Die endgültige Entscheidung über die Reform der Pflegeausbildung fällt erst in der nächsten Legislaturperiode. Zwar hat der Bundestag am Donnerstagvormittag das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Er behält sich aber das Recht vor, die entscheidende Verordnung über die Inhalte und den Ablauf der Ausbildung abzulehnen. Am Mittwoch war in einer Marathon-Sitzung des Gesundheitsausschusses mit 46 Änderungsanträgen in den Gesetzentwurf noch ein Passus gekommen, der die Verordnung - normalerweise Sache der Regierung und des Bundesrats - unter die Zustimmungspflicht des Parlaments stellt.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel, der sich als parteiinterner Kritiker auch von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in der Frage der Generalistik exponiert hat, lobte bereits gestern per Pressemitteilung, dass es nun weiter möglich sei, dass Hauptschüler einen Zugang zur Pflege haben. Aufgrund der zustimmungspflichtigen Verordnung werde die Reform das Parlament auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen. „Und das ist gut so“, erklärte Rüddel.
Im Gespräch mit Bibliomed-Pflege stimmte dem auch die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Elisabeth Scharfenberg, zu. Die Zustimmungspflicht zur Verordnung sei „das beste, was in dieser Situation passieren konnte“. Unterm Strich sei der Beschluss jedoch eine „Katastrophe“. Scharfenberg: „Die Fachwelt ist entsetzt.“
Besonders scharfe Kritik übt in der Tat etwa der Berufsverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS), der sich stets für eine generalistische Ausbildung mit nur einem Berufsabschluss stark gemacht hat. Der Verband spricht in einer Pressemitteilung von einem „pflegepolitischen Irrweg“ und lehnt das Gesetz „in dieser Form strikt ab“. Künftig gebe es fünf verschiedene Ausbildungsgänge. „Wir erwarten Desorientierung bei den Ausbildungsinteressierten sowie massiven organisatorischen Mehraufwand an den Schulen, die dieses fachlich und pädagogisch sinnlose Konzept umsetzen müssen“, lässt der BLGS-Vorsitzende Carsten Drude wissen.
Doch nicht alle in der Pflege sehen das Gesetz offenkundig so negativ. Der Vorsitzende der Pflegekammern Rheinland-Pfalz, Markus Mai, signalisierte durch Anwesenheit auf der Besuchertribüne und Kopfnicken bei der Begrüßung durch die SPD-Abgeordnete Mechthild Rawert sein Wohlwollen. Auf der Internetseite der Kammer forderte er aber, vom Ziel einer generalistischen Ausbildung für die gesamte Pflege nicht abzuweichen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte in seiner Rede, er habe auf dem Pflegetag „großen Rückenwind für den Kompromiss erfahren“. Er sei überzeugt, dass die Attraktivität der Pflegeberufe steige. „Erstmals regeln wir in einem Gesetz den Grundsatz, pflegen kann nicht jeder“, sagte Gröhe. „Das ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung.“ Das Gesetz sieht sogenannte vorbehaltene Tätigkeiten vor. Erstmals gibt es Gröhe zufolge auch klare Regeln zur Ausbildungsanleitung. „Ein großer Fortschritt“, sagte der Minister.