Das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung wird in Kliniken zu signifikanten Änderungen der Personalstrukturen und Abläufe führen. Allein der mit der Reform entstehende Bedarf von mehr als 1.000 Vollzeitstellen muss berücksichtigt werden, inklusive Finanzierung durch die Krankenkassen. Durch die Verstärkung der psychotherapeutischen Kompetenz kann sich die Versorgung im Sinne der Leitlinien optimieren. Ärzte in Weiterbildung können ebenfalls profitieren – wenn es gelingt, keine Parallelstrukturen in den Häusern zuzulassen.
Bis 1999 durften Diplom-Psychologen nur im Delegationsverfahren durch Ärzte tätig werden. Mit dem Psychotherapeutengesetz 1999 wurde die Ausübung der Psychotherapie durch nicht ärztliche Psychotherapeuten geregelt. Als Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Universitätsstudium und eine erfolgreiche Ausbildung zum Psychotherapeuten mit dem Abschluss der Approbation festgelegt. Die theoretische Ausbildung wird von Instituten übernommen, im Verlauf sind insgesamt 1.800 Stunden Praktika ambulant oder in Kliniken zu absolvieren.
Diese Ausbildung ist seit Langem in die Kritik geraten, da die Absolventen als diplomierte Psychologen anderthalb Jahre als Praktikanten tätig sein müssen und keine geregelte Entlohnung erhalten. Auch der Bologna-Prozess, die europaweite Harmonisierung von Studiengängen und Abschlüssen, führte zur Veränderung der Ausbildung, die nicht mehr mit einem Diplom abschließt, sondern in Form von Bachelor und Master. Die Bologna-Reform führte zu einer zunehmenden Heterogenität der Studiengänge und hat somit Auswirkungen auf die erforderlichen bundeseinheitlichen Mindeststandards.
Bessere Qualität und Vergütung
Mit dem Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung will der Gesetzgeber Zugangsvoraussetzungen und Ausbildungsqualität vereinheitlichen und die finanzielle Situation der Ausbildungsteilnehmer verbessern.
Der Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gibt vor, dass die Voraussetzung für eine Approbation in der Psychotherapie künftig nur noch über ein Direktstudium an Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen erworben werden kann. Mit der Novelle werden das Studium psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut zusammengelegt. Nach fünfjährigem Studium, das sich in Bachelor- und Master-Studiengang gliedert, kann ein Staatsexamen mit nachfolgender Approbation erfolgen. Auch soll die Novelle die Zahl der Berufsabschlüsse regulieren, da die Zahl der Personen, die die staatliche Prüfung nach dem Psychotherapeutengesetz abgelegt haben, in den vergangenen Jahren steigend war und sich der 3.000er-Grenze pro Jahr nähert.
Nach der Approbation soll – wie auch bei den Ärzten – eine mehrjährige Weiterbildung folgen, die eine Spezialisierung für Erwachsene oder Kinder und Jugendliche sowie den Erwerb der Fachkunde in mindestens einem Psychotherapieverfahren vermittelt. Die Weiterbildung soll zur selbstständigen Tätigkeit als Fachpsychotherapeut im ambulanten und stationären Bereich qualifizieren und analog zur ärztlichen Weiterbildung vergütet werden. Die abgeschlossene Weiterbildung wird zum Facharzt-äquivalenten sozialrechtlichen Status führen, respektive Vergütung.
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die bisherige Aus- und Weiterbildung zum psychologischen Psychotherapeuten novelliert und strukturell angepasst wird. Schon aus Gründen des Patientenschutzes sind eine besondere staatliche Aufsicht und gesetzliche Regelung in Bezug auf die Art und Verbindlichkeit der Ausbildung sowie staatliche Prüfung bei bundeseinheitlicher Vergleichbarkeit sinnvoll. Um die wissenschaftliche Ausbildung auf hohem Niveau und damit die Einheit zwischen Forschung und Lehre zu wahren, ist es notwendig, die Ausbildung auf universitärem Niveau anzubieten.
Da der Master-Studiengang mit einer Approbation enden soll, sollten aber umfangreiche praktische Ausbildungsteile zwingend erforderlich sein und – wie im ärztlichen Bereich – neben Pflichtpraktika so etwas wie ein praktisches Jahr vorsehen.
