Neue Wege in der Weiterbildung

Anders lernen im Krankenhaus

  • Personal
  • Management
  • 25.09.2018

f&w

Ausgabe 10/2018

Seite 924

Mehr Kompetenzen, mehr ärztliche Haltung, weniger Richtzahlen: Die neue (Muster-)Weiterbildungsordnung läutet einen Wandel in der medizinischen Weiterbildung ein. In vielen Kliniken ist dafür ein Umdenken erforderlich. Denn die Lernmethoden, die Art der Dokumentation und auch die Anforderungen an Weiterbilder werden sich deutlich ändern. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick.

Seit Langem gilt die Weiterbildung zum Facharzt, die sich inhaltlich vor allem an Richtzahlen orientiert, didaktisch als veraltet und teilweise weit entfernt von den tatsächlichen Anforderungen an Mediziner. Der Beschluss beim 121. Deutschen Ärztetag im Mai dieses Jahres war also längst überfällig: Nach sechs Jahren Vorbereitung sprachen sich dort die Abgeordneten einstimmig für eine Reform der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) aus. Damit fand ein Prozess seinen Abschluss, der schon 2012 in Nürnberg begann. Damals hatte der Ärztetag den Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer (BÄK) den Auftrag erteilt, eine kompetenzbasierte MWBO zu entwickeln. Abgestimmt wurde im Mai über die „Allgemeinen Inhalte“ der fachärztlichen Weiterbildung, also die übergreifenden Kompetenzen, die jeder Arzt erwerben muss – je nach Fachgebiet unterschiedlich stark ausgeprägt. Zu den „Allgemeinen Inhalten“ zählen unter anderem ethische, wissenschaftliche und rechtliche Grundlagen ärztlichen Handelns ebenso wie zum Beispiel ärztliche Gesprächsführung und Arzneimitteltherapiesicherheit. Neben fachspezifischen und berufsspezifischen Kompetenzen werden auch ärztliche Haltungen in die Präambel der MWBO aufgenommen. Damit wird in der medizinischen Weiterbildung ein Kulturwandel sowohl für die Lernenden als auch für deren Betreuer zumindest eingeläutet. Umsetzen müssen das Ganze nun die Landesärztekammern und schließlich auch die weiterbildenden Krankenhäuser und Arztpraxen. Was soll sich mit der neuen MWBO konkret ändern? Ein Überblick in fünf Punkten.

Rückblick: Reform der Weiterbildung

2003

Nach jahrelangen Vorarbeiten beschließt der 106. Ärztetag in Köln eine grundlegende Novelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung.

2010

Der 113. Ärztetag in Dresden fordert die Weiterbildungsgremien auf, eine modulare Weiterbildung zu erarbeiten.

2012

Der 115. Ärztetag in Nürnberg erteilt den Weiterbildungsgremien den Auftrag, eine kompetenzbasierte MWBO zu entwickeln.

2017

Der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg entscheidet über Titel, Definition und Weiterbildungszeit der Fachgebiete.

2018

Der 121. Ärztetag in Erfurt beschließt über künftige Zusatz Weiterbildungen und die Voraussetzungen für deren Erwerb.

2019

Geplant ist, dass beim 122. Deutschen Ärztetag in Münster das betriebsfähige elektronische Logbuch vorgestellt wird.


