Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Entwurf für die bessere finanzielle Ausstattung von Pädiatrie und Geburtshilfe vorgelegt. Dafür sollen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds pro Jahr 381 Millionen Euro bereitgestellt werden – für 2023 und 2024. Darüber hinaus sollen die Geldspritzen keinen Bestand haben. Sie dienen als "Instrumente des Übergangs bis zum Inkrafttreten einer übergreifenden Krankenhausstrukturreform", formuliert das BMG in einem Eckpunktepapier.
Geburtshilfe: Voraussetzung Sicherstellungszuschlag
Demnach sollen Geburtshilfen, die den Anspruch auf einen Sicherstellungszuschlag haben, einen Sockelbetrag erhalten – das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nennt 1,5 Millionen Euro. Verfügt das Krankenhaus über eine Pädiatrie, erhöht sich der Betrag um eine weitere Million Euro pro Jahr. Betreibt das Haus außerdem ein Perinatalzentrum, kommt noch eine Million Euro dazu. Eine Geburtshilfe, die einen Sicherstellungszuschlag erhält und sowohl eine Pädiatrie als auch ein Perinatalzentrum betreibt, erhält also zusätzlich 3,5 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Fall dürfte allerdings sehr selten sein. 2023 bekommen 136 Kliniken Sicherstellungszuschlage, darunter 56 Häuser für ihre Geburtshilfe.
Zum Verteilungsmechanismus führt das BMG aus: „Die Auszahlung des Zuschlagsvolumens erfolgt in der gleichen Art und Weise wie die Auszahlung des Zuschlags für ländliche Krankenhäuser (Zuschlagshöhe wird auf voraussichtliche Anzahl von Patientinnen und Patienten umgerechnet und je Fall ausgezahlt). Weicht die auf diesem Wege realisierte Zuschlagshöhe von der vom InEK ermittelten Zuschlagshöhe je Krankenhaus nach Ablauf des Jahres 2023 beziehungsweise 2024 ab, werden Mehr- und Mindererlöse vollständig ausgeglichen.“ Insgesamt will Lauterbach bei den Geburtshilfen 120 Millionen Euro zuschießen.
Pädiatrie: Mindesterlösvolumen, Zuschläge und Abschläge
Für die Pädiatrien will das BMG zweckgebunden circa 300 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Als Referenzwert setzt das Ministerium das „effektive Casemixvolumen für die maßgeblichen pädiatrischen Fälle“ von 2019 an. Krankenhäuser, die zwischen 80 und 100 Prozent des Volumens von 2019 behandeln, dürfen mit Extrageld rechnen. Ihre Mindererlöse werden vollständig ausgeglichen. Krankenhäuser, die mehr machen, müssen einen Abschlag von 65 Prozent schlucken – und auch Häuser, die weniger als 80 Prozent als 2019 ableisten, bekommen einen Abschlag von 65 Prozent. Das heißt, ihre Mindererlöse werden zu circa einem Drittel nicht ausgeglichen. Diese Regel soll den „Anreiz zur Behandlung von Kindern“ aufrechterhalten, heißt es.
Lauterbach will liefern: Beschluss Ende Dezember
Die Regelung zur Kindermedizin hat die Regierungskoalition als Änderungsantrag ins Krankenhauspflegeentlastungsgesetz eingebracht. Der Bundestag will das Gesetz am 3. Dezember verabschieden, am 8. November findet eine Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Gut möglich, dass auch die Bundesländer Änderungsbedarf sehen. Am 16. Dezember soll der Bundesrat zustimmen.
300 Millionen für die Pädiatrie und 120 Millionen Euro für die Geburtshilfe ergibt 420 Millionen Euro. Laut Änderungsentwurf sind aber nur 381 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds eingeplant. Hier ergibt sich ein kleines Delta, dessen Finanzierung noch Klärungsbedarf birgt.
Zwischenlösung im Sinne der Länder
Dieser Gesetzentwurf verbessert die Finanzierung der Kliniken, darf aber auch als Sieg der Bundesländer verstanden werden. Denn für die Länder war von Anfang an nur die Fortschreibung des Budgets akzeptabel, das entspricht dem Modell A der Expertenkommission, die im Auftrag des BMG vier Finanzierungsmodelle für die Kindermedizin vorgelegt hatte. Die zukunftsweisenden Modelle (Variante C oder D) bleiben mit diesem Entwurf in der Schublade. Auch die Finanzierung, die Minister Lauterbach noch vor einem Monat bei den Ländern sah, sollen nun die Krankenkassen übernehmen.
Reaktionen: „Es wird einfach Geld reingekippt“
Die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die sich im Vorfeld für das Modell D ausgesprochen hatte, ist über den Entwurfvorschlag nicht wirklich glücklich. „Es ist zunächst einmal gut, dass zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Mit dem aktuellen Vorschlag bleiben wir allerdings in der Logik des bisherigen Systems. Es wird einfach Geld reingekippt und alle Fehlanreize des DRG-Systems bleiben erhalten. Unser Vorschlag, das DRG-System durch eine Vorhaltefinanzierung in der Kindermedizin zu ergänzen, ist nicht berücksichtigt. Es kann also nur eine Interimslösung sein“, so der DGKJ-Generalsekretär Burkard Rodeck.
Auch die Begeisterung der Klinikvertreter hält sich in Grenzen. „Die Maßnahmen verfehlen die Wirkung, weil nicht konkrete Versorgung gesichert wird, sondern bestehende Strukturen erhalten werden. Das löst unser aktuelles Problem des Fachkräftemangels überhaupt nicht“, erklärte etwa Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz kommunaler Großkrankenhäuser (AKG). Skeptisch äußert sich auch Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK): „Es ist gut, dass die Politik die Unterfinanzierung der Pädiatrie und Geburtshilfe endlich angeht. Das offensichtliche Problem ist, dass die tatsächlich anfallenden Kosten in der Kalkulation nicht abgebildet werden. Zweifel beschleichen mich bei der komplizierten Orientierung am Erlösvolumen mit vorgesehen Abschlägen, die die Häuser doch wieder zwingen wird, auf Fallzahlen zu spekulieren. Ein Zuschlag pro Fall wäre die einfachere Lösung.“
Enttäuscht zeigen sich die Krankenkassen. Johannes Wolff, Referatsleiter beim GKV-Spitzenverband, erklärte: „Der jetzige Änderungsantrag verteilt circa ein Fünftel der zusätzlich vorgesehenen Finanzmittel für die Kinder- und Jugendmedizin an Krankenhäuser ohne entsprechende Fachabteilung. Eine bedarfsorientierte Bemessung anhand der potenziell zu versorgenden Kinder ist ebenfalls nicht vorgesehen. Das Ziel der Krankenkassen, qualitätsorientiert und bedarfsgerecht zu versorgen, wird damit klar verfehlt.“ Auch David Scheller-Kreinsen, Referatsleiter beim AOK-Bundesverband, bemängelt, dass Kliniken ohne pädiatrische Struktur von der Finanzspritze profitieren würden. „Außerdem werden die Budgetverhandlungen noch komplexer, wenn die Vorschläge so umgesetzt werden“, befürchtet Scheller-Kreinsen.