Krankenhausreform

Mit weiteren Verzögerungen im Betriebsablauf ist zu rechnen

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  • Politik
  • 29.11.2024

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Ausgabe 12/2024

Seite 1096

Wulf-Dietrich Leber

Mit dem KHVVG werden manch fragwürdige Wege beschritten. Nur die bundesweiten Planungsvorgaben rechtfertigen diese Reform. Wer mit schnellen Korrekturen einer neuen Regierung rechnet, dürfte enttäuscht werden.

Von Dr. Wulf-Dietrich Leber

Der Leser kann sich glücklich schätzen, dass im Bundesrat dann doch nicht die erforderliche Mehrheit zur Beerdigung der Krankenhausreform zustande gekommen ist. Dann nämlich wäre hier ein tiefschwarzer, kulturpessimistischer Kommentar voller ätzender Vergleiche zwischen der deutschen Gesundheitspolitik und der Deutschen Bundesbahn zu lesen gewesen. So gab es wenigstens einen Hauch von Vorwärtsbewegung, auch wenn bei diesem DRG-Demontage- und Kassenbelastungsgesetz kaum Feiertagslaune aufkommen will.

Aber Freitag, der 22 November 2024 war ein besonderer Tag. Der Krimi wurde wirkungsvoll durch die Entlassung von Ursula Nonnemacher geteasert, der man die Entlassungsurkunde auf dem Gang im Bundesratsgebäude überbrachte. Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (formal SPD) demonstrierte überdeutlich, wie sich Politiker verhalten werden, wenn sie einmal unter die Fuchtel von Sahra Wagenknecht geraten sind. Es folgten staatstragende Statements fast aller Länder, die mitunter von einer gewissen Verlogenheit geprägt waren: Man wolle im Vermittlungsausschuss nur noch schnell ein paar Nachbesserungen, um dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) dann zustimmen zu können – wohlwissend, dass der Gang in den Vermittlungsausschuss das Ende der Reform bedeutet hätte. Wo wäre denn mitten im Wahlkampf die Mehrheit gewesen, die dann ein verändertes Gesetz anschließend durch den Bundestag gebracht hätte? Ehrlicher waren jene Stimmen, die da betonten, dass ein Verweis in den Vermittlungsausschuss aufgrund der Diskontinuität mindestens ein Jahr Verzögerung bedeuten hätte.

Hessen überrascht, Thüringen zerlegt sich

Dann die „namentliche“ Abstimmung: Die schwarz dominierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und NRW blieben sich treu. Hessen überraschte mit einer Enthaltung und schickte den Vertreter des Wissenschaftsministeriums vor, um die Enthaltung zu begründen. Großes Kino. Überraschend war vor allem die Enthaltung Schleswig-Holsteins, nach einer Rede von Kerstin von der Decken (künftige Gesundheitsministerin?), die anderes hätte erwarten lassen. Thüringen zerlegte sich mit einem gesplitteten Votum (ungültiger Stimmabgabe) und Brandenburg folgte Wagenknecht (Ende der Reform). Man will im Einzelnen gar nicht wissen, welche Gegengeschäfte im Vorfeld gelaufen sind, aber am Ende muss man – so schwer das fällt – dem amtierenden Minister gratulieren.

Kommen wir zum Inhalt. Bei der Genese des KHVVG gilt es, zwischen Karl Lauterbach und der Regierungskommission zu unterscheiden: Lauterbach sagt, die DRG seien an allem schuld, also müsse man den Einfluss der DRG-Vergütung zugunsten eine Vorhaltefinanzierung zurückdrängen. Das kann man auch anders sehen. Die Kommission hingegen gibt der verkorksten Krankenhausplanung die Schuld und fordert einheitlich definierte Leistungsgruppen und Level (die aber nicht ins KHVVG gekommen sind).

Die bundeseinheitlichen Planungskategorien (die Leistungsgruppen) sind das eigentlich Vorwärtsweisende des Gesetzes. Nur das rechtfertigt die Reform. De facto ermöglichen die Leistungsgruppen eine halbwegs detaillierte Abteilungsplanung ohne Rückgriff auf örtliche Türschilderbezeichnungen, die es andernorts nicht gibt.

