Ärztenetze, Gemeinschaftspraxen, MVZ: bei allen Kooperationsvarianten - das ist ja beinah schon ein alter Hut - geht der Trend nach oben. Eher unbeachtet ist jedoch die Entwicklung, dass auch die durchschnittliche Größe der einzelnen BAG (Berufsausübungsgemeinschaften) oder MVZ beständig zunimmt. Aber die Erkenntnis, dass neben der üblichen Kooperation in Zweier- und Dreiergemeinschaften immer mehr Ärzte in sogenannten „Großpraxen“ praktizieren - und die Rede ist explizit nicht von Konzernmedizin, fragwürdigen Franchiseverbünden oder Praxen mit arztfremden Geldgebern - ist elementar wichtig und noch viel zu wenig im Bewusstsein von Politik und ärztlicher Selbstverwaltung verankert.
Eine ambulante Großpraxis ist ein Zusammenschluss von sieben und mehr Ärzten. Bei MVZ etwa liegt der Durchschnitt aktuell bei sechseinhalb Ärzten. Doch dies verschleiert, dass es praktisch neben sehr vielen Kleinst-MVZ am anderen Ende der Skala auffällig viele Einrichtungen mit zweistelligen Arztzahlen gibt, davon wiederum ziemlich viele in vertragsärztlicher Inhaberschaft. Eine ähnliche Entwicklung gibt es, das zeigen unsere Erfahrungen, bei den Gemeinschaftspraxen.
Das mangelnde Bewusstsein für die Existenz solcher Großpraxen ist deshalb so gravierend, weil damit verbunden die relevanten neuen Fragen, die sich schlichtweg aus der Größe solcher Kooperationen ergeben, unbedacht bleiben. Aktuelles Beispiel ist die Telematik-Infrastruktur (TI): Wunderbar, dass die Pauschalen kürzlich nachverhandelt wurden und die Erstattungsabschläge im Herbst nun deutlich geringer ausfallen – allerdings für weiterhin maximal drei Terminals. Ende der Berechnungsstaffel: sechs Ärzte.
Kooperationen haben ja auch Einsparungspotenzial, bei der Verwaltung etwa, so das beliebte Gegenargument. Das stimmt … ansatzweise. Nur leider ist die TI-Problematik alles andere als ein Einzelfall. Gerade im Honorarbereich ergeben sich, wenn mehrere Ärzte gemeinsam arbeiten, häufig auch negative Honorarsynergien, die daher rühren, dass die Abrechnungsordnung die Existenz größerer und dabei womöglich auch noch fachübergreifender Kooperation nicht berücksichtigt. Die Einführung der fach- und hausärztlichen Grundpauschalen war und ist hier ein Paradebeispiel.
Dann reichen auch die effizienteste Kooperation und die tollste Praxisverwaltung nicht mehr aus, um das fehlende Eingedenk bei den Verantwortlichen, dass Großpraxen zunehmend entstehen und bestehen, zu kompensieren. Man könnte Absicht unterstellen. Die Erfahrung lehrt aber, dass der Umstand, dass größere Kooperationen existieren und vielfach die Versorgung durch die kooperativen, weil fachübergreifenden Synergien bereichern, häufig bei der Planung von Abrechnungsvorgaben ganz schnöde vergessen wird. Dass Wechselwirkungen nicht hinterfragt werden. Dass das Standardbild der Gestalter und Verantwortlichen in Politik und Selbstverwaltung offensichtlich immer noch nur die klassische Einer- und Zweierpraxis ist.
Doch die Versorgungslandschaft ist inzwischen bunt. Der Cluster „Fachübergreifende Großpraxis“ muss daher als selbstverständliches Kriterium bei der Planung jedweder Honorarregelung und Vorgabe mit betriebswirtschaftlicher Relevanz mitbedacht und durchgespielt werden. Denn sonst bleibt tatsächlich irgendwann nur die Erkenntnis, dass wohl doch eine gewisse Absicht als Teil des Abwehrkampfs gegen Strukturveränderungen in der ambulanten Versorgung im Spiel sein könnte.