Auftakt Virtuelles DRG-Forum 2020

Georg Baum: „Wir werden zu einer Neubewertung kommen“

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Georg Baum: „Wir werden zu einer Neubewertung kommen“

Zum Auftakt des virtuellen DRG-Forums hat DKG-Geschäftsführer Georg Baum klargestellt, was Kliniken brauchen: eine pauschale Finanzierung abseits des "DRG-Systems mit seinen Verästelungen und seinem Verwaltungsaufwand". Auch die Diskussion um die Strukturreform der Krankenhauslandschaft stehe vor einer Wende.

Zum Auftakt des virtuellen DRG-Forums stellte sich Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Fragen von Professor Jörg Debatin. Der Leiter des Health Innovation Hubs (hih) des Gesundheitsministeriums und ehemalige Chef der Hamburger Unikliniken erkundigte sich zum Einstieg, ob Baum – als gelernter Volkswirt – ein ähnliches Szenario wie die Corona-Krise erlebt habe. „Maximal in Form eines Alptraums“, entgegnete Baum. Die Wirtschaft runterzufahren und gleichzeitig die Versorgung im Krisenmodus sicherzustellen, sei ein Kraftakt. "Wenn die Regelversorgung nicht stattfindet, haben wir hohe Kosteneinbußen und deshalb ist das Signal der Kanzlerin, einen Schutzschirm über Kliniken aufzuspannen, für uns wichtig“, so Baum. Er unterstrich, dass die Kliniken die Erwartungen der Kanzlerin aktiv annehmen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass erheblich mehr Schwerstkranke in die Kliniken kommen“, stellte Baum klar. Betten würden frei gemacht und zusätzliche Intensivkapazitäten geschaffen. Die neuen Beatmungsgeräte, die die Bundesregierung kürzlich bestellt hat, würden dabei helfen. Ein Problem in Kliniken bleibe der Mangel an Schutzkleidung. Moderator Debatin, der als Leiter des hih im engen Kontakt mit Gesundheitsminister Jens Spahn steht, unterstrich, dass das BMG alles daran setze, Schutzkleidung zu bekommen. 

Eine Spitzabrechnung lehnt Baum ab

Unbestritten bedeutet Corona für Krankenhäuser ein massives finanzielles Risiko. In der Regel macht eine Klinik nahezu 80 Prozent ihres Umsatzes mit Operationen. Nun werden planbare Operationen reihenweise abgesagt, gleichzeitig müssen die Kliniken zusätzliche Intensiv-Kapazitäten aufbauen. Wie soll diese Sondersituation finanziert werden? Baum bekräftigte den Finanzierungsvorschlag, <link record:tx_news:tx_news_domain_model_news:40095>über den BibliomedManager bereits am gestrigen Mittwoch exklusiv berichtet hatte. "Wir sind der Meinung, das DRG-System mit seinen Verästelungen und seinem Verwaltungsaufwand ist nicht in der Lage, die Finanzierung dieses Sonderfalls zu leisten.“ An oberster Stelle müsse die Liquiditätssicherung stehen. Baum wünscht sich deshalb eine pauschalisierte Budgetierung. Man solle die Budgets von 2019 hochrechnen, mit einem Zuschlag von fünf Prozent versehen, dann zwölfteln und die Teilbeträge ab April bis Dezember an die Kliniken auszahlen. Eine Spitzabrechnung, auf die tatsächliche Leistung einzelner Kliniken bezogen, lehnt Baum ab. "Der Grundgedanke ist, dass alle etwas leisten. Es wäre falsch, nur die zu bedenken, die Intensivbetten haben. Das ganze System ist betroffen", so Baum. "Wenn ich in die Spitzabrechnung gehe, bin ich verpflichtet, die ganze Bürokratie bis zum letzten Zusatzentgelt anzuschmeißen.“ Außerdem habe derzeit wohl kein einziges Krankenhaus ein ausgehandeltes Budget für 2020, so Baum. "Wir haben gerade erst die Pflegekosten herausgerechnet, das ist eine zusätzliche Sondersituation.“ Natürlich, so Baum, würden die Kliniken auch weiterhin eine patientenbezogene Dokumentation an die Kassen geben – allein damit klar sei, welche Kasse, was bezahlt.

Personalbezogene Vorgaben stehen am Freitag beim G-BA auf der Agenda

Auf Debatins Frage, welche Signale die DKG derzeit aus dem Ministerium bekomme, entgegnete Baum, man sei nahezu täglich in Gesprächen. "Der Minister will in den nächsten 14 Tagen den Gesetzgebungsprozess für die Finanzierung abgeschlossen haben.“ Auch mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) sei er im Austausch. "Die Kassen haben registriert, dass wir mehr machen.“ Die Bereitschaft zu einer Pauschale sei bei den Kassen aber noch nicht da. "Die Krankenhäuser müssen sich aber darauf verlassen können, dass ihre Aufwände finanziert werden, ohne großen administrativen Aufwand“, so Baum. Am morgigen Freitag trifft Baum die Kassenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dort wird die Frage diskutiert, "inwieweit personalbezogene Vorgaben in der Krise überhaupt noch Sinn machen. Wir müssen ganz grob fragen, was an regulativem Überbau ausgesetzt werden kann.“ Die Pflegepersonaluntergrenzen hat Minister Spahn bereits aufgehoben – Baum fordert nun, auch die Personalvorgaben für die Psychiatrie (PsychPV) auszusetzen, "denn auch die müssen Betten frei machen und sind von der Krise betroffen.“

Strukturdiskussion: Zehn Prozent Überkapazitäten sind sinnvoll

Die Corona-Krise berührt zudem eine ganz wesentliche Diskussion in der Krankenhausszene - die Strukturdiskussion. Darauf angesprochen, erklärte Baum: "Ich habe immer gesagt, dass es gut ist, zehn Prozent Überkapazitäten zu haben, anstatt auf Kante genäht zu planen. Es ist sinnvoll, auch kleine Kliniken zu haben. Jetzt haben wir eine neue Situation und das muss sich auch zukünftig in den Konzepten niederschlagen. Ich denke, wir werden zu einer Neubewertung kommen. In jeder Krise liegt die Chance zu einem konstruktiven Neuanfang.“ Einer der Treiber dieser Diskussion ist übrigens Professor Reinhard Busse von der TU Berlin. Der ist ebenfalls Gast des virtuellen DRG-Forums (11:25) – eine Zusammenfassung des Interviews mit ihm folgt zeitnah im Laufe des Nachmittags.

Autor

 Jens Mau

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