Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) übt scharfe Kritik an der Richtlinie zur Strukturprüfung in Kliniken. Es fehle die Rechtssicherheit, eine Klagewelle sei wahrscheinlich.
Im Grundsatz begrüßen die Fachgesellschaften die Richtlinie zwar, schließlich soll die Prüfung von Strukturmerkmalen bei der Erbringung von insgesamt 53 durch OPS-Kodes definierten Leistungen bundesweit vereinheitlichen und die von vielen als lästig empfundenen Einzelfallprüfungen durch eine a piori Prüfung der Strukturmerkmale ersetzen. Allerdings gebe es viele Formulierungen, die Interpretationsspielraum lassen - ein Problem, mit dem die Kliniken seit Beginn der Abrechnungsprüfung massiv zu kämpfen haben. Formulierungen etwa wie „Team von Pflegepersonal und Ärzten in akuter Behandlungsbereitschaft“ oder „Die Ärzte des Teams sind in der Intensivmedizin erfahren und kennen die aktuellen Probleme ihrer Patienten“ seien zu unklar, so die AWMF.
Die Grundlagen für die Strukturprüfungen seien die vom früheren DIMDI und dem jetzigen BfArM in aller Eile umgearbeiteten Strukturmerkmale. „Diese beinhalten zahlreiche rechtsunsichere Begriffe, deren Korrektur schon längst hätte erfolgen sollen, aber eben nicht erfolgt ist“, schreibt die AWMF. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken dieses Vorgehens hat bereits die Deutsche Gesellschaft für Medizincontrolling (DGfM) hingewiesen.In einer Mitteilung geht die AWMF exemplarisch auf sechs kritische Punkte der Richtlinie ein:
- Es fehlt jegliche Definition der fachlichen Qualifikation der Gutachter des MD. Dies ist inakzeptabel, da die Begutachtung einer Leistungserbringung eine angemessene Kenntnis dessen voraussetzt, was beurteilt wird.
- Zeitvorgaben und formaler Ablauf der Prüfung bei der vorübergehenden Nicht-Einhaltung von Strukturmerkmalen sind unangemessen, weil zu kurz. Den Krankenhäusern muss eine Frist von mindestens 6 Monaten gewährt werden, bevor die Vergütung einer beanstandeten Leistung ausgesetzt wird und eine Wiederholungsprüfung beantragt werden muss.
- Einige der nachzuweisenden Strukturmerkmale sind nicht Bestandteil der als Grundlage dienenden OPS-Kodes.
- Ob die datenschutzrechtlichen Bestimmungen bei der Anforderung von Arbeitsverträgen, Facharzturkunden, Dienstplänen etc. durch § 276 Absatz 2 SGB V erfüllt sind, darf bezweifelt werden.
- Mit der durch das BMG an den MD erteilten Berechtigung de facto über das Leistungsportfolio eines Krankenhauses mit entscheiden zu können, erfolgt ein - möglicherweise unbeabsichtigter - Eingriff in die Krankenhausplanung der Länder.
- Gleichzeitig kann sich dadurch von heute auf morgen die Situation für in Weiterbildung befindliche ärztliche Mitarbeiter und Angehörige anderer Gesundheitsfachberufe ändern. Für beide Punkte wäre eine Folgeabschätzung sinnvoll und notwendig gewesen.
Es bleibe die Frage, schreibt die AWMF, „warum zum jetzigen Zeitpunkt während einer noch nicht überstandenen Pandemie eine grundsätzlich sinnvolle, aber bereits bei oberflächlicher Lektüre unzureichend durchdachte und in einigen Teilen nicht rechtssichere Ausführungsbestimmung mit viel zu engen Fristen umgesetzt werden soll“. Die Richtlinie habe das Potential, die Dialogfähigkeit der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen nachhaltig zu kompromittieren, die Krankenhausplanung durch unkontrollierte Marktbereinigung empfindlich zu stören und die Sozialgerichtsbarkeit auf Jahre hinaus zu überlasten.