Krankenhaus Rating Report 2022

Aufschwung durch Pandemie-Hilfen, doch der Substanzverlust steigt

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Aufschwung durch Pandemie-Hilfen, doch der Substanzverlust steigt
© Anika Pfeiffer

Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2020 deutlich verbessert. Nur noch 7 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 25 Prozent im „gelben“ und 68 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen nur 60 Prozent im „grünen“ und 14 Prozent im „roten Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2020 ebenfalls verbessert: 28 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2019 waren es 34 Prozent. Im Jahr 2020 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis 1,2 Prozent der Erlöse, im Jahr zuvor waren es 0,6 Prozent. Maßgeblich für die bessere wirtschaftliche Lage der Kliniken waren allerdings keine langfristig wirksamen strukturellen Veränderungen, sondern die Ausgleichszahlungen und andere Hilfen von Bund und Ländern im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Zu diesen Ergebnissen kommt die 18. Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“. Er wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt. 

Eine exklusive Interpretation der Ergebnisse von Studienautor Professor Boris Augurzky lesen Sie als f&w-Abonnent hier.

Substanzverlust im Osten am deutlichsten

Aufgrund der Covid-19-Pandemie sank im Jahr 2020 die stationäre Fallzahl außerordentlich stark um 13,5 Prozent. Im zweiten Pandemiejahr 2021 verharrte sie weitgehend auf diesem niedrigen Niveau. Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2020 auf 3,27 Milliarden Euro, das waren 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die gesamten Krankenhauserlöse entspricht dies 3,4 Prozent. Zum Erhalt der Unternehmenssubstanz sollten jährlich 7 bis 8 Prozent der Erlöse in Investitionen fließen. Krankenhäuser schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft, sodass es zu einem Substanzverzehr kommt, der in den Bilanzen deutlich sichtbar ist. Besonders stark war dieser Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern.

Südwesten bleibt das Sorgenkind

Eine Auswertung vorliegender Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2020 zeigt zeitstabile Muster: Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Baden-Württemberg und Hessen. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden beim Rating und der Ertragslage deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken. Gleichwohl verschlechterte sich die Ertragslage privater Krankenhäuser 2020 im Vergleich zum Jahr 2019, während sie bei öffentlich-rechtlichen und besonders bei freigemeinnützigen Häusern stieg. Ein signifikant besseres Rating und eine bessere Ertragslage hatten außerdem Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem höheren Case Mix Index.

15 Prozent mehr Beschäftigte

Die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Menschen im Gesundheitswesen ist zwischen 2015 und 2021 um 15 Prozent gestiegen, in Krankenhäusern um 12 Prozent. Zudem nahm der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Menschen zu. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2004 und 2020 von 12 Prozent auf 29 Prozent mehr als verdoppelt. Zudem arbeiten deutlich mehr ausländische Beschäftigte in Krankenhäusern. In den Jahren 2019 und 2020 kam es zu einem erheblichen Zuwachs der Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst (+4,2 Prozent beziehungsweise +5,0 Prozent) und gleichzeitig zu einem Abbau im Funktionsdienst, was darauf hindeutet, dass es zu Verschiebungen zwischen den Dienstarten aufgrund der im Jahr 2020 eingeführten Selbstkostendeckung für die Pflegepersonalkosten kam. Aufgrund der stark gesunkenen Zahl an Fällen bei gleichzeitig wachsender Zahl an Vollkräften sank die Arbeitsproduktivität – gemessen als Casemix je Vollkraft – im Jahr 2020 um 16 Prozent. Teilweise ist der Rückgang durch pandemiebedingte Zusatzarbeit erklärbar. Die Lohnkosten im Pflegedienst stiegen in den vergangenen Jahren deutlich stärker als zu Anfang der 2010er Jahre. Im Jahr 2019 stiegen die Kosten je Vollkraft um 4,8 Prozent und 2020 um 3,5 Prozent. Im März 2021 lag die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen viereinhalbmal höher als im Januar 2007. Erfreulicherweise ist die Anzahl der Auszubildenden in Krankenhäusern zwischen 2005 und 2021 um 41 Prozent gestiegen, sodass der Anteil der unter-25jährigen an der Belegschaft im Jahr 2021 auf über 11 Prozent zugenommen hat. Das wird aber nicht ausreichen, um die Beschäftigten, die in den kommenden Jahren in Rente gehen werden, komplett zu ersetzen.