Die im Arbeitsentwurf des BMG enthaltenen Modellstudiengänge, die zu einem Erwerb von Kompetenzen führen sollen, die zur Feststellung, Verordnung und Überprüfung von psychopharmakologischen Maßnahmen dienen sollen, scheinen dem Willen des Gesetzgebers, die Versorgung von psychisch erkrankten Menschen zu verbessern, geschuldet zu sein. Dies entbehrt aber der Kenntnis der Studieninhalte und des Aufgabenprofils der psychologischen Psychotherapeuten. Psychopharmaka wirken und haben Nebenwirkungen nicht nur im Bereich des Gehirns, sondern in allen anderen Organsystemen des Körpers. Die Kenntnisse über die Verstoffwechselung von Medikamenten und deren Nebenwirkungen setzen medizinische Kenntnisse voraus, die nur im Medizinstudium mit anschließender Facharztweiterbildung erworben werden können. Demgemäß haben sich sowohl der diesjährige Deutsche Ärztetag wie auch der Deutsche Psychotherapeutentag gegen die Modellstudiengänge ausgesprochen.
Ebenso kritisch im Arbeitsentwurf des BMG ist die Formulierung, in der die psychotherapeutische Versorgung der Feststellung, Erhaltung, Förderung und Wiedererlangung der psychischen und physischen Gesundheit dienen soll. Dies könnte den falschen Eindruck erwecken, dass die Ausbildung sogar dazu befähigen könnte, festzustellen, ob die physische Gesundheit geschädigt ist. Auch hier ist eine umfassende medizinische Kenntnis notwendig, die das Studium zum psychologischen Psychotherapeuten nicht beinhaltet. Die Reform sollte nicht dazu führen, dass die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen vom Arztberuf abgekoppelt wird, denn die ganzheitliche Versorgung der Patienten bleibt ärztliche Aufgabe. Psychologische Psychotherapeuten bleiben zuständig für eine psychotherapeutische Behandlung oder Mitbehandlung. Wichtiger wäre es, so wie es das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats empfiehlt, die Versorgung durch verbindlich strukturierte und gesteuerte Kooperation der verschiedenen Berufsgruppen zu verbessern.
Organisation der Weiterbildung ungeklärt
In den 409 Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie, 253 Kliniken für Psychosomatik und Psychotherapie und 145 Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie arbeiten ca. 7.000 psychologische Psychotherapeuten. Psychologen in der Ausbildung, werden zusätzlich als Praktikanten entweder ohne Entgelt oder klinikindividuell mit geringem Entgelt eingesetzt. Für eine Übergangszeit, die vom BMG für zehn Jahre angesetzt wird, werden in den nächsten Jahren auch weiterhin Psychologen in Ausbildung Praktika in Kliniken nachfragen.
Im Arbeitsentwurf des BMG wird nur auf Ausbildung im Studium, nicht auf die Weiterbildung der approbierten Psychotherapeuten eingegangen. Geplant ist eine Weiterbildung, die wie bei den Ärzten mehrere Jahre umfasst und den Weiterbildungskandidaten einen umfassenden Wissenserwerb ermöglicht. Die Weiterbildung kann im ambulanten Sektor, in komplementären Einrichtungen und mindestens ein bis zwei Jahre in Kliniken abgeleistet werden.
Laut DKI-Studie im Auftrag der Bundespsychotherapeutenkammer sind bei jährlich 2.500 Absolventen des psychotherapeutischen Approbationsstudiums und durchschnittlich zwei Jahren Weiterbildung im Krankenhaus mittel- bis langfristig bundesweit 5.000 Vollzeitstellen in den Kliniken zu besetzen. Diese Stellen werden im Sinne der akademischen Ausbildung tariflich vergütet und entstehen daher nicht durch Umwandlung der heutigen Plätze der psychologischen Praktikanten. Sukzessiv könnten vorhandene Stellen von psychologischen Psychotherapeuten in Kliniken durch die neuen 5.000 Psychologen in Weiterbildung ersetzt werden. Dabei liegt der kalkulierte Substitutionseffekt pro Vollkraft laut DKI-Studie bei 87 Prozent beziehungsweise insgesamt bei 4.350 Stellen, da die PiW aufgrund ihres Ausbildungsstatus weniger produktiv selbstständig eingesetzt werden können.
650 Vollzeitstellen sind somit erforderlich, um die geringere Produktivität und den zusätzlichen Qualifizierungsbedarf von PiW zu kompensieren. Für die fachliche Anleitung sind weitere 464 Vollkräfte (Anleitung und Fachaufsicht durch Fachpsychotherapeuten mit Berufserfahrung) erforderlich. Damit entsteht in den Kliniken laut DKI ein Mehrbedarf von 1.114 Stellen.
Aktuell sind weder in der Psychiatriepersonalverordnung, in den psychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen noch in den Personalanhaltszahlen in den Kliniken für Psychosomatik derartige Stellen vorgesehen. Da bis Ende 2019 der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für die Einrichtungen Mindestvorgaben für die Personalausstattung entwickeln soll, wäre es unabdingbar wichtig, dass der aus der Reform der Psychotherapeutenausbildung entstehende Bedarf berücksichtigt wird, inklusive der Finanzierung durch die Krankenkassen.
