Anerkennung von Abschlüssen

Die Guten aussieben

  • Personal
  • Management
  • 25.09.2018

f&w

Ausgabe 10/2018

Seite 933

Ruth Wichmann

Wollen Ärzte aus Drittstaaten in Deutschland arbeiten, müssen sie einen Kenntnisstand nachweisen, über den auch deutsche Ärzte verfügen. Bisher prüfen das die Approbationsbehörden der Bundesländer – oft langwierig, sehr unterschiedlich und kaum vernetzt. Der Marburger Bund fordert eine Zentralisierung des Prüfverfahrens, die Bundesärztekammer will ausländischen Ärzten stattdessen ein deutsches Staatsexamen abverlangen. Ein Gespräch mit Ruth Wichmann, Leiterin des Auslandsreferats beim Marburger Bund.

Frau Wichmann, angenommen, ein Arzt aus Russland möchte in Deutschland leben und arbeiten. Sollte er sich für die Anerkennung seines Abschlusses an eine Approbationsbehörde im Saarland wenden oder lieber an eine in Niedersachsen?

Man muss seinen Antrag bei der Approbationsbehörde einreichen, in deren Zuständigkeitsbereich man arbeiten möchte. Aber Sie spielen auf die unterschiedliche Handhabung der einzelnen Behörden bei der Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Ärzte an. Im Moment haben wir in Deutschland 22 Approbationsbehörden. Nur ein geringer Teil der Gleichwertigkeitsgutachten wird von der zentralen Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) erstellt, die den ausländischen Abschluss anhand von umfangreichen Unterlagen überprüft. In den meisten Fällen beauftragt die Approbationsbehörde ihre eigenen externen Gutachter. Dass hierbei unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden, wird von ausländischen Ärzten immer wieder thematisiert. Der eine Gutachter sieht es dabei etwas strenger, der andere weniger streng. Je nach personeller Ausstattung der Behörde kann die Prüfung der Gleichwertigkeit sich auch lange hinziehen. Zudem überprüfen Behördenmitarbeiter, die in der Regel über keine medizinische Ausbildung verfügen, ob Berufserfahrung oder sonstige nachgewiesene Kenntnisse und Fähigkeiten zum Ausgleich etwaiger Unterschiede in der Ausbildung herangezogen werden können.

Manche Behörden verlangen zudem von ausländischen Ärzten bereits bei der Beantragung einer Berufserlaubnis eine Stellenzusage oder einen Nachweis über einen Wohnsitz, obwohl das rechtlich nicht zulässig ist. Gerade im Ausland lebende Ärzte können solche Nachweise oftmals nicht vorlegen, und Krankenhäuser scheuen sich – verständlicherweise –, Stellenzusagen zu machen, solange der Mediziner weder über eine deutsche Approbation noch eine Berufserlaubnis verfügt. Das ist dann ein Teufelskreis: ohne Approbation keine Stellenzusage und ohne Stellenzusage keine Antragsbearbeitung. Natürlich spricht sich auch herum, welche Bundesländer auf einer Stellenzusicherung beharren, mit der Folge, dass andere Bundesländer bevorzugt angesteuert werden, was wiederum dort zu Kapazitätsproblemen führt.

Wie ist denn der Austausch zwischen den Behörden? Fällt es auf, wenn ein Antragsteller, dessen Abschluss von einer Behörde nicht anerkannt wurde, an anderer Stelle einfach noch einmal vorstellig wird?

Im Antragsformular muss jeder Arzt ankreuzen, ob er schon einmal bei einer anderen Approbationsbehörde einen Antrag gestellt hat. Ist dies der Fall, werden die Unterlagen bei der anderen Behörde angefordert. Dass Ärzte bewusst falsche Angaben machen, ist mir nicht bekannt. Kandidaten, die eine Kenntnisprüfung nicht bestanden haben, dürfen üblicherweise noch zwei weitere Male antreten, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland. Ob und wie die Approbationsbehörden bisher vernetzt sind, kann ich nicht beurteilen. Es wäre jedoch sehr sinnvoll, dass eine zentrale Datenbank eingerichtet wird, in der alle eingegangenen Anträge und Prüfversuche dokumentiert werden, um Dopplungen oder auch Fehler zu vermeiden.

Mit welchen Forderungen will der Marburger Bund das Verfahren verbessern?

Wir wollen die Gleichwertigkeitsprüfung zentralisieren und fordern daher den Ausbau der zentralen Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) in Bonn. Diese wurde 2016 eingerichtet und befindet sich noch in der Pilotphase. Approbationsbehörden können sie bislang immer dann einschalten, wenn Zweifel an der Echtheit der Dokumente eines Kandidaten bestehen. Auch werden von der GfG, im beschränkten Umfang, detaillierte Gleichwertigkeitsgutachten erstellt. 

Wir gehen jedoch einige Schritte weiter: Die GfG soll so ausgebaut werden, dass sie alle Anträge auf Anerkennung ärztlicher Grundausbildung annimmt, bearbeitet und fristgerecht bescheidet. Dies sollte eine routinemäßige Echtheitsprüfung der Unterlagen mit einschließen. Auch sollte von der GfG geprüft werden, inwieweit festgestellte Unterschiede in der Ausbildung durch einschlägige Berufserfahrung ausgeglichen werden können.

