Agenturen wie „Hire a Doctor" vermitteln Ärzte auf Zeit an Krankenhäuser. Ein Modell des Teilens von ärztlicher Leistung, das bei dünner Personaldecke hilft, aber für Kliniken auch teuer werden kann.
Die Idee hatte Dr. Michael Weber bereits im Jahr 2000: Man könnte doch Ärzte auf Honorarbasis tage- oder wochenweise an Kliniken oder MVZ einsetzen, dachte er. Als flexible Arbeitskräfte, die helfen, kurzfristige Versorgungsengpässe zu überbrücken. Aber auch als Interimspersonal, das dünnere Personaldecken durch die zunehmende Ökonomisierung der Medizin abfedert. So gründete der Anästhesist 2005 „Hire a Doctor" als Honorararztagentur. In den Folgejahren schien sich sein Geschäft mit dem Teilen von Ärzten zu bewähren – und das, obwohl der kurzfristige Einsatz flexibler Mediziner für die Krankenhäuser teuer ist.
Elf Jahre später sind die Beweggründe für den Einsatz von Ärzten auf Zeit noch immer dieselben, sagt Lars Huning, Mitglied der Geschäftsführung der Hire a Doctor Group, die inzwischen nach eigenen Angaben mehr als 12.000 Interimskräfte an über 3.000 Einrichtungen in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz vermittelt. „Die Personaldecke im Gesundheitswesen wird in absehbarer Zeit aufgrund des Fachkräftemangels noch viel dünner werden, als sie schon jetzt ist. Gleichzeitig wird die Anzahl der Patienten aufgrund der demografischen Entwicklung steigen und die Arbeitsverdichtung weiter zunehmen", sagt der Wirtschaftsfachwirt. Die Notwendigkeit einer flexiblen Arbeitskraftreserve bleibt bestehen, da ist er sich sicher.
Kliniken zahlen Vermittlungskosten
Auch wenn die Agentur in der Zwischenzeit Ärzte in Arbeitnehmerüberlassung und in Festanstellung vermittelt, steht das Geschäft mit Honorarärzten bei Hire a Doctor noch immer an erster Stelle. „Etwa 80 Prozent der Vermittlungen in 2015 entfielen auf dieses Segment", sagt Nicole Knuf, Sprecherin des Unternehmens. Zuletzt hätten 60 Prozent der Akutkrankenhäuser zu den suchenden Einrichtungen gezählt, gab die Agentur anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens 2015 bekannt. Es folgen Praxen, Reha-Einrichtungen und Medizinische Versorgungszentren. Die durchschnittliche Dauer eines Einsatzes bei Honorarärzten beträgt knapp neun Tage.Viele Ärzte arbeiten in Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen – also dort, wo die Ressource Arzt knapp ist.
Das Gute am Honorararztmodell: Einmal bei einer Agentur registriert, muss der Arzt einfach darauf warten, dass diese sich bei ihm mit einem kurzfristigen Einsatz-Angebot meldet. Die Kosten der Vermittlung zahlt meist die suchende Einrichtung. Die Agentur kümmert sich um die Prüfung der ärztlichen Qualifikation und schließt für die Dauer der Tätigkeit für die vermittelte Person eine subsidiäre Berufs-Haftpflichtversicherung ab. Die Schattenseite für die suchende Einrichtung: Bisweilen stuft die Deutsche Rentenversicherung Honorarärzte als scheinselbstständig ein. Es fallen Nachzahlungen – Sozialabgaben und Lohnsteuer – für den Auftraggeber an (siehe dazu auch Kasten: Rechtsbeitrag, Seite 32). Die Rechtsprechung war in der Vergangenheit uneins. Unterm Strich, fasst es ein Rechtsanwalt zusammen, „bleiben für Honorarärzte und Kliniken rechtliche Unsicherheiten. Derselbe Sachverhalt kann von einem Gericht so, von einem anderen anders entschieden werden."
