Der GKV-Spitzenverband begrüßt die Stoßrichtung der Klinikreform, befürchtet aber eine Verwässerung durch Ausnahmen. Von einer „bedarfsgerechten“ Kliniklandschaft besteht im GKV-Spitzenverband derweil eine ganz genaue Vorstellung.
Die Krankenhausreform birgt die Chance, zukünftig bundesweit die Versorgungsqualität auf gleiche Standards zu heben und die Leistungserbringung neu zu strukturieren. Ein bedarfsorientiertes und qualitätsgesichertes Versorgungsangebot für die Versicherten ist möglich. Die Reformvorschläge der Regierungskommission gehen in diese Richtung. Ein Erfolg ist, dass die geeinten Eckpunkte wesentliche Aspekte der Kommissionsvorschläge aufgreifen und auf Basis von Leistungsgruppen künftig bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen gelten werden. Allerdings besteht weiterhin die Gefahr einer Verwässerung der Reform durch zahlreiche Ausnahmen. Handlungsleitend für den GKV-Spitzenverband sind in der Reformdebatte die Ziele flächendeckende Grundversorgung, Bedarfsorientierung, Qualitätsorientierung und Finanzierbarkeit. Die Ambulantisierung ist der zentrale Ansatzpunkt, um unnötige Kosten zu reduzieren und um Personalüberlastung zu vermeiden.
Verbindliche Qualitätsanforderungen
Die Krankenhausreform verbindet über die Leistungsgruppen erstmals in relevantem Umfang Qualität und Vergütung miteinander. Da Beitragsmittel der Versicherten in einem wesentlichen Umfang an die Erfüllung der Qualitätsanforderungen der verhältnismäßig wenigen Leistungsgruppen gebunden werden, müssen die Qualitätsanforderungen verbindlich und bundeseinheitlich sein. Eine faire Vergütung basiert auf gleicher Qualität. Deutschlandweit muss den Versicherten in jeder Leistungsgruppe ein vergleichbares Angebot gemacht werden. Die Nichteinhaltung der Qualitätskriterien muss sofortige Konsequenzen haben. Durch die geforderten diversen Ausnahmen besteht die große Gefahr, dass die Reform verwässert. Im Sinne von Patientinnen und Patienten darf es keine Ausnahmen für schlechte Qualität geben! Ergänzend braucht es die bestehenden Qualitätssicherungssysteme des G-BA. Denn eine Qualitätssicherung ausschließlich über Leistungsgruppen und Strukturqualitätsmerkmale ist nicht möglich. Weder übergreifende Bereiche der Medizin noch kleine, spezialisierte Bereiche ließen sich sonst hinreichend qualitätssichern.
Modernisierung der Versorgungsstrukturen
Klar ist, dass die Krankenhauslandschaft geprägt ist von einer unzureichenden Konzentration stationärer Leistungen. So sterben beispielsweise Jahr für Jahr Tausende Frauen an Brustkrebs, weil sie nicht an einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Durch stärkere Konzentration des Leistungsgeschehens ließe sich Gelegenheitsversorgung ausschließen, die Qualität signifikant erhöhen und regionale Doppelvorhaltung vermeiden. Auch personelle Engpässe lassen sich durch solche strukturellen Anpassungen reduzieren. Unser Ziel ist eine sichere flächendeckende Versorgung auch auf dem Land, gepaart mit einer spezialisierten Versorgung für besonders komplizierte Fälle.
Es muss sich grundlegend etwas ändern in der stationären Versorgung. Dies betrifft in erster Linie die Strukturen und erst in der Folge auch die Vergütungsseite. Spezialisierung und Konzentration der Gesundheitsversorgung durch evidenzbasierte Mindestvoraussetzungen der Strukturqualität haben erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse und damit der Versorgungsqualität. Die fünfte Stellungnahme der Regierungskommission zum Thema der Verbesserung von Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung hat dies eindrücklich dargelegt.
