Für den Grünen-Abgeordneten Armin Grau ist aus der jetzt angedachten Vorhaltefinanzierung für Kindermedizin schon das Gerüst erkennbar, das auch bei der generellen Finanzierung der Vorhaltekosten zum Tragen kommen soll.
Herr Grau, es herrscht Konsens, dass wir die Kindermedizin besser finanzieren müssen. Für eine kurzfristige Lösung sind 300 Millionen bis 450 Millionen Euro pro Jahr im Gespräch. Wofür plädieren die Grünen und woher soll das Geld kommen?
Wir Grüne stehen für eine Versorgung, die den Bedarfen der Kinder und ihrer Eltern gerecht wird. Die Versorgungsangebote für stationäre Leistungen müssen gut erreichbar sein und hohe Qualität bieten. Wir unterstützen die pädiatrischen Fachgesellschaften in ihren Forderungen, die Kinderkrankenhäuser finanziell besser auszustatten; die pädiatrischen Kliniken dürfen nicht weiter unterfinanziert sein. Für den genauen Modus der Verbesserung der Finanzierung müssen wir jetzt zunächst die Vorschläge der Krankenhaus-Kommission der Bundesregierung abwarten. Wir als Grüne könnten uns vorstellen, dass die geplanten Vorhaltekosten so bemessen sind, dass sie eine deutliche finanzielle Besserstellung der Kinderkliniken ermöglichen. Wenn der Modus geklärt ist, muss als Nächstes festgelegt werden, wie die zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden.
Sind die Hebammen in Ihrer Finanzierungsidee inbegriffen?
Die Hebammen spielen in der Versorgung rund um die Geburt eine ganz zentrale Rolle; sie müssen ausreichend finanziert und vor allem in der Finanzierung der Geburtshilflichen der Kliniken mitbedacht werden.
Die Bundesregierung will die Mittelvergabe mit Strukturvorgaben verknüpfen. Wie sollen die nach Ansicht der Grünen konkret aussehen?
Wichtige Kriterien für eine bedarfsgerechte Versorgung sind Erreichbarkeit und die der regionalen Krankheitslast angemessene Vorhaltung von Versorgungsangeboten, die dabei immer in guter Qualität erbracht werden müssen. Für die Krankenhäuser der einzelnen Versorgungsebenen sollen Strukturvorgaben definiert werden, deren Einhaltung damit auch Elemente der Strukturqualität in die Versorgung bringt. Die Strukturvorgaben beinhalten personelle und infrastrukturelle Elemente, also zum Beispiel wo erforderlich einen ärztlichen 24-Stunden-Dienst oder das Vorhandensein bestimmter Geräte. Je nach Versorgungsebene unterschiedliche Strukturvorgaben können dann mit der Finanzierung unterschiedlich hoher Vorhaltekosten verbunden werden.
Welchen Einfluss soll das Geld auf die Versorgung haben, außer dass unterfinanzierte Abteilungen auskömmlicher wirtschaften können?
Finanzielle Anreize sollen nicht die Versorgung bestimmen. Im Gegenteil: Bedarfsnotwendige Vorhalteleistungen sollen vorab finanziert werden. Damit soll für eine auskömmliche Finanzierung bedarfsnotwendiger Krankenhäuser, hier insbesondere von Kinderkliniken, gesorgt werden.
Wie viele der derzeit 335 Kinderabteilungen im Land können wir angesichts der Finanz- und Personalsituation aufrechterhalten – oder anders gefragt: Lässt sich die Auslastung von knapp unter 65 Prozent optimieren?
Die Auslastung von Kinderkliniken unterliegt besonders großen Schwankungen; im Rahmen von Wellen etwa von Atemwegserkrankungen sind Kinderkliniken zum Teil überfüllt, später stehen dann wieder Betten leer. Ein gut erreichbares und qualitativ hochwertiges Versorgungsangebot ist in dem Zusammenhang wichtiger als eine hohe durchschnittliche Auslastung. Es ist nicht die Aufgabe der Bundespolitik zu entscheiden, wie viele Kinderabteilungen erforderlich sind. Festzulegen, was im stationären Bereich vor Ort notwendig ist, ist Aufgabe der Landeskrankenhausplanung, die hierzu, zum Beispiel was die Frage der Erreichbarkeit angeht, bundesweite Vorgaben, etwa des G-BA berücksichtigen muss. Trotz der finanziellen und personellen Engpässe muss es unser Anliegen sein, die Versorgung in der Fläche aufrechtzuerhalten.
Seit Jahren diskutiert die Szene, die Kindermedizin generell aus den DRG zu nehmen. Minister Lauterbach hatte das erst angekündigt und dann wieder verworfen. Die Fachgesellschaften selbst haben zuletzt vehement für einen Verbleib in der Fallpauschale plädiert. Wie könnte eine langfristige finanzielle Lösung für die Kindermedizin aussehen?
Wie im Ampelkoalitionsvertrag vorgesehen, ist es sinnvoll, durch eine ausreichende Finanzierung von Vorhaltekosten eine Sicherung der Krankenhausfinanzierung im Allgemeinen und der Kinderkliniken im Speziellen zu ermöglichen. Ein Sonderweg sollte nicht beschritten werden, sondern die neue Systematik der Vorhaltefinanzierung sollte für Kinderkliniken so ausgestaltet werden, dass für die Versorgung eine ausreichende Finanzierung ermöglicht wird.
Was wäre aus diesem Strukturkonzept übertragbar auf generelle Vorgaben für Vorhaltefinanzierung in Kliniken?
Was das Strukturkonzept angeht, warten wir noch auf die Vorschläge der Krankenhaus-Kommission. Eine ausreichende Finanzierung der Vorhaltekosten könnte die Situation der Kliniken und die Arbeitsbedingungen dort deutlich verbessern; der Hamsterradeffekt durch den Fehlanreiz hin zu immer mehr „Fällen“ könnte angehalten werden. Die Bezahlung der für die Behandlung der Patient:innen anfallenden Kosten sollte dann neben den fallunabhängigen Vorhaltekosten separat erfolgen.
Welche Rolle soll das DRG-System im Finanzierungssystem der Zukunft spielen?
Das DRG-System hat für mehr Transparenz und für viele wichtige Informationen zum Leistungsgeschehen gesorgt. Die Betriebskostenfinanzierung ausschließlich über Vergütungen einzelner „Fälle“ wie im DRG-System hat jedoch zu Fehlanreizen geführt hin zu Fallzahlsteigerungen und hin zu für das einzelne Krankenhaus lukrativen Fällen. Eine quantitativ ausreichende Finanzierung der Vorhaltekosten wird diesen Fehlanreizen entgegenwirken. Das DRG-System kann mithelfen festzulegen, welche Vorhalteleistungen in welchen Bereichen anfallen. Für die Identifizierung der Kosten, die bei den einzelnen Patient:innen anfallen, können wir weiterhin auf das DRG-System zurückgreifen.