Outcome-orientierte Vergütung

„Wir brauchen eine gesetzliche Vorgabe“

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  • 26.04.2019

f&w

Ausgabe 5/2019

Seite 322

Leistungs- und qualitätsorientierte Vergütung ist im deutschen Gesundheitswesen wenig ausgeprägt, andere Länder sind schon weiter. Dr. Alexander Pimperl, Vorstand der Managementgesellschaft Optimedis, möchte Pay-for-Performance (P4P) auch in Deutschland vorantreiben.

Die im Grunde innovationsfreundlichen Ersatzkassen wie Techniker Krankenkasse oder Barmer treiben das Thema Pay-for-performance (P4P) nicht an. Als Grund für die Zurückhaltung gilt auch die scharfe Auslegung Ihrer Aufsichtsbehörde, des Bundesversicherungsamts (BVA). Teilen Sie diese Meinung?

Das BVA scheint eine restriktive Auslegung des Paragrafen 140 a SGB V zu vertreten. Das heißt, es geht um indikationsspezifische Versorgungsverträge, wo sich beispielsweise ein Herzinsuffizienzpatient bei einem Arzt einschreibt, dann einen genau vordefinierten Pfad durchläuft und die beteiligten Leistungserbringer bestimmte Vergütungen in diesem Pfad erhalten. Dafür hat das BVA Standards erarbeitet und den Krankenkassen auch die Bewertungslinie vorgeschrieben. In dieses Raster passen die Shared-Savings-Verträge von Optimedis allerdings nicht einfach rein. Unsere Kernerfolgselemente – der regionale Populationsbezug inklusive Population Health Management über die reine medizinische Versorgung hinweg, ein outcome-orientiertes Vergütungsmodell sowie datengestützte Versorgungssteuerung – sind neue Elemente, die nicht konkret in den Bewertungslinien des BVA vorgesehen sind. Der Gesetzgeber andererseits hat solche Einschränkungen nicht vorgesehen und auch der Sachverständigenrat hat berechtigterweise mit Blick auf die internationale Evidenz im Sondergutachten 2009 gefordert, dass die Versorgung der Zukunft populationsbezogen, koordiniert und regional differenziert sein müsse und dabei in einem Exkurs das Modell Gesundes Kinzigtal referenziert. Dass dabei eine datengestützte Versorgungsoptimierung ein Kernbestandteil sein muss, zeigen ja auch die vielfältigen Analysen zur geografischen Variation in der klinischen Praxis, wie in Deutschland auch durch die Arbeit der Bertelsmann Stiftung gut bekannt. Versorgungsbedarfe und Versorgungsangebot lassen sich schwer auf nationaler Ebene steuern.

Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Wir plädieren dafür, dass der Gesetzgeber sich explizit zum Ziel einer integrierten, populationsorientierten Versorgung bekennt – etwa mit der Vorgabe, dass bis 2025 mindestens zehn Prozent und bis 2030 mindestens 25 Prozent der deutschen Bevölkerung von entsprechenden regionalen populations- und outcome-orientierten Verträgen profitieren, bei der Erhaltung ihrer Gesundheit unterstützt und über alle Sektoren hinweg gut versorgt werden sollen. Zusätzlich schlagen wir vor, dass der Gesetzgeber die Ausrichtung des Bundesversicherungsamts von der aktuell eher restriktiven Aufsicht hin zu einer proaktiven und an Innovation orientierten Aufsicht verändert, damit nutzenstiftende Innovationen schneller in das System kommen. Dies ließe sich auch für die positiv evaluierten Innovationsfondsprojekte nutzen. Hier müssten Krankenkassen dem BVA oder der Landesaufsicht gegenüber argumentieren, weshalb sie positiv evaluierte Verträge nicht mit geeigneten Partnern umgesetzt haben.

Die Diskussion über neue Bezahlmodelle und P4P war 2018 sehr laut, aber zu sehen ist wenig. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

P4P-Modelle gibt es je nach Definition in vielerlei Gestalt. Ich bin kein Fan von Modellen auf der Ebene einzelner Praxen und kleinteiligen Kennzahlen, da es hier zu einer Vielzahl von unintendierten bis adversen Effekten kommen kann. Auf der Ebene von lokalen Netzwerken, die für den produzierten Gesundheitsgewinn (Qualität und Kosten) der Bevölkerung belohnt werden (Shared-Savings), ist P4P sinnvoll. Es wäre ein Gegenpol zum derzeitigen krankheits- und volumenorientierten Krankheitswesen. Wir müssen hin zu einem gesundheitsorientierten System. Dafür bräuchte man aber ein klares politisches Bekenntnis hin zu Outcome-Transparenz, auch bei Krankenkassen, damit diese in einen Wettbewerb um die beste Qualität kommen müssen.

Das Gesunde Kinzigtal ist ein Erfolgsprojekt. Was ist der größte Treiber für die Ärzte mitzumachen?

Der größte Treiber ist, dass die teilnehmenden Ärzte und weiteren Gesundheitsberufe die Gesundheitsversorgung ihrer Region mitgestalten möchten. Dieser Einsatz muss natürlich entlohnt werden. Auf ehrenamtlicher Basis kann der engagierteste Mediziner so etwas langfristig nicht nebenher machen.

