Die Länder Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sehen ihre Rechte bei der Krankenhausplanung angegriffen und ziehen deswegen vor das Bundesverfassungsgericht.
Man habe eine Klage eingereicht und wolle erreichen, dass Karlsruhe die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfe, teilten die Gesundheitsminister der drei Bundesländer mit.
Kritik an Mindestmengen für Frühchenversorgung
Konkret stören sich die drei Bundesländer unter anderem an Vorgaben des Ausschusses zur Versorgung sehr kleiner Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm. Seit 2024 bekommen Kliniken die Behandlung dieser Kinder nur noch von den Kassen vergütet, wenn sie jährlich bestimmte Mindestmengen an Patienten vorweisen können. "Die Klage sehen wir als notwendiges letztes Mittel, um die verbriefte Hoheit der Länder bei der Krankenhausplanung gegen wiederholte Eingriffe des G-BA zu schützen", sagte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Die Länder fürchten, dass die Vorgabe zu Versorgungsengpässen führen.
Routine bei Frühchen-OP entscheidet über Leben und Tod
Der Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, widerspricht: "Wir sprechen hier nicht über Notfalloperationen, sondern über planbare, komplexe Interventionen, bei denen es einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Anzahl der durchgeführten Behandlungen und oder Interventionen und der Ergebnisqualität gibt." In diesen Fällen zahle sich Routine aus, sie könne nicht durch Strukturvorgaben ersetzt werden.
"Gerade bei der Versorgung von untergewichtigen Frühgeborenen hat die Zahl der behandelten Frühchen unmittelbaren Einfluss auf die Sterberate und das Maß späterer Beeinträchtigungen. Für mich steht fest: Qualität ist nicht verhandelbar", sagte Hecken. Mit Krankenhausplanung habe dies nichts zu tun.
Auch der GKV-Spitzenverband zeigt kein Verständnis für die Klagen. "Die Mindestmengen für die Versorgung der kleinen Frühgeborenen wurden eingeführt, weil die Qualität der Leistung von der Erfahrung der Behandlerinnen und Behandler abhängt. Die Mindestmengen dienen somit dem Schutz der Frühgeborenen und sollen die qualitativ bestmögliche Versorgung sicherstellen", sagt Martin Krasney, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbands. Die Versorgung von Frühgeborenen gehöre in die Hände von erfahrenem Personal in spezialisierten Zentren. Entscheidend sei, dass klinische Anzeichen für schwerwiegende Komplikationen frühzeitig erkannt und dann die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden. Das gelinge laut des GKV-Spitzenverbands nur bei einschlägiger Erfahrung des gesamten Teams. An einem Standort mit höherer Fallzahl seien die Überlebenschancen der Kinder nachgewiesenermaßen deutlich höher und das Risiko für lebenslange gesundheitliche Schäden geringer, so der Verband.
Lösungsansätze in Baden-Württemberg
Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel der Arbeitsgemeinschaft Neonatologie (ARGE) in Ulm. Sehr kleine Frühgeborene werden von den im Verbund teilnehmenden Perinatalzentren nicht mehr selbst versorgt, die Schwangeren werden bereits vor der Entbindung an den zentralen Standort in Ulm überwiesen. Sobald die Kinder keinen kritischen Gewichtsbereich mehr haben und medizinisch stabilisiert sind, werden sie an die kooperierenden Standorte verlegt.
Bereits im Oktober 2023 haben sich sieben Professoren und Klinikchefs der größten Perinatalzentren Baden-Württembergs mit einem Brief an den baden-württembergischen Gesundheitsminister gewandt, um die neue Mindestmenge für sehr kleine Frühgeborene zum Schutz dieser vulnerablen Gruppe auch in seinem Bundesland umzusetzen und dabei insbesondere das Ulmer Konzept auch in anderen Regionen zu etablieren.
dpa/ab