Der Schiedsstellenbeschluss zur Zentrumsfinanzierung konterkariert das Ziel des Gesetzgebers, Normenklarheit zu schaffen. Ein erkennbares Signal zur Konzentration von Zentrumsaufgaben bleibt weiter aus. Die gesetzlichen Krankenkassen warnen vor einer parallelen Finanzierungsstruktur und sehen die Länder in der Pflicht.
Die Finanzierung von besonderen Zentrumsleistungen erfolgt seit Einführung des DRG-Fallpauschalensystems über Zuschläge, weil diese besonderen Aufgaben nicht in allen Krankenhäusern anfallen und ganz überwiegend „für andere“ erbracht werden, also nicht über die DRG am Fall abgerechnet werden können. Der Streit darüber, welche Leistungen das sind und wer sich zur Erbringung dieser „besonderen Aufgaben“ eignet, wird seit der Implementierung ins Gesetz intensiv geführt. Nach zahlreichen Rechtsstreitigkeiten auf der Ortsebene und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2014 hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform dafür ausgesprochen, dass der Zentrumsbegriff in § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) neu gefasst werden soll. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) hatten die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene den Auftrag erhalten, bis zum 31. März 2016 das Nähere zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten für die stationäre Versorgung von Patienten zu vereinbaren (§ 9 Abs. 1a Nr. 2 KHEntgG).
Brustzentren in NRW, Geriatrie in BaWü
Der Gesetzgeber führte mit dem KHSG Kriterien ein, aus denen sich besondere Aufgaben ergeben können. Diese können vorliegen, wenn ein Krankenhaus überörtlich und krankenhausübergreifend Leistungen erbringt. Außerdem kann ein Krankenhaus aufgrund von besonderen Vorhaltungen Zentrumsaufgaben übernehmen, insbesondere in Zentren für Seltene Erkrankungen. Weiterhin kann eine Konzentration der Versorgung an einzelnen Standorten wegen außergewöhnlicher technischer und personeller Voraussetzungen besondere Aufgaben begründen. Die Vertragspartner haben sicherzustellen, dass die besonderen Aufgaben nicht bereits durch DRG-Fallpauschalen, Zusatzentgelte oder nach sonstigen Regelungen des KHEntgG oder des SGB V vergütet werden. Voraussetzung für die Vereinbarung von Zuschlägen ist, dass das Zentrum und die besonderen Aufgaben im Krankenhausplan des Landes ausgewiesen sind oder eine gleichartige Festlegung durch die zuständige Landesbehörde vorliegt.
Aktuell gibt es circa 250 Zentren, die auf alter Rechtsgrundlage einen Zuschlag für besondere Aufgaben vereinbart haben. Dabei zeichnet sich deutschlandweit ein Flickenteppich ab: Während in Nordrhein-Westfalen in großer Zahl Zuschläge für Brustzentren vereinbart wurden, werden in Baden-Württemberg vor allem geriatrische Zentren über Zuschläge gefördert. Bis zum 31. Dezember 2017 können übergangsweise Zuschläge auf der Grundlage der bisherigen Voraussetzungen vereinbart werden. Eine doppelte Abrechnung von Zuschlägen auf alter und neuer Grundlage ist nicht möglich.
Aus dem Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe geht hervor, dass mit der gesetzlichen Neuregelung eine Konzentration von Zentrumsleistungen an besonders geeigneten Krankenhäusern beabsichtigt ist: „Ein Zentrum ist eine Einrichtung, die in dem betreffenden Fachbereich besonders spezialisiert ist und sich auf Grund medizinischer Kompetenz und Ausstattung von anderen Krankenhäusern abhebt. Die Einrichtung muss sich durch die Wahrnehmung spezieller Aufgaben von den Krankenhäusern ohne Zentrumsfunktion unterscheiden.“ Da zwischen den Vereinbarungspartnern eine grundlegend unterschiedliche Auffassung über den Gegenstand der Vereinbarung bestand, hat der GKV-Spitzenverband nach langen und ergebnislosen Verhandlungen am 5. September 2016 die Bundesschiedsstelle angerufen. Während der GKV-Spitzenverband eine Konkretisierung und Operationalisierung der im Gesetz genannten Kriterien als Kernaufgabe der Vereinbarung sah, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) den Schwerpunkt auf die Vereinbarung eines unspezifischen Leistungskatalogs gelegt.
Die Festsetzung der Bundesschiedsstelle vom 8. Dezember 2016 legt den Gesetzestext sehr restriktiv aus. Es wird keine Operationalisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe, wie zum Beispiel „überörtlich“ und „krankenhausübergreifend“, vorgenommen, aber eine Anlage möglicher zu finanzierender Aufgaben festgelegt. Besondere Vorhaltungen liegen in Zentren für Seltene Erkrankungen vor. Weiterhin können besondere Aufgaben dann vorliegen, wenn kostenintensive Großgeräte und außergewöhnlich kostenintensive und komplexe Behandlungsformen sowie die erforderliche Fachexpertise nur in wenigen Krankenhäusern angeboten werden. An der gesetzlichen Vorgabe, dass keine Doppelfinanzierung von Leistungen erfolgen darf, wird allerdings in der Vereinbarung festgehalten. Diese gilt für besondere Aufgaben, die ab dem 1. Januar 2017 wahrgenommen und vereinbart werden.
