Baumeister Heimig

  • Politik
  • März
  • 01.06.2014

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 6/2014

Frank Heimig

Das deutsche DRG-System hat sich als Erfolgsmodell und Exportschlager etabliert. Nach elf Jahren weiß sein Schöpfer, Dr. Frank Heimig, auch mit den Schwächen umzugehen. Das Ausmaß der aktuellen Systemanpassungen überrascht ihn dennoch. 

Wo immer Dr. Frank Heimig die Bühne betritt, breitet sich konzentrierte Stille aus: Als Chef des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) berichtet er Jahr für Jahr über die Veränderungen im System der Diagnosis Related Groups (DRG). Jenem System, das alle Krankenhausfälle – derzeit sind das in Deutschland jährlich rund 18 Millionen – kalkulierbar machen soll. Das deutsche Modell (G-DRG) gibt es seit elf Jahren. Heimig ist sein Architekt und Baumeister. Er entwickelt das lernende System permanent fort. 

Prozesse in Krankenhäusern seien derart dynamisch, „dass ein System, das die Realität abbilden will, sich so lange verändern muss, wie sich die Realität verändert", sagt Heimig dazu. Er wolle all das abbilden, was sich pauschalieren lässt, gibt sich Heimig pragmatisch. Bis heute seien das mehr als 90 Prozent aller Leistungen und Kosten, schätzt er. Die DRG – ein ewig unfertiges Gebäude, das regelmäßig renoviert wird. Doch alle Fälle, wie ursprünglich vom Gesetzgeber gefordert, wird es wohl nie erfassen.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr stehen ungewöhnlich umfangreiche Restaurierungsarbeiten an. „Den Grad des Umbaus des DRG-Systems für 2014 hätte ich in dieser Dimension nicht erwartet", gesteht Heimig im Frühjahr im Interview mit fw. „Es gibt ja eine gewisse zumutbare Reformgeschwindigkeit. In den ersten Jahren des Systems haben wir diese sicher strapaziert und nun erstmals seit Jahren auch in diesem Jahr wieder." Dabei sind Zweifel und Widerstände Heimig keineswegs neu. Von Anfang an war die Skepsis der Krankenhäuser und Verbände gegenüber den Fallpauschalen groß. Kaum ein Verantwortlicher wollte sich in seine Kosten schauen lassen. „Dass das DRG-System ein Erfolg wird, war alles andere als klar. Es gab keine genaue Aufgabe, aber sehr viele Anforderungen, extremen Zeitdruck und eine überbordende politische Diskussion. Wir sollten unglaublich viele Probleme lösen", erinnert sich Heimig.

Es gelang ihm dennoch, einen bürokratischen Apparat zu errichten, der das Geschehen in deutschen Krankenhäusern übersichtlicher macht.

Den Widerständen zum Trotz, gilt das im Jahr 2004 verpflichtend eingeführte Entgeltsystem inzwischen als Erfolgsmodell, das vom Ausland tüchtig kopiert wird. Im weltweiten Vergleich bilden die G-DRG wohl die vollständigsten Kostendaten ab. Eine Triebfeder der aktuellen Kritik sind die Mengendiskussion sowie auch die grundsätzliche Frage, wie sich die Kalkulations-Stichprobe zusammensetzen und wie Inhalte der Stichprobe gewichtet werden sollen. Heimig: „Über Jahre galt für ein Relativgewicht des Systems eine Stichprobe von fast 300 Häusern mit fünf Millionen Fällen als ausreichend gut, um eine sachgerechte Vergütung zu ermitteln."

Sind die besten Daten auch gut genug?

In der Unfähigkeit, zu den tatsächlichen Kostenverhältnissen in Deutschland mithilfe der Stichprobe eine Aussage zu treffen, liegt laut Heimig die größte Schwäche des DRG-Systems. „Das zeigt sich in der Berücksichtigung der Leistungsveränderungen", sagt er. „Ansonsten gibt das System auf viele Dinge eine Antwort, und es sollte auch eine Antwort darauf finden, ob wir noch mit den richtigen Krankenhäusern kalkulieren und für viele Leistungen den richtigen Preis ermitteln."

Denn mehr und mehr werde kolportiert, dass eine Vielzahl der Krankenhäuser absichtlich nicht an der Kalkulation teilnehme. Das Problem dabei: Nimmt ein Haus, das eine Leistung schwerpunktmäßig und besonders kostengünstig anbietet, an der Kalkulation teil, würden ihm aufgrund der Ergebnisse aus der Stichprobe unter Umständen die eigenen Leistungen geringer vergütet. Kritisch hinterfragt Heimig sein Konstrukt: „Es ist zwar wunderbar, dass wir weltweit vielleicht die besten und vollständigsten Daten haben. Aber sind es die richtigen? Zumindest sind es die aktuell bestmöglichen."

Heimig nennt das InEK eine „riesige Datensammeleinheit". Mittlerweile sind dort 50 Mitarbeiter beschäftigt. Etwa die Hälfte von ihnen ist zuständig für die Fortentwicklung der DRG, die knapp 60 Milliarden Euro pro Jahr umverteilen. Der andere Teil kümmert sich unter anderem um die Investitionspauschalen und das Psych-Entgeltsystem PEPP. Der gebürtige Rheinländer Heimig hatte schon vor 20 Jahren seine Liebe zu einer differenzierten Ausgestaltung einer leistungsgerechten Vergütung entdeckt. Sein erster Schritt weg vom Arztberuf hin zum Gestalter der Fallpauschalen war die Bildung einer Benchmark-Gruppe von Großkrankenhäusern, zu deren Sprecher er avancierte. „Wir haben versucht, unsere Kosten und Leistungen zu vergleichen. Das war furchtbar mühsam und unglaublich unbefriedigend, weil es keine Leistungsdefinition gab", erzählt er.

Heimig studierte die verschiedenen Leistungsbeschreibungssysteme. In dieser Zeit kristallisierte sich der politische Wille heraus, von einem teil- hin zu einem vollständig pauschalierenden System zu wechseln. Aus der Benchmark-Gruppe erwuchs Ende der 1990er-Jahre das Institute for Medical Controlling (IMC) – mit Heimig an der Spitze. Gemeinsam mit den Krankenhausgesellschaften beriet die Einrichtung rund 1.300 Krankenhäuser und bereitete sie auf ein Fallpauschalensystem vor. „Wenn der Staat mal DRG einführt, dann werde ich Leiter der Bundesanstalt für DRG", hatte Heimig seinerzeit aus Flachs gesagt. Dann kamen die DRG, dieses komplexe Geflecht aus Ziffern, Zeichen und mehr als 1.000 Codes und Klassen, das so viele besondere Konstellationen abzubilden vermag und immer neue sachgerechte Lösungen anbieten muss. Ausruhen kann und wird Heimig sich sicher nicht. Denn mit dem Psychiatrie-Entgeltsystem PEPP fängt alles, was für die DRG einst galt, von Neuem an.

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