Wer erfolgreich fusionieren will, braucht eine transparente und klare Unternehmenskultur

Stark verflochten

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  • 01.03.2007

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 3/2007

Unternehmensberater und Bank-Analysten kündigen für die Gesundheitswirtschaft eine Welle von Übernahmen und Fusionen an. Doch echte Synergien hebt nur, wer eine offene und klare Unternehmenskultur schafft und vorhandene Potenziale zu vereinen weiß. Auf dass die neuen Unternehmen und ihre Teile stark verflochten sind.

Von Thomas Grether

Aufkäufe, Verschmelzungen und Übernahmen in der Gesundheitswirtschaft: In dieser Kunst ist die Branche noch echt ungeübt; die Zeit wird manchen Fehler aufzeigen.“ Dr. Harald Deutschs Urteil hat Gründe. Der bei der Unternehmensberatung Accenture für den Bereich Healthcare verantwortliche Partner hält die Gesundheitsbranche für „unreif“, verglichen mit der Auto- oder IT-Industrie. Auf einer Skala von null für miserabel bis sieben für sehr gut sieht er die deutsche Gesundheitswirtschaft in der Technik der Übernahmen am ehesten bei „eins bis zwei“.

Seine kritische Benotung gehe nicht auf fehlendes Wissen deutscher Manager zurück. „Die haben ihre MBA-Lektionen gelernt“, sagt Deutsch. Doch der Druck, den die Kapitalmärkte ausübten, sei noch nicht so hoch wie in anderen Branchen, der Zwang, wirklich einschneidende Entscheidungen zu fällen, geringer als anderswo. Die Unternehmenskulturen hierzulande seien noch recht behäbig. Manch einer der Akteure in der Gesundheitswirtschaft habe es versäumt, ein offenes Klima zu schaffen, in dem alle Beteiligten angstfreier mit dem Thema „Mergers and Aquisitions“ umgingen.

Negativbeispiel: Pharma-Markt

Der deutsche Gesundheitsmarkt verschmilzt immer stärker, woraus neue, global agierende Unternehmensgebilde erwachsen. Was aber nicht immer von Vorteil für Aktionäre und Mitarbeiter ist. „Schiere Größe alleine bringt nichts“, sagt der Analyst einer deutschen Großbank. Als Beispiel nennt er die Pharmabranche. Hier sei nahezu jedes Unternehmen innerhalb der vergangenen 15 Jahre sogar zweimal fusioniert worden. Mit erschreckendem Ergebnis: Der kumulierte Börsenwert aller Pharmaunternehmen in Deutschland habe sich innerhalb dieser Zeit halbiert. „Eine bessere Methode, sein Kapital zu vernichten, gab es in den vergangenen 15 Jahren nicht“, sagt der Analyst.

Andere Banker sehen laut dem Handelsblatt einen „Megatrend auf dem Pharmamarkt“: ein Auseinanderbrechen der Superkonzerne. Denn das Streben nach Größe habe bei Weitem nicht dazu geführt, innovativere Produkte auf den Markt zu bringen. Hingegen sei viel kulturelles Wissen verloren gegangen – etwa das, sich an die Gesundheitssysteme der einzelnen Länder anzupassen, sagen die Analysten.

Weil diese beiden Erfolgsfaktoren fehlten, würden nun „Pharma Sales Companies“ – für jedes wichtige Land eine – aus der Taufe gehoben. Diese vertrieben die Produkte in ihren Märkten, durchaus auch mithilfe einer Plattformstrategie, wie es etwa Autohersteller praktizieren.

In vielen europäischen Markenautos stammen Armaturenbretter inklusive Airbags, Lenkrad, Unterhaltungs-, Steuerungs- und Navigationselektronik und aller Anzeigen vom Elektronik- und Mechatronikzulieferer VDO Automotive. Der Autohersteller baut derlei Komponenten nur noch als Ganzes ein. Gleiches bei Pharmaka: Wer heute in der Apotheke ein Pfizer-Medikament ersteht, erhalte eine Verpackung, auf der der Markenname prange. Der Inhalt aber könne von Bayer geliefert worden sein, die die Produktion wiederum an einen Generikahersteller in Indien verlagert hat.

