Gemessen an Investitionen in Gebäude und Technik, sind die Aufwendungen von Krankenhäusern für Wahlleistungsangebote gering. Dennoch kann es gute Gründe geben, hier zu investieren. Selbstzahler- Leistungen sind gefragt – immer häufiger auch für medizinische Behandlungen. Von Dr. Adelheid Weßling
Die unzureichende Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser ist ein Dauerbrenner in der gesundheitspolitischen Diskussion. Ebenfalls Sorge bereiten Klinikmanagern die steigenden Betriebskosten und das Risiko verminderter Leistungsfähigkeit, wenn Fachkräfte fehlen. Indes ist nicht alles eine Frage des Geldes. Ökonomen verweisen immer wieder auf Einsparpotenzial, das sich beispielsweise durch eine intelligente Prozesssteuerung heben ließe. Mehr Geld sei trotz der vielen Reformgesetze nicht zu erwarten. Leistungserbringer stehen daher vor der Herausforderung, die Finanzierung angesichts steigender Kosten zukunftsfest zu gestalten. Sie müssen Daseinsvorsorge mit einem hohen Anspruch an die Versorgungsqualität leisten und sich zugleich im Wettbewerb behaupten und ihr wirtschaftliches Handeln gegenüber Trägern, Gesellschaftern oder Aktionären rechtfertigen. In ihrem Bemühen, Kapazitäten auszuschöpfen und die Effizienz zu erhöhen, sind die Krankenhäuser unterschiedlich stark vorangekommen (Kasten rechts).
Vor diesem Hintergrund gewinnen die Refinanzierungsmöglichkeiten über Wahlleistungen an Bedeutung. Dies gilt für Zusatzangebote bei der Unterkunft und Arztwahl, immer häufiger aber auch für medizinische Leistungen, etwa ergänzende Labordiagnostik und nicht medizinisch induzierte plastische Chirurgie als Pendant zu den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) im ambulanten Sektor sowie die Materialwahl bei Implantaten. „Es ist für Krankenhäuser mittlerweile durchaus üblich, ihre Patienten bei der Frage der Materialwahl aktiv einzubeziehen und Möglichkeiten vorzustellen, die über die medizinisch notwendigen allgemeinen Krankenhaus- leistungen im Rahmen der Fallpauschalen hinausgehen“, beobachtet Rechtsanwalt Alexander Korthus, Stellvertretender Geschäftsführer der Rechtsabteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). So könnten Patienten verkehrsfähige Medizinprodukte erhalten, auch wenn sie nicht unter die GKV-Finanzierung fallen.
Medizinische Wahlleistungen entfachen womöglich eine Katalysatorwirkung für Innovationen in der stationären Versorgung. Korthus: „Ob und wann der Gemeinsame Bundesausschuss welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die Regelversorgung aufnimmt, ist grundsätzlich offen. Der Spielraum, den die Krankenhäuser aufgrund des Verbotsvorbehalts hatten, wurde jedoch vom Bundessozialgericht dahin gehend eingeschränkt, dass die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche müsse.“
Angemessenes Angebot
Davon unbenommen sind Investitionen in moderne Patientenzim-mer und Stationen, die später nicht nur Privatvollversicherten zur Verfügung stehen. Dass die Krankenhäuser darüber einen Gewinn erwirtschafteten, sei selbstverständlich gestattet, so Korthus. Da Wahlleistungen jedoch „neben“ allgemeinen Krankenhausleistungen erbracht werden, müsse dabei die Angemessenheitsgrenze beachtet werden.
Jeder dritte gesetzlich Versicherte hat eine private Zusatzversicherung abgeschlossen, um sich den zusätzlichen Komfort im Krankheits- fall leisten zu können. Andere zahlen für Wahlleistungen direkt. Der Anhebung des Komforts für die Patienten messen fast alle Krankenhäuser große Bedeutung bei, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies zeigte eine Befragung von 150 Krankenhausmanagern vor einigen Jahren, durchgeführt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Das Bestreben scheint sich auf die Normalstationen zu konzentrieren. Tatsächlich investierte einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) und der BDO zufolge jedes vierte Krankenhaus in nicht förderfähige Wahlleistungen bei der Unterkunft. Ihr Investitionsvolumen lag im Mittel (Median) bei 600.000 Euro, erreichte jedoch auch Werte von 2,5 Millionen Euro. Hochgerechnet für alle Allgemeinkrankenhäuser ab 50 Betten, sind es 75 Millionen Euro pro Jahr, also gut ein Prozent der Investitionen insgesamt.
