Vorhaltefinanzierung

Wie Boris Augurzky Vorhaltekosten berechnen will

  • Politik
  • Titel
  • 28.07.2023

f&w

Ausgabe 8/2023

Seite 686

Boris Augurzky ist Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI, Geschäftsführer der Beratungsfirma hcb und Vorstandsvorsitzender der Röhn Stiftung. Seit 2022 ist der Professor Mitglied der Reformkommission von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und einer jener vier Köpfe, die den ursprünglichen Vorschlag zur Krankenhausreform vorgelegt haben. Im Frühsommer dieses Jahres legte Augurzky sein Konzept zur Berechnung der Vorhaltepauschalen vor.

Boris Augurzky hat dargelegt, wie sich Vorhaltepauschalen berechnen lassen. Das Konzept ist komplex – mit einigen offenen Stellen. Das BMG hat seinen Vorschlag schon aufgegriffen. Im Gespräch mit f&w erklärt der Ökonom die Knackpunkte seines Rechenmodells.

Herr Augurzky, Sie haben ein Konzept zur Berechnung der Vorhaltefinanzierung vorgelegt, das in Teilen schon vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) aufgegriffen wurde. Können Sie den Kern des Konzepts beschreiben?

Der zentrale Gedanke ist, dass je Standort und je Leistungsgruppe (LG) eine Vorhaltepauschale (VP) auf Basis der bisherigen Leistungszahlen eines Standorts festgelegt wird. Die Vorhaltepauschale leitet sich zwar aus dem vergangenen Mengengerüst eines Standorts ab, ist dann aber perspektivisch „eingefroren“, also mengenunabhängig, und fest an die Leistungsgruppe des Standorts gebunden. Wenn die LG den Standort wechselt, geht auch die zugehörige VP mit über. Wenn die LG eines Standorts entfällt, wird die VP patienten- oder bevölkerungsbezogen auf die übrigen Standorte mit der LG in der Region verteilt. Ob ein Standort eine Leistungsgruppe behalten kann, hängt daran, ob er die dafür nötigen Mindestvoraussetzungen erfüllt, ob das Bundesland im Rahmen seiner Krankenhausplanung eine Auswahlentscheidung zugunsten des Standorts fällt oder ob Standorte untereinander Leistungsgruppen tauschen. Sowohl die Länder als auch die Krankenhäuser haben einen Anreiz, die Leistungsgruppen an wenigen Standorten zu bündeln. Denn je weniger Standorte es je Leistungsgruppe gibt, desto mehr Vorhaltepauschale erhält jeder Standort.

Die Vorhaltepauschale soll mengenunabhängig sein. Sie haben dafür einen fiktiven Vorhaltefonds vorgeschlagen, anhand dessen eine Vorhaltepauschale pro Leistungsgruppe errechnet wird. Wie funktioniert dieses Rechengerüst?

Für die Krankenversicherungen, GKV und PKV, ebenso die Beihilfe und Selbstzahler ändert sich nichts. Für einen Case-Mix-Punkt wird eine Rechnung von rund 4.000 Euro (aktueller Basisfallwert) an den Kostenträger gestellt – wie bisher. Davon gehen jedoch nur 2.000 Euro an das Krankenhaus, die anderen 2.000 Euro werden in einem „Vorhaltefonds“ gesammelt. Der Fonds ist dabei fiktiv und sollte über die bestehenden Abrechnungssysteme abgebildet werden. Der Vorhaltefonds wandelt diese mengenabhängigen Zahlungen der Krankenversicherung in mengenunabhängige Vorhaltepauschalen um, die die Krankenhäuser je LG erhalten. Dies ist übrigens ähnlich wie der Gesundheitsfonds, der einkommensabhängige Beiträge der Versicherten einnimmt, aber morbiditätsadjustierte Kopfpauschalen an die Krankenkassen auszahlt.

Was passiert, wenn die variablen Kostenanteile einer DRG höher als 50 Prozent liegen?

Ein Problem bei diesem Ansatz entsteht, wenn die 2.000 Euro nicht genügen, um die variablen Sachkosten eines Falls zu decken. In diesem Fall würde das Krankenhaus jedes Mal einen negativen Deckungsbeitrag erwirtschaften, wenn es einen solchen Fall erbringt. Damit besteht das Risiko, dass es die Versorgung der Patienten bei diesen Leistungen einschränkt und wir auf eine Unterversorgung zulaufen. Sollte jedoch das Krankenhaus die Leistungen in diesem Segment stark einschränken, läuft es auch Gefahr, die komplette LG und damit die zugehörige VP zu verlieren. Dieser Verlust wäre dann auch schmerzhaft für das Krankenhaus. Es kann also nicht beliebig stark die Leistungsmenge einschränken. Trotzdem sollte dafür Sorge getragen werden, dass bei sachkostenintensiven DRG der Deckungsbeitrag für das Krankenhaus im Durchschnitt nicht negativ wird. Möglicherweise wäre es sinnvoll, statt mit der Aufteilung 2.000 Euro Vorhaltung und 2.000 DRG erst einmal mit der Aufteilung 1.000 Euro für Vorhaltung und 3.000 Euro für die DRG zu starten, um Erfahrungen zu sammeln. Alternativ sollten zumindest die variablen Sachkosten einer DRG für das Krankenhaus abrechenbar sein.

Was sollte Ihrer Meinung nach die Grundlage für die Berechnung sein: das Case-Mix-Volumen von 2019, dem letzten Jahr oder ein längerer Zeitraum?

Dies ist eine schwierige Frage. Wenn das Leistungsvolumen der Krankenhäuser niedrig bleibt und das Niveau aus 2019 nicht mehr erreicht wird, müssen wir die damit vorhandenen Überkapazitäten abbauen. Dann braucht es auch weniger Vorhaltung für das Gesamtsystem.

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