Radikal ist nicht gleich brutal

Angelsächsische Unternehmen wie Pfizer hätten Übernahmen radikaler gestaltet – und seien dabei weitaus besser gefahren, sagt Stefan Fomm, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Synergy Consultants. Derlei Radikalität mute nur auf den ersten Blick brutal an. Denn nichts schade mehr, als wenn Mitarbeiter in Unternehmen jahrelang Angst um ihren Arbeitsplatz hätten, der „Flurfunk“ negative Stimmung verbreite und die Kollegen in der Kantine über nichts anderes redeten als ihre Zukunftsangst.

Da lobt Berater Fomm US-Pharmaunternehmen wie Bristol-Myers. Das oberste Management der übernommenen Firmenteile sei rasch „glatt geschliffen“ worden. In jedem Fall müsste eine gemeinsame Unternehmenskultur von der Konzernmutter adaptiert werden. Ansonsten liefen zwei oder mehr „Parallelkulturen“ nebeneinander her. „Teuer, ineffizient – und die besten Mitarbeiter laufen davon“, urteilt Fomm.

Viel falsch gemacht, verlautet es aus Kreisen privater Klinikbetreiber, wurde beim Landesbetrieb der Krankenhäuser Hamburgs (LBK). Asklepios hatte im August 2004 für 320 Millionen Euro den LBK mit sieben Kliniken gekauft. Insider bemängeln die schlechte interne und externe Kommunikation der Asklepios – sowohl nach außen als auch gegenüber den Mitarbeitern. In dieser Disziplin hätten Fresenius, Rhön oder Sana die weitaus geübtere Unternehmenskultur. Dennoch verhülfen bei Asklepios andere Management- Stärken zu wirtschaftlichem Erfolg.

Verdruss führt zu „Aderlass“ im Management

Weil nicht offen und transparent kommuniziert worden sei, nach welchen Kriterien „Jobs im Inner Circle“ besetzt wurden und plötzlich Asklepios-Manager auf LBKChefsesseln Platz genommen haben sollen, gab es viel Verdruss. Dieser führte laut Brancheninsidern zu einem „Aderlass im gesamten Management“. Offenbar müssen die freiwillig ausgeschiedenen LBK-Manager hohe fachliche Qualitäten gehabt haben. Denn sie haben heute alle gut bezahlte Leitungsfunktionen quer durch die private Kliniklandschaft in Deutschland.

Unlängst meldete die Tageszeitung „Die Welt“, mindestens 1 000 der insgesamt 6 800 Asklepios-Mitarbeiter würden von ihrem vertraglich garantierten Rückkehrrecht zur Stadt Gebrauch machen. Unter den Rückkehrern seien Ärzte und Pflegekräfte ebenso wie Gärtner und Putzkräfte. Dieser Sachstand allein macht den Kauf noch nicht zum Beispiel für eine misslungene Fusion. Den Schwarzen Peter schieben viele Beteiligte dem Hamburger Senat zu.

Der sei sich zwar mit Asklepios einig darüber gewesen, dass es einige hundert Arbeitskräfte gebe „mit einem erkennbar schlechten Verhältnis zwischen persönlicher Leistung und Kosten“. Derlei Pfründe, die einigen Mitarbeitern in den goldenen siebziger Jahren zugeschanzt worden sein sollen, verhinderten aber, dass ein privater Betreiber wirtschaftlich arbeiten könne, ist zu hören.