Bestehen wesentliche Unterschiede zur deutschen Ausbildung, die nicht ausgeglichen werden können, muss der Arzt eine Kenntnisprüfung ablegen. Diese sollte, wie im Gesetz vorgesehen, binnen sechs Monaten angeboten werden. Bisher müssen Kandidaten nicht selten ein Jahr lang auf einen Prüfungstermin warten.

„Wir wollen attraktiv sein für ausländische Ärzte.“ 

Ruth Wichmann leitet das 
Auslandsreferat beim Marburger Bund.

Also mehr Kompetenzen für die zentrale Gutachtenstelle, weniger für die Approbationsbehörden der Länder?

Ja, wir möchten ein zentralisiertes Verfahren, denn die Gleichwertigkeitsprüfung ist eine komplexe Aufgabe, die hohen Sachverstand erfordert. Jeder Antragsteller soll sich künftig direkt an die GfG wenden können, wenn er die Gleichwertigkeit seines Abschlusses bewerten lassen möchte. Dann würde die unrechtmäßig eingezogene Hürde, einen Stellennachweis erbringen zu müssen, endlich entfallen, und es könnte sich ein effizientes und transparentes Prüfsystem etablieren. Dafür müsste man die GfG natürlich mit ausreichend Fachpersonal ausstatten. Das ist unsere politische Forderung, der beim Ärztetag in Erfurt im Mai zugestimmt wurde.

Sie sprechen den Ärztetag in Erfurt an. Dort hat die Bundesärztekammer einen Antrag eingebracht, der ausnahmslos alle Ärzte aus Drittstaaten verpflichten sollte, in Deutschland erneut den zweiten und dritten Teil des deutschen Staatsexamens zu absolvieren. Schreckt das nicht jeden ausländischen Arzt ab, hierher zu kommen?

Dieser Antrag wurde ja abgelehnt. Die Bundesärztekammer wollte ganz auf die Gleichwertigkeitsprüfung der Abschlüsse verzichten und Ärzte praktisch aus dem Geltungsbereich des Anerkennungsgesetzes herausnehmen, ohne diese Forderung mit handfesten Daten und Fakten begründen zu können.

Das Anerkennungsgesetz wurde erlassen, um in Zeiten des Fachkräftemangels ausländischen Ärzten die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Qualifikation überprüfen und – im Falle der Gleichwertigkeit – anerkennen zu lassen. Nur die Ärzte, bei denen die Ausbildung wesentliche Unterschiede aufweist, die bisher nicht ausgeglichen wurden, müssen eine Kenntnisprüfung absolvieren. Diese Kenntnisprüfung orientiert sich an der staatlichen Abschlussprüfung. Die Bundesregierung hat sich hier auch klar positioniert. Sie will an der Anerkennungssystematik nichts ändern, weil diese sich bewährt hat. Was es gibt, sind Umsetzungsprobleme, wie eben schon angesprochen. Daher sind wir für eine Zentralisierung der Verfahren.

Es ist sicher ein Spagat: Auf der einen Seite suchen alle händeringend Personal, auf der anderen Seite ist eine hohe Qualifikation Voraussetzung, um Patientensicherheit zu gewährleisten.

Hier sollte das Gebot der Verhältnismäßigkeit gelten: Patientensicherheit ist enorm wichtig, doch ein zu strenges Zulassungsverfahren hält qualifiziertes und vor allem erfahrenes Personal davon ab, in dieses Land zu gehen. Wir wollen ja attraktiv sein für qualifizierte ausländische Ärzte.

Neben der fachlichen Kenntnis spielt auch die Kommunikation eine große Rolle. Was sagen Sie zu der beim Ärztetag hervorgebrachten Kritik, in deutschen Krankenhäusern gebe es teilweise Visiten, die nicht auf Deutsch gehalten würden?

In allen 16 Bundesländern müssen ausländische Ärzte Fachsprachprüfungen auf dem Niveau C1 absolvieren. In 13 Bundesländern wird diese Prüfung exklusiv von den Ärztekammern abgenommen. Nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ist C1 das zweithöchste von insgesamt sechs Sprachniveaus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ärzte, die diese Prüfung erfolgreich absolviert haben, kaum deutsch sprechen. Wenn es da Mängel gibt, sollte man schauen: Wer hat die Prüfung abgenommen, und wie kann man das Verfahren verbessern? Das wurde auch auf dem Ärztetag beschlossen: eine Vereinheitlichung der Fachsprachprüfung auf hohem Niveau. Das macht Sinn.

Welche Erfahrungsberichte über die Arbeit mit Ärzten aus dem Ausland bekommen Sie aus Krankenhäusern – und andersherum, was berichten ausländische Ärzte über ihre deutschen Arbeitgeber?

Das ist ganz unterschiedlich. Es muss einem Arbeitgeber völlig klar sein: Wenn er einen ausländischen Arzt mit Approbation einstellt, braucht dieser wahrscheinlich eine intensivere Einarbeitung und mehr Unterstützung, als normalerweise üblich. Die Grundannahme, ein ausländischer Arzt müsse bereits zu Beginn seiner Tätigkeit so funktionieren wie ein einheimischer Kollege, ist falsch. Wir wünschen uns von den Krankenhäusern, dass sie ausländische Fachkräfte gerade zu Beginn besonders unterstützen und interkulturelle Trainings für ihr gesamtes Team anbieten. Dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen.

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