Das Volumen, das die Häuser für Wahlleistungen bei der Unterkunft mit den privaten Krankenversicherungen abrechnen, liegt bei gut einer halben Milliarde Euro. Es ist in den vergangenen zehn Jahren relativ konstant geblieben. Demgegenüber stiegen die Ausgaben der privaten Krankenversicherung (PKV) für die stationäre Behandlung von 2004 bis 2014 um zwei auf sieben Milliarden Euro und die GKV-Ausgaben von 47 auf 67 Milliarden Euro. Verglichen mit dem Finanzvolumen für die stationäre Behandlung und den Investitionen in die Gebäude und Technik, sind Fragen der Finanzierung von Wahlunterkünften also eine zu vernachlässigende Größe. Dennoch kann es aus Sicht der Krankenhäuser gute Gründe geben, hier zu investieren, wie, stellvertretend für viele andere Kliniken, das Beispiel des Klinikums Vest in Recklinghausen zeigt (siehe Best Practise „Gewinn durch Komfort“).
Um mehr Handlungssicherheit bei der Abrechnung von Wahlleistungen bei der Unterkunft zu erreichen, vereinbarten der PKV-Verband und die DKG 2002 einen Orientierungsrahmen gemäß Bundespflegesatzverordnung und Krankenhausentgeltgesetz. Die Preisempfehlungen sind nach Komfortelementen gegliedert und werden jährlich angepasst. Die Rahmenvereinbarung nutzen mittlerweile drei Viertel der Krankenhäuser, um mit dem PKV-Verband einen konkreten Preis für das Einzel- oder Zweibettzimmer zu verhandeln. „Solange sich die Krankenhäuser in dem Rahmen bewegen, wird die Rechnung von jeder Versicherung anerkannt“, sagt Stephan Caspary vom PKV-Verband, nur wenn der Rahmen überschritten wird, müssten Krankenhäuser dies begründen.
Einzelverhandlungen sind möglich
Für die rund 180 Krankenhäuser, die an dem Partnerschaftsprogramm für Qualität und Service teilnehmen, das der Verband 2012 auflegte, ist die Vereinbarung verpflichtend. Zudem bietet sie Direktzahlern eine Preisorientierung. Alternativ ist es möglich, mit dem PKV-Verband direkt über die Höhe der Entgelte zu verhandeln. Doch auch dann gelte, dass das Entgelt in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen müsse, führt Caspary aus. Höhere Preise als empfohlen sind in der Regel Folge einer Modernisierung. Die Option besteht auch für Häuser mit Rahmenvereinbarung, wenn die Modernisierung deutlich vor der turnusmäßigen Preisverhandlung abgeschlossen wurde.
Kliniken müssen Eigenanteil leisten
Unter Experten besteht Konsens, dass nur jene Kliniken zukunftsfähig sind, denen es gelingt, zu investieren. Als vollinvestitionsfähig gilt laut Krankenhaus Rating Report gut jedes zweite Haus. Potenziale bestehen bei den therapeutischen Verfahren, der Arbeitsorganisation, dem internen und externen Schnittstellenmanagement sowie dem Einsatz neuer Technologien, insbesondere der IT-gestützten Prozesssteuerung, die sich auf alle Organisationseinheiten eines Krankenhauses bezieht, und den Gebäuden.
Verglichen mit den Investitionskosten für Neu- und Umbauten, also den Investitionen, die primär der veralteten Bausubstanz geschuldet sind und grundsätzlich in die Landesfinanzierung fallen, ist der Investitionsaufwand für Informationstechnologie und sonstige Innovationen gering. Von 2012 bis 2014 investierten die Allgemeinkrankenhäuser 5,3 Milliarden Euro jährlich. Bis 2020 planen sie Investitionen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro pro Jahr. Gut die Hälfte der Mittel sind für Bauvorhaben vorgesehen, ein Viertel für Medizintechnik, zwölf Prozent für IT und acht Prozent für Sonstiges. Dies ergab eine repräsentative Erhebung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) und der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 2015, an der sich 167 Allgemeinkrankenhäuser ab einer Größe von 50 Betten beteiligten.
Bauvorhaben und Medizintechnik außer Acht gelassen, bleiben gut eine Milliarde Euro, die für IT-ge- stützte Prozesse, Modernisierungen bei der Inneneinrichtung, technische Anlagen und Sonstiges vorgesehen sind, darunter 700 Millionen Euro für Hard- und Software. Angesichts der Förderlücke, die das Rheinisch-Westfälische Institut auf knapp vier Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, davon eine Milliarde in NRW, werden Krankenhäuser einen erklecklichen Eigenanteil leisten müssen. Hinzu kommen die Ausgaben für die Instandhaltung, die seit 1997 als pflege- satzfähig gelten und über die Kassen zusätzlich pauschal vergütet werden. Die Instandhaltungskosten, ausgewiesen in der amtlichen Bundesstatistik, liegen inzwischen bei über 3,3 Milliarden Euro und überschreiten damit die Investitionsfördersumme der Länder um eine halbe Milliarde Euro.