Das deutsche Gesundheitswesen steht an einem Scheideweg: Die bisherigen Strukturen aus zentraler Planwirtschaft und starrer Regulierung behindern zunehmend notwendige Weiterentwicklungen. Wir benötigen Lösungen für den Fachkräftemangel, der durch die alternde Gesellschaft verstärkt wird, zukunftsorientierte, integrative und sektorenübergreifende Versorgungskonzepte und einen Abbau der Bürokratie. Bei vielen Herausforderungen kann uns die Digitalisierung mit unterstützen. Das vom Bundesrat durchgewunkene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) verbessert nichts von alledem. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der Flexibilität und Innovation entscheidend wären, wird die Regulierung mit den Leistungsgruppen als Voraussetzung für die Vorhaltefinanzierung auf die Spitze getrieben. Selbst der kühne Anspruch der „Entökonomisierung“ entpuppt sich als Mogelpackung, denn eine kostendeckende Betriebs- und Investitionskostenfinanzierung bleibt den Kliniken weiterhin verwehrt. Vielmehr drohen der Wegfall von Behandlungsangeboten, vermehrt Insolvenzen und Schließungen insbesondere kleinerer Kliniken, gerade in ländlichen Regionen.
Ein modernes, patientenzentriertes Gesundheitswesen braucht unternehmerisches Denken und Raum für Innovation. Dieser Freiraum ermöglicht es, neue Ansätze und Technologien schneller zu testen und anzupassen. Wettbewerb und unternehmerische Verantwortung sollten dabei nicht als Bedrohung verstanden werden, sondern können Treiber für mehr Qualität und Effizienz in der Versorgung sein. Wenn Anreize so gesetzt werden, dass sie qualitative Ergebnisse honorieren, kann der Wettbewerb eine positive Dynamik entwickeln, die der Patientenversorgung zugutekommt. Andere Länder in Europa haben durch den gezielten Einsatz von Marktmechanismen vorgemacht, dass Innovation und Wettbewerb auch in einem wertorientierten Gesundheitssystem möglich sind.
Eine wirkliche Reform oder gar „Revolution“ wäre es, wenn der Staat als wichtige Voraussetzung für ein innovatives Gesundheitssystem seine Rolle überdenkt und als Ermöglicher und Katalysator für Veränderungen in einem innovativen Gesundheitssystem agiert. Das bedeutet, bürokratische Hürden abzubauen und Freiräume für innovative Ansätze zu schaffen – etwa durch „regulatorische Sandkästen“, in denen neue Technologien kontrolliert erprobt werden können. Ziel muss es sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einerseits die Patientensicherheit gewährleisten und andererseits Flexibilität und Fortschritt fördern.
Statt Regulation bis ins kleinste Detail braucht das deutsche Gesundheitswesen einen klaren Transformationswillen und eine Fokussierung auf dynamische Strukturen, in denen der Nutzen des Patienten im Mittelpunkt steht. Nur so kann ein Gesundheitssystem entstehen, das nicht nur effizient, sondern auch menschlich und nachhaltig ist – ein System, das sowohl für die Herausforderungen der Gegenwart als auch der Zukunft gerüstet ist. Die aktuelle Klinikreform wird das nicht leisten. Weiterhin besteht unmittelbarer Handlungsbedarf für eine auskömmliche und nachhaltige Strukturkostenfinanzierung statt der untauglichen Vorhaltefinanzierung, eine Leistungsgruppenplanung wie in NRW und eine schnelle wie gleichermaßen konsequente Entbürokratisierung. Auf die neue Bundesregierung kommt viel Arbeit zu.