In jeder Organisation sorgen Personen unterschiedlicher Qualifikationen gemeinsam für ein erfolgreiches Arbeitsergebnis. Ein solcher Qualifikationsmix sollte auch für die professionelle Pflege gelten. Die Robert Bosch Stiftung sucht ambitionierte Partner, um den Qualifikationsmix beispielhaft umzusetzen.
Trotz einer großen Zahl von Qualifizierungsmöglichkeiten und Studiengängen haben die Vielfalt der Pflegeabschlüsse und die damit verbundenen unterschiedlichen Qualifikationen bisher keine systematische Verankerung in der Versorgungspraxis gefunden. Hochschulabsolventen arbeiten zu selten in der direkten Patientenversorgung. Zuständigkeiten von Assistenzkräften und dreijährig examinierten Pflegefachpersonen greifen häufig nicht sinnvoll ineinander. Und: Es fehlt vielerorts an Konzepten für neue und attraktive Karriereverläufe in der Pflege.
Unter dem Titel „360° Pflege – Qualifikationsmix für den Patienten“ nahmen rund 40 Vertreter der professionellen Pflege auf Einladung der Robert Bosch Stiftung die Situation unter die Lupe und erarbeiteten praxistaugliche Strategien und Lösungsvorschläge, die auf der Webseite www.qualifikationsmix-pflege.de abrufbar sind. Qualifikationsmix bedeutet, dass in einem Pflegeteam systematisch Pflegefachkräfte mit verschiedenen qualifizierenden Abschlüssen, die zum Pflegeberuf befähigen, zusammengestellt und dann bedarfsgerecht und effizient in der Versorgung eingesetzt werden.
Die Ergebnisse zeigen, wie die Zusammenarbeit von Pflegefachpersonen mit unterschiedlichen Ausbildungen im Team und darüber hinaus besser gelingen und die Pflege durch neue Karrieremöglichkeiten attraktiver werden kann. Nun ist es an Kliniken, Einrichtungen und Diensten, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Denn um das Potenzial der verschiedenen Abschlüsse bestmöglich zu nutzen, muss sich Pflege neu organisieren, neue Rollen und Kooperationen in der eigenen Berufsgruppe aufbauen und sich dadurch für eine wirksame interprofessionelle Kooperation innerhalb der Gesundheitsberufe befähigen. Dazu gehört auch, dass berufliche Pflege auf allen Entscheidungsebenen der Organisation neben ärztlicher und/oder kaufmännischer Führung gleichberechtigt vertreten ist.
Führung ist Vorbild
Eine zentrale Rolle hin zu einem erfolgreichen Qualifikationsmix haben die Führungskräfte, insbesondere Personalverantwortliche. Führung ist Vorbild, gestaltet die Organisationskultur und trägt damit wesentlich zum Erfolg (oder Misserfolg) des Qualifikationsmix bei. Dieser muss sinnvoll und geplant in die Organisation eingeführt werden. Wertschätzung für alle Qualifikationsniveaus und Transparenz vom oberen Management bis hinein in die Teams sind zentrale Merkmale des Prozesses. Führung geht dabei voran und zeichnet sich durch Veränderungsbereitschaft aus. Sie führt nach dem Prinzip einer „lernenden Organisation“ und erkennt intern wie extern wechselnde Anforderungen, die dann ihren Niederschlag im entsprechenden Qualifikationsmix finden. Führung arbeitet auf allen Ebenen der Organisation transformational und partizipativ; dies ist in Führungsleitlinien verankert.
Dem vorausschauenden Personalmanagement kommt eine Schlüsselfunktion zu. Ein konstruktiver Umgang mit Unterschieden der Qualifikationen ist wichtig, ohne dass neue Hierarchien etabliert werden. Personalentwicklung begleitet und gestaltet Karriereverläufe mit, wobei vertikale und horizontale Karrieren gleichwertig sind. Letztere sind für einige Mitarbeiter eine Alternative zur Führungskarriere. Grundsätzlich sollte die durchlässige berufliche Weiterentwicklung für alle Pflegefachpersonen vom jeweiligen Ausgangsniveau her möglich sein. Professionelle Pflege ist stark von Erfahrungswissen geprägt. Daher hängen Karrieremöglichkeiten oft von der Berufsdauer bzw. -erfahrung ab. Alle Karriereformate sollten stets systematisch und innerhalb eines eigenen Personal- und Organisationsentwicklungskonzepts erfolgen. Das Ziel lautet, eine individuelle Laufbahngestaltung für alle Qualifikationsstufen zu ermöglichen.
Mehr akademische Kräfte
Einer Gruppe gilt besondere Aufmerksamkeit: Um qualitativ hochwertige Pflege auch in Zukunft anbieten zu können, braucht es deutlich mehr akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen in der direkten Versorgung. Denn das Umfeld von medizinischer Behandlung und Versorgung bei Pflegebedürftigkeit ist erheblich komplexer geworden, und das medizinisch-pflegerische Fachwissen differenziert sich immer weiter aus. Auch angesichts veränderter Versorgungsbedarfe (zum Beispiel für chronisch und mehrfach erkrankte Patienten) muss die akademisch fundierte Pflege ihren spezifischen Beitrag leisten. Viele andere Länder machen bereits vor, wie dies erfolgreich funktioniert.
Als nächsten Förderschritt schreibt die Robert Bosch Stiftung aktuell ein neues Programm aus (Kasten), das den Qualifikationsmix beispielhaft in der Praxis erprobt. Denn um den Qualifikationsmix erfolgreich zu implementieren, bedarf es grundlegender Voraussetzungen in einer Organisation. Dazu gehören ein gelebtes und von allen akzeptiertes Pflegekonzept, systematisches und transparentes Vorgehen sowie ein Veränderungsmanagement, das von klarer Kommunikation begleitet wird. Außerdem ist eine kompetenzgeleitete Kultur vonnöten, die sich auf evidenzbasierte Pflege stützt. Und schließlich muss eine adäquate Personalausstattung, die sich an den Bedarfen der Menschen mit Pflegebedarf orientiert, oberstes Ziel sein. Der bedarfsorientierte Qualifikationsmix wird Veränderungsprozesse anstoßen und betrifft alle Mitarbeiter – vom Team und der Abteilung bis hin zur Leitung eines Hauses. Er steht somit für eine nachhaltige Organisationsentwicklung und zielt letztlich auf eine Systemveränderung.
Neue Ausschreibung
Die Robert Bosch Stiftung sucht pro Versorgungsbereich (ambulante Pflege, akutstationäre Pflege, stationäre Langzeitpflege, Rehabilitationspflege) mindestens einen ambitionierten Partner, den sie in der Umsetzung des Qualifikationsmix fördert und begleitet. Die Ausschreibung richtet sich an Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, zum Beispiel an ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Einrichtungen der stationären Langzeitpflege. Sie können sich einzeln oder im Verbund einer größeren Trägerschaft bewerben. Erforderlich ist ein Konzept, das die Umsetzung der Modelle von „360° Pflege – Qualifikationsmix für den Patienten“ umfänglich vorsieht. Nach der Aufbauphase sollte das Projekt eine substanzielle Phase der Praxiserprobung vorsehen. Bewerbungsschluss ist der 15. Dezember 2018. Weitere Informationen unter: www.qualifikationsmix-pflege.de