Blick in die Zukunft: zwei Szenarien

Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2022“ sind 540 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2019 und 544 aus dem Jahr 2020. Sie umfassen insgesamt 957 Krankenhäuser. Für eine Projektion wurden die Jahresabschlüsse des Jahres 2020 unter Berücksichtigung der Erkenntnisse während der Covid-19-Pandemie in den Jahren 2021 und 2022 sowie der demografischen Entwicklung und bereits beschlossener Gesetzesänderungen bis 2030 fortgeschrieben. Die Autoren um Professor Boris Augurzky haben darauf aufbauend zwei Szenarien entworfen. 

Das Szenario „Rückkehr zu 2019“ geht für 2023 von einer Rückkehr zum Vor-Krisen-Niveau aus und rechnet bis 2030 mit einer Zunahme der Fallzahl um 18 Prozent gegenüber 2020. Bei einem moderaten jährlichen Anstieg der Basisfallwerte und steigenden Löhnen würde in diesem Szenario der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Der Anteil mit einem Jahresverlust würde auf 44 Prozent wachsen und das durchschnittliche Jahresergebnis auf minus 2,5 Prozent sinken. 

Im Szenario „Neustart“ wird angenommen, dass das Leistungsvolumen nicht mehr das Vorkrisenniveau erreichen wird. Es nimmt gegenüber dem Jahr 2022 nur noch sehr leicht zu, sodass die stationäre Fallzahl im Jahr 2030 nur rund 7 Prozent über dem Niveau von 2020 liegt. In dieser Situation käme es zu einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser. Etwa drei Viertel schrieben dann schon im Jahr 2023 Verluste und 2030 betrüge das durchschnittliche Jahresergebnis minus 8 Prozent. Bei kontinuierlichen Struktur- und Prozessoptimierungen sowie einer Anpassung der Krankenhauskapazitäten an das neue niedrigere Leistungsniveau könnte sich die Lage bis 2030 dagegen stabilisieren.

Augurzky: Kliniken stehen vor einer Zeitenwende

Für das laufende Jahr haben die Autoren der Studie eine eher düstere Prognose. „Der warme Regen der letzten Jahre war nicht nachhaltig. Wir müssen mittlerweile davon ausgehen, dass aktuell knapp jedes fünfte Haus im roten Bereich liegt“, schätzt Co-Autor Sebastian Krolop (HIMSS). Rund 60 Prozent der Kliniken könnten für das Jahr 2022 ein negatives Jahresergebnis einfahren, so sein Ausblick. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI und Vater des Reports erklärte auf dem Berliner Hauptstadtkongress: „Alle Krisen kommen jetzt auf einen Schlag.“ Neben dem demografischen Wandel und den sich verschärfenden personellen Problemen hakt es ebenso an den globalen Lieferketten und die Energiepreise steigen parallel. Die Kliniken stünden vor einer Zeitenwende, die lokal optimiert werden müsse. „Wir müssen aufräumen, kreativ werden und die Vergütungssysteme so ausrichten, dass sich Potenziale realisieren lassen.“ Dazu schlägt er regionale Vorhaltebudgets vor. Ein Teil der DRG-Erlöse könnte die Vorhaltebudgets mit Rückwirkung auf die Krankenhausplanung finanzieren. Die Gelder würden in dem Fall auf Regionen ausbezahlt werden, zwei Drittel der DRGs würden weiterhin regulär abgerechnet.

So empfiehlt Augurzky beispielsweise Kliniken – möglichst bis Jahresende – zu prüfen, ob ihre regionale Verbundstruktur nachhaltig ausgerichtet ist. „Sie sollten nicht warten, dass es zu einem neuen Geldsegen kommt, sondern sollten ihr Angebot hinterfragen und mögliche Schwerpunkte abwägen“, erklärt er. Auch wenn spontane Aktionen nicht leicht umsetzbar für Kliniken seien, sollten sie schnell in die Prozessoptimierung gehen – und zumindest die Entscheidung zeitnah treffen. Denn bis neue und optimierte Verbundstrukturen tatsächlich umgesetzt sein können, könnte es teileweise bis zu sieben Jahre dauern. Augurzky sieht hier die Politik in der Pflicht, diese Transformationsprozesse finanziell zu fördern – von Bundes- bis Kommunalebene. „Die Krankenhäuser sollten den Mut haben, den Prozess zu starten." Bis zu sieben Jahre könnte dieser je nach Haus dauern, sagt er.

Autoren

 Anika Pfeiffer
 Jens Mau

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