Die Unsicherheit darüber, ob die Tätigkeit eines Honorararztes als Scheinselbstständigkeit einzustufenist, führte kurzfristig sogar zu einem Rückgang der Nachfrage nach diesem Modell. Beschäftigten 2010 noch knapp 72 Prozent der Krankenhäuser Honorarärzte, waren es zwei Jahre später nur noch 66 Prozent, ergab eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Offizielle Zahlen über die Anzahl von Ärzten auf Honorararztbasis gibt es keine. Schätzungen des Bundesverbandes der Honorarärzte schwanken zwischen 1.500 und 6.000.
Zu den Pionieren bei der Vermittlung von Ärzten zählt auch die Agentur STEGdoc – „auch wenn wir uns damals nicht als shared economy verstanden haben", sagt Geschäftsführer Dr. Peter Kilian. Seine Agentur ist an zwölf Standorten präsent und vermittelt in erster Linie Ärzte in Arbeitnehmer-Überlassung, gefolgt vom Honorararztmodell. Die hochflexiblen Ärzte würden weiterhin die Freiberuflichkeit der Honorarärzte bevorzugen, beobachtet Kilian. Trotz der Debatte um die Scheinselbstständigkeit gäben sie Dienstverträgen den Vorzug.
Der STEGdoc-Geschäftsführer hält die Ressource des Teilens allerdings nur bei kürzeren Einsätzen von bis zu sechs Monaten für wirklich sinnvoll. Denn: „Es wäre unwirtschaftlich, hielte jedes Krankenhaus in allen Bereichen genug Reserve-Kapazitäten vor, um alle Ausfälle mit eigenen Kräften zu kompensieren", so Kilian. Er sieht Ärzte auf Zeit als flexible, externe Einsatzreserve an; dauerhaft zur Aufrechterhaltung der Patientenversorgung eingesetzt, sei dieses Modell jedoch verkehrt.
Ähnlich schätzt dies der Marburger Bund ein: „Wir sind der Meinung, dass die Kliniken die Arbeitsbedingungen für das fest angestellte Personal verbessern müssen. Im Einzelfall, bei kurzfristigen Personalengpässen, ist zur Aufrechterhaltung des Betriebs sicherlich auch der Einsatz von Honorarkräften vertretbar", so Marburger Bund-Sprecher Hans-Jörg Freese.
Dr. Matthias Kretzschmar, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Eisenhüttenstadt, hält es grundsätzlich für jede Klinik für klüger, langfristig ein stabiles Team aufzubauen. Denn: In der Vergangenheit habe das Leihen von (Honorar-)Ärzten immer wieder Nerven gekostet. „Man weiß nicht, ob der geliehene Arzt fachlich dazu in der Lage ist, den übernommenen Dienst zu leisten", so Kretzschmar. Zwar gäben sich seriöse Agenturen Mühe, alles vorher zu prüfen, es gebe aber nicht die Sicherheit wie bei Kollegen, die man bereits kennt. Zudem sei der Einsatz von Honorarärzten extrem teuer, und es bestehe nach wie vor das Problem der Scheinselbstständigkeit. Aber auch andere Wege, die seine Klinik bei der Suche nach dem Schließen von Versorgungslücken betrat, brachten häufig nicht das gewünschte Ergebnis: Auch die Kooperation mit Headhuntern war nicht immer erfolgreich. Bei Initiativbewerbungen, die häufig von ausländischen Bewerbern eingingen, mangelte es sehr oft am sprachlichen Know-how, sagt der Chefarzt.
Hohe Nachfrage auf dem Land
Huning von Hire a Doctor glaubt dennoch an das Honorararztmodell, vor allem, weil es gerade bei Krankenhäusern in strukturschwachen oder in ländlichen Gegenden eine hohe Nachfrage gebe, besonders in Ostdeutschland. „Fakt ist aber, dass nur wenige Einrichtungen gern zu geben, dass sie Interimskräfte einsetzen", so Huning. Leider sähen viele den Einsatz von geliehenen Kräften noch immer als Eingeständnis von Schwäche an. Dabei, so Huning, „ist das weder moralisch verwerflich noch ein Versagen des Managements".