Potenziale der Vorhaltefinanzierung
Deshalb muss die Reform die Grundlage für strukturelle Veränderungen schaffen. Die Vorhaltefinanzierung hat das Potenzial dazu; es ist allerdings auch komplex. Neben dem DRG-System, dem Pflegebudget und der Investitionsfinanzierung müssen zukünftig die Leistungsgruppen, die Qualitätskriterien und die Höhe der Vorhaltefinanzierung so aufeinander abgestimmt sein, dass die Anreize zur Qualitätsverbesserung, zur Spezialisierung und zur Reduktion der Mengenausweitung dosiert wirken, ohne ungewollte Verwerfungen zu schaffen. Die eindeutige Zuordnung der Patientinnen und Patienten, die richtige Ausgliederung der Fallkosten aus den DRG-Fallpauschalen und die Definition der Leistungsgruppen sind dafür zentrale Voraussetzungen. Diese Grundlagen müssen bundeseinheitlich verbindlich sein und dürfen die Verhandlungen auf der Ortsebene nicht weiter belasten. Die Vorhaltefinanzierung ist kein Ersatz für fehlende Investitionen der Länder. Sie darf auch nicht zu einem Instrument der Defizitfinanzierung ausgestaltet werden.
Patientensicht in den Mittelpunkt stellen
Bisher wird die Reform von den Krankenhäusern aus gedacht. Vielmehr müssen aber der Bedarf der Bevölkerung und damit die Nachfrageseite ins Zentrum der Diskussion gerückt werden. Zentral für den Erfolg der Reform ist, dass die Krankenhausreform endlich aus der Patientenperspektive angegangen wird. Maßgebliche Frage muss sein: Wie kommt der Patient zum Krankenhaus? – und nicht: Wie kommt das Krankenhaus zu seinen Patienten?
Wir erwarten von allen Akteuren die Bereitschaft zur Veränderung. Aber Veränderung bedeutet nicht nur Abbau, sondern auch Investitionen in neue Abteilungen, Strukturen oder auch neue Kliniken, wenn dies begründet ist. Zudem werden ambulante Versorgungsangebote geschaffen. Kurzum: Die Versorgungsstrukturen müssen so umgewandelt werden, dass sie den Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Versorgungssituation dienen. Wird dieser Gestaltungsansatz konsequent verfolgt, ergibt sich folgendes Bild: Aus Patientenperspektive erfüllen 1.247 Krankenhäuser die Voraussetzung, um zukünftig bundesweit die Bevölkerung qualitätsgesichert und bedarfsgerecht zu versorgen, und zwar:
- 422 Krankenhäuser mit erweiterter oder umfassender Notfallversorgung,
- 358 Krankenhäuser mit Notfallstufe in einem Fahrzeitradius von 30 Minuten,
- 272 Fachkrankenhäuser mit mindestens 500 vollstationären somatischen Fällen,
- 64 alleinstehende Kinderkrankenhäuser oder „Stroke-Units“ oder „Traumazentren“ und
- 131 Krankenhäuser, ohne die die regionale Versorgung nicht sichergestellt wäre.
Natürlich würde eine einheitliche Planungssprache helfen, diese Patientenperspektive konsequent umzusetzen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der GKV-Spitzenverband ausdrücklich das vom Gesundheitsministerium angedachte Transparenzportal über die Levelstrukturen der Krankenhäuser.
Im Gesetzgebungsverfahren kommt es jetzt darauf an, die vorgelegten Eckpunkte zu konkretisieren. Dabei sind noch eine Reihe Fragen zu klären, etwa wie die sogenannten Level-1i-Häuser ausgestaltet werden sollen. Unklar bleibt letztlich auch die Finanzwirkung der Eckpunkte. Der Bund hat keine konkreten finanziellen Zusagen gemacht und die Länder verpflichten sich weiterhin nicht, die Investitionskosten zu finanzieren. Dies darf nicht zulasten der Beitragszahlenden gehen.
Der GKV-Spitzenverband als Teil der Selbstverwaltung steht bereit, um seine Expertise und Erfahrung in die Arbeit an der anstehenden Reform mit einzubringen und diesen Perspektivwechsel hin zu einer bedarfsgerechten Versorgung mitzugestalten.