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Den richtigen Dreh finden

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Den richtigen Dreh finden
© Regina Sablotny

Ulrich Langenberg, Geschäftsführer Politik bei der Bundesärztekammer, fühlt sich von der gegenwärtigen Krankenhausplanung an ein ikonisches Spielzeug aus seiner Jugend erinnert: Der bunte Rubik's Zauberwürfel habe, einmal in sich verdreht, ähnlich chaotisch ausgesehen. „Am liebsten wollte man ihn dann auf den Boden schmeißen und die Teile wieder neu zusammensetzen.“

Stattdessen gelte es aber, im Spiel wie im Reformvorhaben, den richtigen Dreh für die Neuordnung zu finden. Ein gutes Instrument dafür sei die Planung über Leistungsgruppen (LG). Der Übergang von der Bettenplanung zur Planung mit Fällen sei methodisch allerdings sehr anspruchsvoll, die Fallzuordnung ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt – nicht zuletzt auch für die darauf bezogene Vergütung. „Es kommt auf die Frage an: Welcher konkrete Krankenhausfall wird einer Leistungsgruppe zugeordnet?“ Das Bemerkenswerte sei, dass diese Frage bisher, auch im aktuellen Referentenentwurf, eine Leerstelle bleibe. Der Ärztefunktionär warb dafür, bei der Fallzuordnung unbedingt medizinisch-fachlichen Sachverstand und Versorgungswissen hinzuziehen. Schließlich hänge daran am Ende auch die Steuerungswirkung.

Statischer statt fließender Prozess

Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken, zeichnete unterdessen ein bedrohliches Bild: 80 Krankenhausinsolvenzen seien derzeit angekündigt. „Das hatten wir so in Deutschland noch nie.“ Wenn er und seine Kolleg:innen sich nun die aktuellen Planungen des Bundes anschauten, rege sich weiter Sorge: „De facto handelt es sich hier um einen staatlichen, mit Kriterien hinterlegten Entscheidungsprozess, der über Markteintritt und -austritt entscheidet.“

Der Prozess sei nicht fließend und bedarfsorientiert gestaltet, sondern statisch angelegt; und an seinem Ende stünde nicht zwingend eine Qualitätsverbesserung, sondern eine neue Angebotsstruktur. Überversorgung könne diese Planung sicher gut regulieren, doch Unterversorgung vermeiden, das könne sie nicht. Auch Prozess– und Qualitätsaspekte würden nicht berücksichtigt. „Wir plädieren für einen kreativeren Prozess, der definierte Versorgungsbedarfe als Planungsmaßstab nimmt“, so Bublitz. Die Erreichbarkeit in Notfällen sollte dabei ebenso eine Rolle spielen wie elektive oder ambulante Versorgung. Mit Blick auf die LG-Planung nach NRW-Beispiel sagte Bublitz: „Lassen Sie uns darauf achten, dass wir nicht am Ende gute Versorgungsangebote eliminieren, weil wir es mit der Planung übertrieben haben.“ Planung gehöre gestaltet und nicht zum Aussieben verwendet.

„Mehr Luft zum Atmen“ wünscht sich Michael Zaske für die einzelnen Planungsregionen. Zaske, der beim Gesundheits- und Sozialministerium Brandenburg die Abteilung Gesundheit leitet, hält nicht nur die bisherige Krankenhausplanung für überholt; auch die Reform, wie sie derzeit besprochen werde, greife zu kurz. „Wir müssen in punkto Versorgung weg vom sektoralen hin zu einem regionalen Blick“, appelliert der Landesplaner. Aus dem Ausland schaue man „sehr erstaunt“ auf das „Neben- und Gegeneinander“ des deutschen Gesundheitssystems mit seinen „unverbundenen Einzelversorgungsleistungen“. In Brandenburg gebe es bereits jahrelange Erfahrungen mit regionalen Versorgungsideen, etwa das Modell Templin in der Uckermark; zuletzt habe das Land auch eine sogenannte beteiligungsorientierte Planung gestartet.