Unredlich sei es von den Hamburger Politikern gewesen, diese Tatsache der Öffentlichkeit gegenüber verschweigen zu wollen. Denn dann hätte es in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Schlagzeilen gegeben, die Politik sorge mit ihrer Klinik-Privatisierung für noch mehr Beschäftigungslose im LBK. Vielmehr habe man das Rückkehrrecht ausgesprochen. Sollten wirklich so viele zur Stadt gehen, so verlautet es aus den Hamburger Kliniken, habe die Hansestadt ein großes Problem. Denn sie betreibt keine Krankenhäuser mehr, kann deshalb vielen Beschäftigten keine adäquaten Arbeitsplätze geben.

Zusammenschlüsse unter Gleichen sind selten

In der Gesundheitswirtschaft generell sind nach Aussagen von Accenture-Berater Deutsch heute Zusammenschlüsse von „Gleichen unter Gleichen“ sehr selten. Dennoch werde gerne aus politischen Gründen und um den Betriebsfrieden zu wahren, in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, Käufer und Übernommene operierten „auf gleicher Augenhöhe“. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hingegen übernimmt zumeist der Käufer die Steuerung der Finanzströme – und damit auch die wesentliche Entscheidungsmacht.

Noch vor fünf Jahren hat die Öffentlichkeit bei Übernahmen viel sensibler reagiert. So ist beispielsweise die inzwischen zurückgedrehte Übernahme von Chrysler durch Daimler als Zusammengehen von Gleichen dargestellt worden. Zwei Jahre später hatte sich der damalige Daimler-Chrysler- Vorstandschef Jürgen Schrempp dazu in einem Interview ausgelassen. „Wir haben ganz klar Chrysler übernommen“, hatte er dem Wirtschaftsblatt gesagt – und musste sich für diese Äußerung vor einem US-Gericht verantworten.

Mittlerweile ist es gesellschaftlich wesentlich akzeptierter, wenn Firmen andere schlucken. „Das ist heute weniger kulturell erklärungsbedürftig“, formuliert Deutsch. „Eine angelsächsische Transaktionskultur hat auch hierzulande Einzug gehalten.“ Die Übernahmen in der Gesundheitswirtschaft nehmen deswegen auch vom finanziellen Volumen her stetig zu. So war der Kauf der Helios Klinik Gruppe durch Fresenius mit 1,5 Milliarden Euro deutlich größer als der Asklepios- Deal ein Jahr zuvor.

Know-how und Potenzial müssen organisiert werden

Auch bei den Geräteherstellern in der Gesundheitsbranche sind riesige Übernahmen zu vermelden. So erkaufte sich der US-Riese General Electric (GE) mit der Übernahme des Biopharmazieunternehmens Amersham einen führenden Hersteller von Kontrastmitteln und dazu die Chance auf den exklusiven Zugang zu Innovationen in der Bildgebenden Diagnostik. Siemens wählte mit dem Kauf von Bayer Diagnostics und dem der US-Firma DPC einen sichereren Weg, den vom Unternehmen als zukunftsträchtig eingestuften Unternehmensteil „Health Care“ zu höherer Rendite zu verhelfen: Beide aufgekauften Firmen stellen Geräte für das Krankenhauslabor her.

Eigentlich ein schönes Portfolio, wenn Siemens es organisieren würde, das Know-how der Firmen zu vereinen. Das Wissen und auch das Potenzial vieler guter Leute ist an Bord, um in Produktentwicklungsabteilungen mit 2 000 Ingenieuren Krankenhaus-Informationssysteme zu kreieren. Damit könnte Siemens den Weltmarkt anführen und um Kunden wie große US-Kliniken buhlen, die mitunter mehrere hundert Einzelkliniken managen.

Aufkäufe in solchen Größenordnungen habe es früher nicht gegeben. Diese zeigten, so Accenture- Manager Deutsch, dass der Gesundheitsmarkt „auf dem Weg ist, reifer zu werden“. Bestrebungen der Politiker, es mit der Gesundheitsreform den Standespolitikern durch die Einführung gesundheitswirtschaftlicher Prinzipien etwas ungemütlicher zu machen, gingen in die richtige Richtung. Denn dann, so Deutsch, „können eher Entscheidungen nach den Regeln betriebswirtschaftlicher Vernunft fallen“.