1.  Andere Inhalte

Die erworbenen Kompetenzen werden künftig in vier Kategorien bescheinigt: Inhalte, die der Weiterzubildende zu beschreiben hat; Inhalte, die er systematisch einordnen und erklären soll; sowie Fertigkeiten, die er unter Supervision und solche, die er selbstverantwortlich durchführt. In den „Allgemeinen Inhalten“ werden die ärztlichen Haltungen und Rollen nun näher beschrieben, zum Beispiel Gesprächsführung, Managementaufgaben, interkollegiale und professionelle Zusammenarbeit. Patientenbezogenen Tätigkeiten kommt eine größere Bedeutung zu. „Unser Interesse ist es, dass Ärzte ihre Weiterbildung in möglichst kurzer Zeit absolvieren“, sagt dazu Peer Köpf, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). „Daher wäre uns sehr daran gelegen, wenn einzelne Weiterbildungsgänge etwas verschlankt und entrümpelt würden.“ Die Richtzahlen seien – so weit wie möglich – reduziert worden, ganz darauf verzichten könne man derzeit allerdings noch nicht, sagt Dr. Annette Güntert, Leiterin des Dezernats Ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer (BÄK). Beispielsweise sei es bei zu erlernenden Methoden oder Techniken, wie Koloskopien, wichtig, eine routinierte Praxis während der Weiterbildungsdauer zu erhalten. Güntert: „Die neue MWBO enthält weniger starre Vorgaben, dafür eine mehr inhaltlich-didaktische Ausrichtung.

Kritik an der Weiterbildung

Um diesen Nachwuchs musste man sich Sorgen machen: Laut einer Umfrage des Hartmannbundes aus dem vergangenen Jahr sind zwei Drittel der Assistenzärzte in Deutschland mit ihrer Arbeitssituation äußerst unzufrieden. Viele von ihnen stehen während ihrer Weiterbildung in den Kliniken offenbar massiv unter Druck. Dabei beschwerten sich die meisten der vom Hartmannbund befragten 1.330 jungen Mediziner vor allem über zu viele Überstunden. In eine ähnliche Richtung geht die Kritik des Marburger Bundes: Die Weiterbildungsordnung gebe keine Vorgaben für den Ablauf der Weiterbildung an die Hand, heißt es da, sondern es obliege dem Arbeitgeber, diese zeitlich und inhaltlich zu strukturieren. Wenn es aber in Kliniken sowieso an Zeit und Fachkräften mangelt, werden Assistenzärzte schnell zum Lückenfüller in einer undichten Personaldecke, Weiterbildung verkommt zum Nebenprodukt. Davon abgesehen, beklagten Kritiker zudem große Unterschiede in den einzelnen Weiterbildungsordnungen der Länder. In einigen würden beispielsweise noch Dinge verlangt, die im medizinischen Alltag heute nicht mehr notwendig sind – etwa OP-Verfahren, die inzwischen durch Endoskopie ersetzt werden können. res


2. e-Logbuch

Sinn mache die Novelle nur, wenn Weiterbildungsfortschritte kontinuierlich dokumentiert und überprüft werden, so Güntert. Dreh- und Angelpunkt der neuen MWBO ist daher das elektronische Logbuch, welches als zentrale und bundesweit einheitliche Anwendung den Kompetenzerwerb der Weiterzubildenden nachvollziehbar abbildet. Begrüßt hatte dies schon der Ärztetag im Vorjahr. In diesem Jahr haben die Abgeordneten beschlossen, die Einführung mit Unterstützung eines externen Anbieters zu konkretisieren – mit dem Ziel, dass bereits im nächsten Jahr beim Ärztetag ein fertiges Produkt präsentiert wird. Das könnte schwierig werden, da die Voraussetzungen der erforderlichen IT-Infrastruktur in den Landesärztekammern unterschiedlich weit fortgeschritten sind. Güntert: „Den Föderalismus darf man hierbei nicht unterschätzen. Wir haben für das Logbuch ein Muster entwickelt, welches zeitnah umgesetzt werden kann. Doch wir benötigen in den Bundesländern gegebenenfalls entsprechende gesetzliche Grundlagen, um es letztlich zu implementieren. Natürlich werden wir uns mit Schnittstellenthemen befassen sowie ganz zentral mit Aspekten des Datenschutzes.

