Berliner Kommentar

Wofür Spahn jetzt Zeit hätte

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  • 12.08.2019

f&w

Ausgabe 8/2019

Seite 695

Mitte Juli sah es für einen Moment so aus, als würde Jens Spahn (CDU) sein Ministerium besenrein kehren, um es für einen Nachfolger vorzubereiten. Gleich drei Gesetze (Impfpflicht, Versandhandel und MDK-Reform) legte er dem Kabinett in einer Sitzung vor. Hinzu kam eine unerwartete Organisationsreform. Er entschied, das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) in das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu integrieren.

Zwar wurde aus dem erwarteten Sprung Spahns ins Verteidigungsministerium nichts. Dessen Chefin Ursula von der Leyen war gerade zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt worden. Weil Spahns Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nun doch ins Kabinett wollte, wurde nichts aus dem Karrieresprung ins mächtigere Amt. Der Vorgang lohnt dennoch einer genaueren Betrachtung.

Spahn hatte zu dem Zeitpunkt offensichtlich seine wichtigsten Gesetze durch das Kabinett gebracht. Den wesentlichen Teil des Koalitionsvertrages hat er abgearbeitet. Sollten SPD und CDU bei der Bestandsaufnahme im Herbst zu dem Ergebnis kommen, ein „weiter so“ seit nicht möglich, läge es nicht an Spahn. Dass er im Schnellverfahren die Fusion des Dimdi mit dem BfArM anordnete, zeigt, wie wichtig ihm die Zusammenlegung der Behörden ist. So rutscht die staatliche Registerbehörde mit den vielen Gesundheitsdaten viel näher an jenes Amt heran, das die Zulassung von Arzneimitteln, Hilfsprodukten und künftig auch von Gesundheits-Apps verantwortet. Das bessere Ausschöpfen knapper Ressourcen, das in Berlin hervorgehoben wird, geht einher mit einer stärkeren Zugriffsmöglichkeit. Dahinter steht womöglich mehr: Das Ministerium könnte seine Fachkompetenzen gegenüber dem beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geführten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stärken.

Das würde eine Konstante im politischen Agieren des Gesundheitsministers unterstreichen: seine Dehnübungen in Richtung Selbstverwaltung. Er hat die Finanzautonomie der Kassen begrenzt. Er hat der gemeinsamen Selbstverwaltung per Rechtsakt die Kontrolle über die Gematik entwunden. Er droht dem G-BA, in Entscheidungen über die Erstattung neuer Therapien hineinzufunken. Den Verwaltungsrat des Spitzenverbands der Kassen will er neu organisieren. Für das gleiche Vorhaben beim Medizinischen Dienst, den er aus der Kontrolle der Kassen lösen will, hat er das Plazet des Kabinetts. (Dass Spahn den Kliniken mit der MDK-Reform zugleich ein milliardenschweres Geschenk macht, sei am Rande erwähnt.)

Spahn ist dabei, die wichtige Grenze zwischen Staat und Selbstverwaltung neu zu definieren. Er hat dafür eine starke Begründung: Die Gremien arbeiteten zu langsam. Beispiele sind Legion. Aber Spahns Begründung, er sei „gewählt, um zu entscheiden“, geht an der Sache vorbei. Der Minister hat nicht das Recht, darüber zu entscheiden, welche Therapien auf Kosten der Beitragszahler finanziert werden. Er sollte es auch nicht bekommen.

Frust über die langsame Arbeit der Selbstverwaltung ist verständlich – auch wenn man ihr zurechnen muss, dass sich Evidenz nicht herbeizaubern lässt. Aber viele Akteure führen sich nur als Vertreter ihrer Interessengruppe auf, nicht als Sachwalter der Solidargemeinschaft. Selbstverwaltung attraktiver und schneller zu machen, Beteiligungsdefizite abzubauen – dieses harte Brett zu bohren, könnte sich lohnen. Immerhin hätte Spahn dafür jetzt voraussichtlich doch noch zwei Jahre Zeit.

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