Ein erklärtes Ziel des Gesetzgebers hat die Vereinbarung damit bereits heute absehbar verfehlt: Normenklarheit zu schaffen. Entgegen dem Antrag des GKV-Spitzenverbandes wurde keine einheitliche und messbare Operationalisierung der Kriterien des Gesetzes vorgenommen. Faktisch bedeutet dies, dass zukünftig jedes Krankenhaus geldwerte Zentrumsaufgaben (aus der Anlage) übernehmen kann, sofern das jeweilige Land dies vorsieht. Die vom GKV-Spitzenverband angestrebte Konzentration von Zentrumsaufgaben in großen und geeigneten Krankenhäusern auf Basis entsprechender Kompetenznachweise obliegt nun der Entscheidung der jeweiligen Länder.
Schiedsstelle manifestiert die Unbestimmtheit
Bedauerlich ist dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein bundeseinheitliches Entgeltsystem nach bundeseinheitlichen Kriterien für die Übernahme von geldwerten besonderen Aufgaben verlangt. Ob eine Zentrumsleistung am Ende eine Finanzierung auslöst, das hängt nicht zuletzt an der Frage, ob die Leistung unter der Voraussetzung entsprechender Strukturen erbracht wird. So wie die Behandlung seltener Erkrankungen zukünftig an die Anforderungskataloge des Nationalen Aktionsbündnisses für Seltene Erkrankungen (NAMSE) gebunden ist, so hätten auch die weiteren besonderen Aufgaben an Kriterien gebunden werden können. Dass dies rechtlich möglich ist, beweist die Vereinbarung mit dem Bezug zu den NAMSE-Kriterien. Stattdessen werden die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzestextes durch andere unbestimmte Rechtsbegriffe ersetzt. Was „überörtlich“ und „krankenhausübergreifend“ ist, das wird zukünftig in jedem Bundesland anders definiert werden. Aufgrund dieser Mängel wird der altbekannte Flickenteppich der Zentrumsfinanzierung beibehalten; ein erkennbares Signal zur Konzentration von Zentrumsaufgaben an großen Krankenhäusern fehlt leider weiterhin.
Eine handfeste Gefahr liegt hingegen in der Tatsache, dass durch die unspezifische Übertragung von geldwerten besonderen Aufgaben aus dem Katalog eine parallele Finanzierungsstruktur zum DRG-Finanzierungssystem geschaffen wird. Leistungen, die einmal über Zentrumszuschläge finanziert werden, dürfen und können nicht mehr über DRG-Fallpauschalen vergütet werden. Wenn beispielsweise Personalkosten der Psychoonkologie über Zentrumszuschläge bezahlt werden, ist die Finanzierung über DRG nicht mehr sachgerecht, weil das entsprechende Relativgewicht für die Leistungen der übrigen Krankenhäuser durch die Herausnahme der Kosten falsch niedrig kalkuliert würde.
Zentraler Dreh- und Angelpunkt der gesamten Vereinbarung ist der Ausschluss der Doppelfinanzierung. Die in der Anlage aufgelisteten besonderen Aufgaben sollten zwar grundsätzlich frei von Doppelvergütung sein, sind aber aufgrund einer eher unspezifischen Beschreibung der besonderen Aufgaben daraufhin kritisch zu prüfen. Die Vorhaltung und Konzentration außergewöhnlicher, an einzelnen Standorten vorhandener Fachexpertise in besonderen Versorgungsbereichen wird oft bereits durch die DRG-Entgelte ausreichend finanziert (vergleiche unter anderem Herz- oder Schmerzzentren). Auch der tautologische Bezug der besonderen Aufgabe auf die konkrete Nennung von Zentren in der Anlage ist problematisch. Höchstwahrscheinlich werden diese Punkte in unzähligen Schiedsstellenverfahren geklärt werden müssen.
Ambulant ist keine besondere Aufgabe
Die Zentrumsvereinbarung bleibt, wie beschrieben, in vielen Bereichen hinter den Erwartungen zurück. Dennoch gibt es auch Bereiche, in denen Klarheit in lang diskutierten Feldern geschaffen wird: Ambulante Leistungen und Leistungen nach dem aktuellen medizinischen Standard zählen nicht zu den besonderen Aufgaben, auch dann nicht, wenn sie in höherer Qualität erbracht werden. Es wird also keine zusätzlich finanzierten „Zentren für gute Medizin“ geben. Um auszuschließen, dass die Leistungen bereits von den Entgelten des DRG-Systems umfasst sind, wird ein Meldeverfahren beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) etabliert. Die auf diesem Wege zu schaffende Datengrundlage ist bei der Weiterentwicklung des DRG-Systems zu berücksichtigen.
Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes wird mit der nun vorliegenden Zentrumsvereinbarung die Chance vertan, die besonderen Aufgaben als ergänzendes Finanzierungsinstrument zum DRG-Entgeltsystem bundeseinheitlich zu strukturieren. Die Länder sind jetzt gefordert, der ebenso von Länderseite vehement eingeforderten Konzentration besonderer Versorgungsaufgaben auch unter dem Aspekt des bundeseinheitlichen Finanzierungsrahmens nachzukommen.