Der Eingriff in die Planung ist nicht besonders weitgehend und enthält nicht einmal im Ansatz eine Beschränkung auf das Bedarfsnotwendige. Dazu fehlen die Ermittlung des regionalen Bedarfs und die gerichtsfeste Auswahlentscheidung. Immerhin enthält das Gesetz Strukturanforderungen für Leistungsgruppen, die künftig helfen werden, Gelegenheitsversorgung zu verhindern. Die meisten der Länderanträge waren übrigens Forderungen, diese fortsetzen zu können. Das Verdienst von Karl Lauterbach ist es, diese Gelegenheitsversorgung einzuschränken.

Vorhaltung bremst Veränderungen aus

Kommen wir zu den weniger verdienstvollen Aspekten des Gesetzes. Thema 1: Die hälftige Finanzierung des Transformationsfonds durch die Beitragszahler ist inakzeptabel und möglicherweise verfassungswidrig. Beitragssatzerhöhung zwecks Einhaltung der Schuldenbremse ist kein nachhaltiges Zukunftskonzept.

Thema 2: die Vorhaltefinanzierung. Sie ist in der gegenwärtigen Form eine ziemlich banale Status-quo-Absicherung. Man kann bis zu 20 Prozent weniger Patienten versorgen und erhält nach wie vor die volle Vorhaltefinanzierung als eine Art bedingungsloses Grundeinkommen. Das wird man schleunigst ändern müssen, kollidiert dieses Einfrieren des Status-quo doch fundamental mit der Zielsetzung des KHVVG: Strukturen erneuern, Standorte schließen und in stärker spezialisierte Behandlungszentren umsteuern. Bei der leistungsorientierten DRG-Vergütung fließt das Geld quasi automatisch zur neuen behandelnden Klinik, bei einer eingefrorenen Vorhaltefinanzierung á la KHVVG hingegen fehlt das Geld für jene, die die spezialisierte Behandlung in verstärktem Maße vornehmen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und einige Länder treiben es übrigens in ihren Forderungen noch doller: Da wird sogar noch die Status-quo-Garantie gefordert, wenn die Patientenzahl um mehr als 20 Prozent zurück geht. Geht’s noch?

Zugegeben: Vorhaltefinanzierung ist nicht trivial. Ursprünglich war die Investitionsfinanzierung der Länder eine Art Vorhaltefinanzierung (ehemals 20 Prozent der Klinikaufwendungen). Seit der Erosion der Länderfinanzierung soll die Vorhaltung nun als Entgeltkomponente wieder eingeführt werden. Sie müsste eigentlich als Verpflichtung ausgestaltet werden. Man will ja nicht jahrelang eine Vorhaltung der Pädiatrie finanzieren, wenn diese dann im entscheidenden Moment (Grippewelle!) die Pforten schließt. Inzwischen gibt es populationsbezogene Modelle, die geeignet sind, die Vorhaltung einer Abteilung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe abzubilden – Modelle, die zumindest besser geeignet sind als die schwer verdaulichen KHVVG-Regelungen in diesem Bereich. Man darf auf die Weiterentwicklung gespannt sein.

Pflege wird das Topthema der nächsten Regierung

Bleibt noch die Ambulantisierung. Hier gibt das KHVVG eine klare Richtung vor: Nicht die AOP-Abgrenzung mittels Kontextfaktoren, sondern die Hybrid-DRG sind der vorgezeichnete Weg, um rund zwei Millionen Fälle aus den Klinikbudgets herauszulösen. Denkt man an die dreiseitigen Verhandlungen (DKG, Kassenärztliche Bundesvereinigung, gesetzliche Krankenversicherung), dann wird das nicht ganz einfach, aber schon wegen des Fachkräftemangels in der Pflege ist Ambulantisierung ohne Alternative.

Damit wären wir beim zentralen Thema der nächsten Legislatur: Pflege. Krankenhaus war gestern. Die unerbittlich steigenden Ausgaben der Pflegeversicherung, die noch stärker steigenden Eigenanteile zur stationären Pflege, die Qualitätsprobleme, die Frage einer Pflege-Bürgerversicherung: all das dürfte weit mehr die nächste Koalitionsverhandlungen dominieren als die Krankenhausreform, die nunmehr auf die Schiene gesetzt worden ist – zugegeben, eine Metapher, die etwas von ihrem Glanz eingebüßt hat. Mit weiteren Verzögerungen im Betriebsablauf ist zu rechnen.

Autor

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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