Das e-Logbuch soll bereits Mitte 2019 von den Landesärztekammern genutzt werden können.“ Das e-Logbuch soll dann kontinuierlich die Weiterbildungsfortschritte in den Weiterbildungsstätten dokumentieren. Darüber soll damit mittelfristig die Weiterbildung auch evaluiert werden. „Nicht als Kontrolle, sondern im Sinne einer Feedback-Qualitätssicherung“, sagt Güntert.

3.  Anforderungen an Weiterbilder

„Steigen werden die didaktischen Anforderungen an die Weiterbilder. Denn grundsätzlich sollten die Vorgaben angeleitet werden“, so Güntert. Verantwortlich für die zunehmend angebotenen „Train the Trainer“-Seminare seien die Landesärztekammern. Er wünsche sich, dass die Krankenhäuser da mehr mitgenommen würden, so Köpf. „Die alleinige Abstellung der Weiterbildungsbefugnis auf einen leitenden Arzt stellt bisher oft ein Problem dar, beispielsweise, wenn genau dieser Chefarzt oder Oberarzt die Klinik verlässt oder die Chemie mal nicht stimmt. Hier wäre die Delegation der Befugnis an ein gesamtes Krankenhaus als Weiterbildungsstätte besser.“

Mit Inkrafttreten der neuen MWBO in den Landesärztekammern müssten die Weiterbildungsbefugnisse ohnehin neu vergeben werden, so Güntert. Da gehe es um Fragen der vollen Befugnis, also ob eine Abteilung das gesamte fachlich-inhaltliche Weiterbildungsspektrum abdecken kann. „Ideal wäre es, langfristig nur noch volle Befugnisse zu vergeben oder Kliniken zu empfehlen, Verbünde einzugehen, gegebenenfalls auch trägerübergreifend beziehungsweise mit Arztpraxen.“

4.  Neue Lernmethoden

Ein weiteres Ziel der neuen MWBO ist es, mehr Flexibilität zu ermöglichen, beispielsweise auch durch berufsbegleitende Weiterbildung. Daher soll es zum Beispiel deutlich mehr Blended Learning-Möglichkeiten in den Kurs-Weiterbildungen und auch Simulationstrainings geben. „Natürlich brauchen wir immer die Erfahrung am Patienten“, so Güntert. E-Learning und telemedizinische Anwendungen würden zu festen Bestandteilen der Weiterbildung werden. „Simulationskurse bieten sich beispielsweise gerade in der Notfallmedizin an. Die jungen Ärztinnen und Ärzte fühlen sich nach Simulationen deutlich sicherer in Vorbereitung auf Notfall-Einsätze“, sagt Güntert.

Allerdings äußert Köpf von der DKG: Weiterbildung müsse ein „Training on the Job“ sein, kein verschultes universitäres Programm. „Eine gute Einbindung in den ärztlichen Alltag ist wichtig. Typische Engpässe wird es in Krankenhäusern immer mal wieder geben. Diese müssen Weiterzubildende dann schnell und produktiv durchlaufen.“

5. Umdenken in Kliniken

Die Bundesärztekammer ist nun dabei, ein Handbuch für die fachlich empfohlene Weiterbildung zu erstellen – einen Standard für die didaktische Anleitung der Weiterbildung in den Weiterbildungsstätten. Güntert: „Gute Weiterbildung ist ein Wert, der sich nicht zuletzt bei der Personalfindung und -bindung auszahlt.“ Viele Krankenhäuser bieten bereits Mentoren- und Tutorenprogramme an, so Köpf. Weiterbildung sei für immer mehr Häuser eine Aufgabe der Personalentwicklung geworden, nicht mehr nur Nebenprodukt. Dahin müssten alle Krankenhäuser mit einer Weiterbildungsbefugnis kommen. „Früher steckte Weiterbildung in jedem Produkt der ärztlichen Tätigkeit, heute ist das nicht mehr so. Strukturierte Weiterbildung heute verlangt viel mehr.“ Doch die neue MWBO bilde zunächst einen Rahmen. Nun müsse man schauen, wie die Neuerungen auf Länderebene operationalisiert werden.

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