt auch ohne fachliche Anweisung und medizinischen Auftrag, also etwa durch rein nonverbales Verhalten, den individuellen Führungsstil, das zwischenmenschliche Miteinander oder die Umsetzung seiner Vorbildrolle als Menschenführer.
Führungskräftetrainings, Einzel-Coachings und Supervision bieten praxiserprobte Wege, die eigene Führungsrolle kritisch zu hinterfragen, Führungsinstrumente individuell kennenzulernen, im Alltagseinsatz angeleitet zu reflektieren und passend zur eigenen Persönlichkeitsstruktur praktisch weiterzuentwickeln.
Supervision und Coaching
Was für Ober- und Chefärzte als Einzelpersonen gilt, trifft in gleicher Weise auf einzelne Arbeitsteams zu: so auch die Kommunikation zwischen den eingangs beschriebenen Berufsgruppen an typischen Schnittstellen im täglichen Betriebsablauf, wie etwa die kommunikative Auftragssituation des Chefarztes nach der Chefvisite gegenüber Ober- und Assistenzärzten. Aufgrund der hierarchischen Ordnung wissen nach der Visite alle betroffenen Nicht-Chefärzte, was zu tun ist. Über die Qualität des Führungsvorganges ist damit nichts ausgesagt.
Auch hier könnten Supervision und Gruppencoaching helfen, das geregelte Miteinander systematisch zu beobachten und zu verbessern. Neue Verfahren wie das der „kollegialen Evaluation" als systematisches Verfahren kollegialer Fallarbeit werden in anderen Branchen stärker für gemeinschaftliche Lernformen eingesetzt. Vor allem der Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten scheint eine der zentralen inhaltlichen Führungsherausforderungen auf Gruppenebene darzustellen.
Abbau von Mitarbeiterdemotivatoren
Ausgehend von dem Motivationsansatz von Reinhard Sprenger, dass jeder Mensch zunächst leistungsfähig und willig ist, lohnt es, der Frage nachzugehen, was die organisationsspezifischen Demotivatoren sind, die beeinflusst und beseitigt werden können. Sind diese zum Beispiel durch differenzierte Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen identifiziert, kann gezielt gegengesteuert werden, um Leistungsbereitschaft, Teamgeist und Mitarbeiterloyalität so zu beeinflussen, dass letztlich auch die personelle Fluktuation sich im groben Mittel auf ein natürliches Maß von zwei bis sechs Prozent reduziert.
Wenn es dem Krankenhaus gelingt, sich konstruktiv mit Schwierigkeiten des Führens und Managens zu beschäftigen, können funktionsübergreifende Teamentwicklungsprozesse aufsetzen, um Gemeinschaftsgeist und übergreifende Problemlösebereitschaft und -kompetenz auf Mitarbeiterseite aufzubauen.
Literaturhinweise beim Verfasser.