Ein Aufruf zur Revolution?

„Dabei wollen wir nicht jedes kleine Karo vorzeichnen“, beteuert Zaske. Stattdessen erarbeiten Institute gemeinsam mit den Akteuren regionale Bedarfsanalysen, die über die stationäre Klinikversorgung hinausgehen und sogar den Pflege- und Rehasektor einbeziehen. „Wir robben uns da gedanklich heran.“ Die LG entpuppten sich bei genauer Betrachtung als ein gutes Instrument. „Damit können wir uns den gemeinsamen Planungsparametern nähern.“ Problematisch seien jedoch die Unterschiede in puncto Stakeholder sowie Vergütungs– und Planungssysteme – die würden eine regionale Planung „über den Tellerrand“ arg erschweren. Eine wirklich griffige Reform müsste nach Meinung des Brandenburgers deshalb eigentlich hier ansetzen. „Die Annahme, die Länder oder die Regionen können es nicht, führt jedenfalls in die Irre.“

Für die Moderatorin Marya Verdel, Kaufmännische Vorständin des Klinikums Stuttgart, riecht das fast ein bisschen nach einem „Aufruf zur Revolution“, wie sie sagt. Doch Zaske wehrt ab: „Im Gegenteil: Ich möchte die Selbstverwaltungspartner mit hineinnehmen in die Verantwortung.“ Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Brandenburg, so verriet er, wolle ohnehin stärker mit beteiligt werden. „Die möchten mitmachen, weil auch sie sehen, dass wir zusätzliche Kapazitäten brauchen.“

Reformvorschlag: Offene Fragen

Nun müsse man es „auch nicht gleich Revolution nennen“, sagt Johannes Wolff vom GKV-Spitzenverband, „aber sich auf den Weg zu machen“, Dinge zu verändern, das begrüße er doch sehr. Vor allem müsse man nach Ansicht des Referatsleiters Krankenhausvergütung weg von dem abstrakten Begriff eines Krankenhauses. „Was bietet das Haus, welche Leistungsgruppen werden bedient, und wie sieht der Versichertenbedarf aus?“ – mit diesen Begriffen sollte künftig hantiert werden. „Dann haben wir auch eine einheitliche Planungssprache und eine qualifiziertere Basis für eine Auseinandersetzung“, so Wolff. Er betonte, dass er die Einrichtungen und ihre Angebote nicht unter Generalverdacht stellen wolle. Aber wenn einzelne Angebote eine schlechte Kapazitätsauslastung oder eine geringe Qualität aufwiesen, möchte er dem Haus anraten können, die Leistung „abzugeben“. Planung und Finanzierung könnten sogar direkt aneinander gebunden werden: „In dem Moment, wenn ich weiß, dass das Angebot bedarfsnotwendig ist oder wegen der Erreichbarkeit bleiben muss, dann denken wir uns in der Finanzierung aus, wie wir dieses Angebot erhalten.“

Nach einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon bereitet sich derzeit erst ein Drittel der Länder auf die Einführung der Leistungsgruppen vor. Dr. Christian Heitmann, der bei Curacon den Bereich Unternehmensberatung leitet und nach eigener Aussage bereits Einrichtungen und Länder zur Anwendung der LG berät, hält die LG-Systematik für ein „scharfes Schwert“, die einer differenzierten und qualitätsorientierten Krankenhausplanung diene. Doch lasse der Reformvorschlag noch einige wichtige Fragen offen, etwa die Frage nach der Definition von LG– und Qualitätskriterien, die Verteilungszuordnung von Fällen oder die Datengrundlage zur Kriterienprüfung. Die Ziele mögen klar sein, so der Unternehmensberater, „der Weg zur Umsetzung einer bedarfsgerechten Krankenhausplanung jedoch, der ist noch lang.“

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