AfD in der Gesundheitspolitik

Nagelprobe gegen Rechtsaußen

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  • 30.01.2025

f&w

Ausgabe 2/2025

Seite 126

AfD-Chef Tino Chrupalla im Deutschen Bundestag.

Mit zunehmendem Erfolg der AfD muss auch die Gesundheitsbranche Flagge zeigen: Wie hält man es mit der rechten Partei, die von immer mehr Menschen gewählt wird, aber vieles abwickeln will, was als fortschrittlich gilt? 

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar werden auch Ärzte, Pflegekräfte und Führungskräfte im Gesundheitswesen die AfD wählen. Angesichts der politischen Stimmung überrascht das kaum. Fatal wäre es jedoch, wenn die AfD substanziellen Einfluss auf den Medizinbetrieb nehmen könnte, denn die Rechtsaußenpartei bekämpft vieles, was als fortschrittlich gilt.

Ein Beispiel ist die Digitalisierung. Lange suchte die AfD nach einem identitätsstiftenden gesundheitspolitischen Thema. Mit Corona hatte sie es gefunden. Viele ihrer Forderungen leitet die Partei aus der Pandemieerfahrung ab. Sie inszeniert sich als politische Kraft, die die Bürger vor übergriffigen Aktionen des Staates schützen will. Dabei ist ihr vor allem ein Großprojekt ein Dorn im Auge: die elektronische Patientenakte. Der bessere Datenaustausch gilt weltweit als Schlüssel für Effizienz und eine bessere Versorgung. Die AfD sieht das anders. So betont die AfD-Gesundheitspolitikerin Christina Baum: „Die Erwartungen an ein digitalisiertes Gesundheitswesen sind viel zu hoch, im Gegensatz zu seinem erwartbaren Nutzen in der Praxis.“ Die Datensammlung in der Patientenakte bezeichnet sie als „brandgefährlich“; Karl Lauterbach unterstellt sie Industriefreundlichkeit. Auch habe die Regierung keinen Skrupel, „Wissen über die Behandlungen der Menschen in Deutschland auch dafür einzusetzen, diesen ihre politische Agenda aufzuzwingen“. In ihrem Wahlprogramm (Stand: Entwurf, 21. Januar) plädiert die AfD für ein „Recht auf analoges, unüberwachtes und freies Leben“ und gegen die „Schaffung einer zentralen Datenbank“ sowie einer „ePA-Pflicht“. Die Partei ist lediglich bereit, einen Notfalldatensatz zu akzeptieren, der direkt auf der Karte gespeichert wird. Damit schürt sie erneut jene Ängste vor einem starken Staat, die in der Coronapandemie einen Höhepunkt erreicht hatten.

AfD verkennt die Bedeutung von Zuwanderung

Beim Schlüsselthema Zuwanderung ist zu sehen, wie die AfD die Debatte verkürzt und polemisiert. Seit Jahren suchen deutsche Pflegeheime und Kliniken weltweit nach Fachpersonal – für die AfD ein Irrweg. Zuwanderung soll nur das allerletzte Mittel gegen Fachkräftemangel sein. Als Arbeitsminister Hubertus Heil im Herbst 2024 nach Indien reiste, warnte die Bundestagsfraktion vor der „Massenmigrationspolitik als dogmatischer Lösungsansatz für das Fachkräfteproblem“. Stattdessen will die AfD Arbeitslose umschulen, die Geburtenrate erhöhen, ausgewanderte Deutsche zurück ins Land locken und den Personalmangel mit der noch abstrakt formulierten „Technisierung“ lösen. Kurios ist, dass ausgerechnet die viel gescholtene Digitalisierung helfen soll, den Personalmangel in den Griff zu bekommen.

Fakt ist: Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen. Seit 2022 sind es ausschließlich ausländische Beschäftigte, die das Beschäftigungswachstum in der Pflege tragen; die Zahl deutscher Pflegekräfte ist rückläufig. Das zeigen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Für Krankenhäuser wird die Fremdenfeindlichkeit der AfD zum Standortrisiko, wie auch die Aussagen des prominenten Darmstädter Lungenarztes Cihan Çelik in der FAZ unterstreichen. „Ich persönlich möchte nicht in einer Umgebung leben und arbeiten, in der viele Menschen rechtsextrem wählen und Deutsche wie mich als ‚Passdeutsche‘ betrachten, die nur aufgrund ihrer Qualifikation geduldet werden“, bekräftigte der Träger des Bundesverdienstkreuzes, der auch deshalb Jobangebote von ostdeutschen Kliniken abgelehnt hat.

Auch das Management muss Farbe bekennen

Das Beispiel Zuwanderung zeigt: Der Erfolg der AfD wird an der Gesundheitsbranche nicht spurlos vorübergehen – im Gegenteil. Je größer der Einfluss der AfD, desto heikler wird die Frage, wie man es mit der Partei hält, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, aber von jedem fünften Wähler demokratisch gewählt wird. Bislang positionieren sich viele Firmen und Verbände gegen Rassismus und für Weltoffenheit – und das ist gut so. In den USA zeigt sich aber, wie opportunistisch Unternehmen agieren können, wenn sich der Zeitgeist dreht. Firmen wie Walmart, Harley Davidson, Ford und Boing sind auf Trump-Linie eingeschwenkt und haben ihre Programme zu „Diversity, Equity and Inklusion“ eingestampft. Auch deutsche Firmenchefs müssen hier Farbe bekennen.

Bislang wird die AfD im politischen Prozess nicht ernst genommen, da sie nur wenige realitätsnahe Lösungen bietet. Stattdessen biedert sie sich dem Querdenkermilieu an (Stichwort: Coronaaufarbeitung), bremst bei Schlüsselthemen, verstrickt sich in Widersprüche und isoliert sich mit ihrer Fremdenfeindlichkeit und Deutschtümelei. Das muss nicht so bleiben. Die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit dem Gesundheitssystem wächst, und auch in der Szene ist der Frust über Bürokratie und verschleppte Reformen groß.

Die Szene ringt bereits um den richtigen Umgang mit der AfD. Ein Beispiel: Der Disput rund um den traditionelle Neujahrsempfang der Ärzteschaft in Berlin. Bislang hatten zu diesem Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KVB), Bundesärztekammer und Ärztekammer Berlin gemeinsam geladen. In diesem Jahr traten KBV und KVB nicht mehr als Gastgeber auf. Uneinig war man sich schon im vergangenen Jahr, ob man Abgeordnete der AfD dabei haben will oder nicht. Die KBV war dafür, die Ärztekammern dagegen. Letztere untermauerten diesen Standpunkt und wollten auch 2025 „nur“ Politiker anderer Parteien laden – wie es dann letztlich auch ohne KBV und KVB umgesetzt wurde. Der Applaus der Gäste war ihnen sicher. Doch weitere Härtetests stehen noch aus.

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