Der Deutsche Bundestag hat heute das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) beschlossen, das zum 1. Januar 2019 in Kraft treten wird. „Mit der Verabschiedung des Pflege-Sofortprogramms heute im Deutschen Bundestag lösen wir das Versprechen an alle Pflegekräfte in Deutschland ein, ihren Berufsalltag konkret zu verbessern“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (siehe auch Themenseite Pflege). Er bezeichnete das Gesetz in der Bundestagsdebatte als Paradigmenwechsel und größten Schritt in der Pflege seit 20 Jahren. Weitere Reformen müssten gleichwohl folgen.
SPD-Politiker Karl Lauterbach lobte im Bundestag insbesondere die Reform des DRG-Systems und betonte, dass in der Zukunft auch weitere Bereiche aus den Fallpauschalen ausgegliedert werden könnten. „Wir werden genau prüfen, ob wir andere Bereiche ebenfalls entökonomisieren müssen.“ Mehr Staat und wenige Wettbewerb könnten durchaus der richtige Weg sein. Kritik an dem Vorhaben äußerte die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Westig (FDP). „Wir sind auf dem besten Weg zurück zur Selbstkostendeckung“. Kordula Schulz-Asche (Bündnis90/Die Grünen) warnte, dass das PpSG zu einer Sogwirkung und Abwanderung von Pflegekräften aus anderen Bereichen ins Krankenhaus führen könnte. Ähnlich äußerte sich Linken-Politikerin Pia Zimmermann.
Positiv äußerte sich der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Das Gesetz sei eine wichtige Initiative für mehr Pflege im Krankenhaus, heißt es in einer Pressemitteilung. Es sei zu begrüßen, dass für die Überführung aus den DRG in das neue Pflegebudget „flankierende Maßnahmen“ beschlossen wurden. Die Begrenzung möglicher Erlösminderungen auf maximal zwei Prozent und die Berücksichtigung durchgeführter pflegeentlastender Maßnahmen bei der Umstellung auf die neuen Pflegebudgets seien für die Krankenhäuser sehr wichtig, so Gaß.
Er lobte zudem den Beschluss, die Verjährungsfrist für die Forderungen rückwirkend bis 2017 auf zwei Jahre zu halbieren. „In diesen Tagen gehen viele Briefe in den Kliniken ein, mit denen Krankenkassen bis zu vier Jahre rückwirkend längst abgewickelte Abrechnungen streitig stellen und Verrechnungen mit Forderungen für neu erbrachte Leistungen ankündigen“, sagte Gaß. Damit würden den Krankenhäusern in den nächsten Wochen Mittel in Millionenhöhe nicht ausgezahlt. Deshalb müsse mit dem nächstmöglichen Gesetz auch der automatischen Verrechnung mit neu erbrachten Leistungen der Krankenhäuser ein Riegel vorgeschoben werden. Mit Falschabrechnungen hätten diese Vorgänge überhaupt nichts zu tun.
Der Verband der Universitätsklinika (VUD) bezeichnete das Gesetz als ein „wichtiges Signal an das Pflegepersonal“. Allerdings werde der notwendige Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft eher ausgebremst als gefördert, heißt es in einer Pressemitteilung. Kritisch äußert sich der Verband auch zur Ausgliederung der Pflegekosten aus den DRG-Fallpauschalen. „Diese Regelung kann aber dazu führen, dass sich die Verteilung des eh knappen Pflegepersonals nicht mehr am Bedarf der Patientenversorgung orientiert“, sagte Michael Albrecht, VUD-Vorstandsvorsitzender.
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz enthalte viele Verbesserungen, werde aber eine bedarfsgerechte Versorgung nicht erreichen, erklärte Verdi-Vorstand Sylvia Bühler in einer Pressemitteilung. Sie bemängelte insbesondere das Fehlen eines Auftrags zur Entwicklung eines Instruments zur Personalbemessung, mit dem der tatsächliche Personalbedarf ermittelt werden könne.
Die wichtigsten Änderungen für Krankenhäuser
Pflege
- Jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle am Krankenhausbett wird ab 2019 vollständig refinanziert.
- Ab 2018 werden die Kostenträger die Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte im Krankenhaus vollständig refinanzieren.
- Die Vergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, Krankenpflege und Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr werden ab 2019 vollständig von den Kostenträgern refinanziert.
- Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden finanziell dabei unterstützt, die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf für Pflegekräfte zu verbessern.
- Die Krankenkassen werden verpflichtet, zusätzlich mehr als 70 Millionen Euro jährlich für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufzuwenden.
- Die Pflegeversicherung fördert Digitalisierungsprojekte, die die Pflege entlasten, in ambulanten und stationären Einrichtungen mit jeweils einmalig 12.000 Euro.
Reha
- Pflegende Angehörige erhalten einfacher Zugang zu medizinischen Reha-Leistungen. Die pflegebedürftige Person kann gleichzeitig in der Reha-Einrichtung betreut werden. Andernfalls müssen Kranken-und Pflegekasse die Betreuung organisieren.
Pflegepersonaluntergrenzen
- Die Pflegepersonaluntergrenzen werden laut Bundesgesundheitsministerium„weiterentwickelt“. Dazu enthält das Gesetz entsprechende Aufträge an die Selbstverwaltungspartner.
- 2020 wird der sogenannte Gesamthausansatz eingeführt. Damit wird das Verhältnis der Pflegekräfte zu dem zu leistenden Pflegeaufwand („Pflegequotient“) ermittelt. Dies soll Aufschluss über die Pflegepersonalausstattung und Arbeitsbelastung im gesamten Krankenhaus geben.
Schlaganfallversorgung
- Zur Sicherung der Schlaganfall-Stationen (stroke units) in Krankenhäusern werden wirtschaftliche Belastungen der Krankenhäuser aufgrund von Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen insbesondere durch eine Verkürzung der Verjährungsfristen abgemildert.
Krankenhausfinanzierung
- Die Höhe der Zu- und Abschläge für die stationäre Notfallversorgung sind zukünftig ohne eine Verbindung zum Landesbasisfallwert zu vereinbaren.
- Der Krankenhausstrukturfonds wird ab 2019 für vier Jahre mit einer Milliarde Euro jährlich fortgesetzt. Er speist sich wie bisher je zur Hälfte aus dem Gesundheitsfonds und aus Mitteln der Länder. Krankenhausbetten sollen dabei noch stärker als bislang abgebaut werden.
- Für „bedarfsnotwendige kleine Krankenhäuser“ in ländlichen Gebieten werden aus dem Pflegezuschlag ab 2020 insgesamt rund 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
- Rund 200 Millionen Euro aus dem Pflegezuschlag werden ab 2020 in die Landesbasisfallwerte überführt. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese Mittel auch zur Finanzierung anderen Personalkosten als Pflegepersonalkosten genutzt werden.
- Ab 2020 erfolgt die Finanzierung der Kosten des einzelnen Krankenhauses für die Pflege am Bett durch ein eigenes Pflegebudget. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die in den Krankenhäusern anfallenden Pflegepersonalkosten vollständig von den Kostenträgern finanziert werden.