Maria Klein-Schmeink im Interview

„Das Pflegebudget ist eine Hilfskonstruktion“

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„Das Pflegebudget ist eine Hilfskonstruktion“
Maria Klein-Schmeink MdB Bundestagsfraktion Buendnis 90/Die Gruenen © Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski

Von allen Bundestagsparteien formulieren die Grünen ihre Gesundheitspolitik bisher am konkretesten. Im Interview erklärt die Bundestagsabgeordnete Maria Klein Schmeink (MdB), wo die Partei in den nächsten vier Jahren Schwerpunkte setzen will. 


Frau Klein-Schmeink, die Grünen wollen regionale Versorgungsverbünde. Kliniken, Ärzte und andere Berufe sollen vor Ort zusammenarbeiten. Wie stellen Sie sich das organisatorisch vor?
Landräte oder Kreistage sollen entscheiden, ob sie eine Gesundheitsregion sein wollen, und können dann einen Verbund von Leistungserbringern zusammenbringen. So können dann Regionalbudgets entstehen, die vom SGB V abweichen können. Der Gesundheitsverbund in Gestalt einer Managementgesellschaft übernimmt als Vertragspartner der Krankenkassen die Organisation der Versorgung und trägt die virtuelle Budgetverantwortung. 

Und wie soll so ein regionales Versorgungskonstrukt finanziert werden?
Die Vergütung kann wie bisher auf der Grundlage der bestehenden ambulanten und stationären Vergütungssysteme erfolgen. Es sind aber auch eigene Vergütungsregelungen für den ambulanten Bereich denkbar, die zusätzliche Anreize setzen. Die Managementaufwendungen sowie die Aktivitäten und Programme insbesondere zur Gesundheitsförderung werden aus dem Unterschied zwischen den tatsächlichen Versorgungskosten der in der Region lebenden Versicherten der jeweiligen Krankenkasse und den morbiditätsadjustierten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds finanziert. Im Gegenzug werden die Gesundheitsergebnisse in der Region regelmäßig evaluiert. Der Gesundheitsverbund muss sich dabei an zwei Zielen messen lassen: Die Gesundheit der Menschen in der Region wird verbessert und ein effizienter Ressourceneinsatz wird erreicht. Auf diese Weise entsteht nicht nur eine gemeinsame Perspektive aller in der Region beteiligten Leistungserbringer, sondern vor allem ein gemeinsames Interesse aller, beständig auf die Verbesserung der Gesundheit der Versicherten hinzuwirken. Unser Ziel ist es, innerhalb einer Wahlperiode zehn Prozent der Bevölkerung in Verbünden zu versorgen. Möglich sind auch Verbünde für einzelne Leistungsbereiche wie Geriatrie oder Psychiatrie.

Die Frage nach der Ambulantisierung in der Medizin beeinflusst die Reform der Krankenhauslandschaft – beides zusammen ist jedoch geprägt durch ein Spinnennetz an Zuständigkeiten. Wie wollen die Grünen dieses Problem lösen?
Wir müssen mit den Ländern eine Grundgesetzänderung aushandeln. Der Bund soll die Kompetenzen erhalten, Grundsätze für die Versorgungs- und Krankenhausplanung zu definieren. Dazu gehören die Differenzierung nach Versorgungsstufen, Qualitätsanforderungen (zum Beispiel Mindestmengen) und regelmäßige Analysen des für die Region prognostizierten Versorgungsbedarfs der Bevölkerung. Die Planungen der Länder sollten sich künftig bundeseinheitlich auf Leistungsbereiche statt wie bisher auf Betten beziehen. Eine Planung auf der Grundlage von Betten verhindert bereits im Ansatz eine Einbeziehung ambulanter Kapazitäten.

Das klingt leichter als gesagt als getan …
Wir müssen ein grundlegendes Reformpaket schnüren, das die Investitionsfinanzierung, Leitsätze der Krankenhausplanung und die Reform des Krankenhausentgeltsystems beinhaltet. Es müssen so viele Argumente im Korb sein, dass die Länder zustimmen.

Wie könnte das Paket aussehen?
Es muss eine Strukturförderkomponente für Pädiatrie, Notfallversorgung, Schwerpunktversorgung und die Geburtshilfe geben – also jene Bereiche, die fallzahlenunabhängig gewährleistet werden müssen. Dazu gehört auch ein vorgeschriebener Personalschlüssel. Die Fallpauschalen müssen sich vor allem auf den Sachkostenanteil beziehen und da, wo es eine höhere Fallzahlabhängigkeit gibt, brauchen wir Versorgungsstufen, die ebenfalls grundfinanziert sind. Damit sollten wir zeitnah den Sachverständigenrat beauftragen. Natürlich brauchen wir eine Definition, was versorgungsrelevante Häuser sind. Hier müssen Sachverständigenrat und Länder etwas liefern. Nordrhein-Westfalen hat ja mit der Definition von Leistungsbereichen einen neuen Weg eingeschlagen. Wir müssen jetzt schauen, ob sich das zu einem umsetzbaren Szenario entwickelt.

Die sektorenübergreifende Versorgungsplanung ist ein ziemlich dickes Brett. Wenn es aber nicht bald ein sinnvolles Finanzierungssystem für Kliniken gibt, sterben Krankenhäuser mit geringer Liquidität aus – und das sind bekanntermaßen vor allem kleine öffentliche Häuser. Wie wollen Sie das verhindern?
Wir brauchen eine Finanzierung, die den Aufwand der Kliniken berücksichtigt, besonders in der Pflege. Wir wollen ein Tariftreuegesetz und eine Pflegebemessung. Das Pflegebudget ist eine Hilfskonstruktion, aber wir sehen ja jetzt schon, dass die privaten Träger dieses System ausnutzen. Grundsätzlich wollen wir, dass jedes bedarfsnotwendige Krankenhaus den jeweiligen Versorgungsauftrag auf hohem Qualitätsniveau erfüllen kann. Dazu wollen wir eine neue, pauschal finanzierte Säule der Strukturfinanzierung in die Vergütung einführen, die vor allem die Vorhaltekosten abdecken soll. Auf Bundesebene müssen klare Anforderungen an die zu finanzierenden Strukturen definiert werden.

Die Pflegepersonalbemessung ist derzeit ein Minenfeld – in dem sich die Grünen klar positionieren. Sie wollen das Bemessungsinstrument „PPR 2.0“ von DKG, Verdi und Pflegerat umsetzen. Was sagen Sie dem vielstimmigen Kritikerchor?
Wir alle wissen, dass die PPR 2.0 noch Weiterentwicklungsbedarf hat. Aber sie ist ein guter Ansatzpunkt, wenn man nicht ewig damit warten will, die Personaluntergrenzen abzuschaffen. Wir wollen die Pflege sichtbar machen, ohne dass jeder Handgriff dokumentiert werden muss. Aber um die Transparenz kommen wir nicht herum. Das ist der Spagat, den wir bei der Personalbemessung machen müssen.

Das komplette Interview lesen Sie als Abonnent der Fachzeitschrift f&w hier.

Maria Klein-Schmeink sitzt seit 2009 im Bundestag. Sie ist gesundheitspolitische Sprecherin und seit 2020 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. In diesem Jahr tritt die 63-Jährige als Direktkandidatin im Wahlkreis Münster an. 

Autor

 Jens Mau

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