Ein aktuelles Beispiel dafür liefern Betriebskrankenkassen. Nachdem kassenartenübergreifende Übernahmen und Fusionen gesetzlich erlaubt sind, stehen solche bevor. Im April 2007 gab es noch 188 Betriebskrankenkassen (BKK), die mehr als 14 Millionen Menschen versicherten. Gerade in großen Städten erwarten Experten viele Zusammenschlüsse.

Denn hier würde das Zusammenlegen von Verwaltungen hohe Synergieeffekte und damit Einsparungen bringen – und für die Versicherten niedrigere Kosten. Noch besser könnten sich örtliche AOK stellen, wenn sie den Kundenstamm von zumeist besser verdienenden BKK-Mitgliedern in einer Stadt fusionierten. Aber auch bundesweiten Transaktionen geben Branchenkenner gute Chancen. Die Techniker Krankenkasse oder andere Ersatzkassen könnten durchaus davon profitieren, sich BKK einzuverleiben.

Ähnliche Kulturen und Rechtsformen helfen

Auch private Krankenversicherungen in Deutschland fusionierten. Etwa Signal und Iduna, die noch im alten Millennium zur Signal Iduna verschmolzen und dadurch zur viertgrößten privaten Krankenversicherung in Deutschland avancierten. Beide hatten ähnliche Kulturen und gleiche Rechtsformen. Das begünstigt Unternehmenszusammenschlüsse. Bei Versicherungsvereinigungen auf Gegenseitigkeit beispielsweise, wie das bei Signal und Iduna der Fall war, herrscht ein genossenschaftliches Prinzip.

Hier entscheiden in kompliziert zusammengesetzten Gremien die Mitglieder, die möglichst viel Leistung für wenig Geld für ihre Genossenschaftsanteile wollen. Zwar sind auch solche Zusammenschlüsse sinnvoll, den Zwängen rascher Produktivitätszunahme folgen sie aber nur eingeschränkt. So hat Signal Iduna mehr als fünf Jahre gebraucht, Doppelstrukturen aufzulösen. Der Firmenname signalisiert auch heute noch den Zusammenschluss.

Wenn eine Aktiengesellschaft die andere kauft, dann müssen sich die Vorstände nur Aufsichtsräten und Aktionären gegenüber verantworten. Diese haben vor allem finanzielle Interessen. Die Allianz als Aktiengesellschaft hat die Übernahme der Vereinten Krankenversicherung marktgerechter gelöst. Der Brand „Vereinte“ ist heute verschwunden, die Mitglieder sind bei der Allianz Private

Krankenversicherungen. So konsequent die Allianz diese Übernahme organisiert hat, so wird sie nach Meinung von Bankern auch ihre übrigen Beteiligungen behandeln. Schon kursieren ernst zu nehmende Gerüchte, die Dresdner Bank werde im nächsten Jahr zur Allianz Bank umbenannt. Bereits heute wurden viele Fonds in „Allianz Fonds“ umgetauft.

Kasten: Accenture-Berater Deutsch empfiehlt bei Fusionen und Übernahmen

• schnell und planmäßig vorzugehen,
• mit hoher Geschwindigkeit zu integrieren,
• die Kundendateien auszutauschen und auf eine gemeinsame Basis zu stellen,
• das Portfolio der Waren und Dienstleistungen abzustimmen und auf ein stimmiges Qualitätsniveau zu hieven, 
• das Know-how beider Unternehmen zu vereinen,
• den Mitarbeitern durch diese Schritte in ihren Organisationseinheiten klare Gesamtperspektiven aufzuzeigen („Was wird aus uns?“) sowie
• jedem Mitarbeiter in Einzelgesprächen detailliert aufzuzeigen, wie es für ihn weitergeht („Was wird aus mir?“).  

Grundsätzlich gilt es, Karrieren transparent zu machen.

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