Zwei Drittel des Gewinns im Kinzigtal gehen an die Ärzte – die Auszahlung ist allerdings unabhängig von der Qualität der Versorgung. Wie schaffen Sie trotzdem eine qualitative Verbesserung?

In unseren Modellen sind Qualität und Kosteneinsparungen direkt miteinander verbunden. Eine besser abgestimmte Versorgung führt beispielsweise zur Verringerung von unnötigen Krankenhausaufenthalten und somit zu Einsparungen. Davon profitiert der Versicherte, dessen Gesundheit erhalten wird. Es lohnt sich ökonomisch über den Shared-Savings-Vertrag für unsere Partner auf der Krankenkassenseite – die AOK Baden-Württemberg und die LKK – und am Ende für die Gesundes Kinzigtal GmbH, die aus den generierten Einsparungen ihre Investitionen refinanziert. Dem Ärztenetz gehören zwei Drittel der Gesundes Kinzigtal GmbH und es profitiert damit auch indirekt. Als Kollektiv versucht es, an der Verbesserung der Qualität der Versorgung zu arbeiten und so auch jeden Kollegen mitzunehmen. Direkt werden in unseren Modellen auch gemeinsam als zielführend angesehene Leistungen – etwa Zielvereinbarungen mit Patienten, um diese stärker zu aktivieren – extra vergütet, also direkt für qualitativ wichtige Leistungen Vergütungen an den einzelnen Arzt gezahlt. Zur Evaluation der Gesundheitsverbesserung und Qualität der Versorgung haben wir in Gesundes Kinzigtal und jetzt auch in Hamburg im Innovationsfonds eine externe wissenschaftliche Evaluation, die sich den Einfluss des Modells genau anschaut. Intern evaluieren wir zusätzlich bis auf die Ebene einzelner Arztpraxen und versuchen gemeinsam daraus zu lernen.

Wie evaluieren und kommunizieren Sie im Kinzigtal die Daten?

Daten sind ein zentrales Element, um Qualitätsdiskussionen auch auf eine Evidenzbasis zu stellen – sonst spricht man nur über gefühlte Wahrheiten und nicht über Fakten. Und dann müssen Verbesserungsmöglichkeiten wiederum an einzelnen Patientenbeispielen diskutiert werden. Einer der beliebtesten Workshops im Kinzigtal ist der Forta-Workshop zu Polymedikation. Dafür kommt ein erfahrener Professor und es werden komplexe Patientenfälle mit manchmal zehn und mehr unterschiedlichen Medikationen gemeinsam besprochen und Lösungswege gesucht. Das ist direkt für die Praxis verwertbar. Generell können wir Qualitätsdaten bis auf einzelne Praxen und Patientenpfade herunterbrechen und diskutieren. Die Größe unserer integrierten Versorgungsmodelle ist dabei immer so gewählt, dass es eine überschaubare Anzahl an Ärzten bleibt. Man hat dann beispielsweise knapp 50 kooperierende niedergelassene Ärzte und davon dann noch mal 15 in einem Qualitätszirkel sitzen. Auf so einer vertraulichen Ebene kann man gutes Qualitätsmanagement machen.

Das vom Innovationsfonds geförderte Projekt in Billstedt-Horn ist jetzt in der Evaluationsphase – wie überbrücken Sie finanziell diese Zeit und wie soll es weitergehen?

Das ist durchaus eine große Herausforderung. Optimedis, das Ärztenetz Billstedt-Horn, die SKH Stadtteilklinik Hamburg GmbH und der NAV Virchow-Bund haben ein eigenes Unternehmen gegründet – die Gesundheit für Billstedt/Horn UG. Auch das Ärztenetz wurde mit Projektstart aufgebaut. Würde man nun der Experimentierraum-Logik des Innovationsfonds folgen, müssten wir eigentlich zum Förderende im Dezember 2019 die Luken dicht machen, die Mitarbeiter kündigen und erst mal warten, bis die Evaluation zum Ergebnis kommt, ob es funktioniert hat oder nicht. Unser Ziel ist es aber, das Versorgungskonzept lückenlos weiter umzusetzen und das entstandene Netzwerk weiter auszubauen. Wir sind deshalb mit mehreren Krankenkassen (AOK Rheinland-Hamburg, Barmer, DAK) in Verhandlungsgesprächen darüber, das Projekt in einen „Paragraf 140 a SGB V“-Vertrag zu überführen, allerdings mit den oben genannten BVA-Herausforderungen.

Dr. Alexander Pimperl ist seit 2017 Vorstand der Managementgesellschaft Optimedis. Das Unternehmen hat im südbadischen Kinzigtal das berühmteste P4P-Modell in Deutschland eingeführt: einen Shared-Savings-Vertrag, bei dem ein Anbieter die Gesundheitskosten von Krankenkassen verringert und an den Einsparungen beteiligt wird. Pimperl ist Geschäftsführer von Gesundes Kinzigtal und Prokurist beim – vom Innovationsfonds geförderten – Projekt in Billstedt-Horn. Bevor Pimperl bei Optimedis anheuerte, war er Stipendiat des „Common­wealth Harkness Fellowship in Health Care Policy and Practice“. Das Interview gab er am Rande des Harkness-Fellow-Treffens, das die B. Braun-Stiftung einmal im Jahr in Berlin organisiert.

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