Auch ist die Organisation der Weiterbildung noch nicht ausreichend geklärt. Neben der klinikinternen fachlichen Anleitung und Aufsicht werden die PiW an den Weiterbildungsinstituten eine curriculare Weiterbildung absolvieren, die Theorie, Selbsterfahrung und Supervision umfasst und den noch zu schaffenden neuen Weiterbildungsordnungen der Länderkammern entspricht. Um Disruptionen zwischen dem Einfluss der Weiterbildungsinstitute, zum Beispiel in Supervisionen, und der fachlichen Anleitung und Aufsicht in den Kliniken vorzubeugen, ist eine enge Abstimmung zwischen Weiterbildungsbefugten in den Kliniken und den Weiterbildungsinstituten notwendig.
Neue Berufsgruppen sinnvoll integrieren
Die Folgen der Reform werden zur signifikanten Änderung der Personalstrukturen und Abläufe in den Kliniken führen. Durch die Verstärkung der psychotherapeutischen Kompetenz kann sich die Versorgung im Sinne der Leitlinien optimieren. Ärzte in Weiterbildung können ebenfalls profitieren, wenn es gelingt, keine Parallelstrukturen in den Häusern zuzulassen. Eine Zunahme von Fachpsychotherapeuten wird ihre berufliche Stellung auf das ähnliche Niveau der Oberärzte heben, mit dem Anspruch der gleichen Vergütung. Dies kommt der jahrelangen Forderung der Bundespsychotherapeutenkammer, aber auch dem vom BMG formulierten Ausbildungsziel, grundlegende Kompetenz im Bereich von Organisation und Leitung zu entwickeln, entgegen. All dies wird die Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen und innerhalb der Berufsgruppen sowie die Ablauforganisation in den Häusern deutlich verändern. Dennoch bleibt eine Klinik eine medizinische Einrichtung, deren ärztliche Leitung sowohl auf der Fachabteilungsebene als auch auf der Betriebsleitungsebene die medizinische Gesamtverantwortung zu übernehmen hat. Betriebsleitungen und Chefärzte werden daher gefordert sein, die neu entstandenen Berufsgruppen gemäß ihrem Aufgabenprofil sinnvoll in die Prozessorganisationen zu integrieren.
Zahlen und Fakten
Jeder Dritte in der Bundesrepublik erkrankt im Jahr an mindestens einer Störung aus dem psychischen oder psychosomatischen Bereich. Am häufigsten sind Angststörungen (15,4 Prozent), Depressionen (8,2 Prozent), Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit (5,7 Prozent). Laut des Gesundheits-Surveys des Robert-Koch-Instituts ist die Prävalenz psychischer Erkrankungen von 1998 bis 2012 nicht angestiegen, der Behandlungsbedarf jedoch deutlich. Für die Behandlung psychischer Erkrankungen liegen S3-Leitlinien vor. Neben der Psychotherapie werden Pharmakotherapie, biologische Verfahren, psychosoziale Interventionen und Co-Therapien empfohlen. Psychologische Psychotherapeuten übernehmen dabei die sogenannte Richtlinien-Psychotherapie (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse). Somatische Differentialdiagnose, Pharmakotherapie, weitere biologische Verfahren, psychosoziale Interventionen und stützende Gespräche werden in erster Linie von Ärzten, aber auch Pflegefachkräften, Sozialarbeitern und weiteren Berufsgruppen übernommen.
In der ambulanten Versorgung, in der die meisten Menschen mit psychischen Krankheiten behandelt werden, versorgen 24.000 psychologische Psychotherapeuten gemeinsam mit 6.000 ärztlichen Psychotherapeuten im Quartal 1,2 Millionen Versicherte. Bei Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie werden pro Quartal 1,8 Millionen Menschen und in den psychiatrischen Institutsambulanzen 2,4 Millionen behandelt. Dabei fokussieren die Behandlungen der Psychotherapeuten auf neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen sowie affektive Störungen (F4- und F3-Diagnosen). Knapp 80 Prozent der ambulant behandelten Patienten werden von Hausärzten, Fachärzten und den Institutsambulanzen behandelt. Bedauerlicherweise werden bei der öffentlichen Diskussion um Wartezeiten, Mangel an Psychotherapeuten der Versorgungsumfang (22 Prozent der ambulanten Versorgung) und das eingegrenzte Behandlungsspektrum nicht erwähnt. Dies ist möglicherweise der gesellschaftlichen Wertschätzung von Psychotherapie versus dem Vorurteil psychiatrischer Behandlung geschuldet.