Klinikschließungen, Fachkräftemangel, veraltete Strukturen – das Gesundheitssystem steht unter Druck. Dabei bietet die moderne Medizin heute mehr Möglichkeiten denn je. Heinz Lohmann fordert eine grundlegende Reform: weg vom Rückblick, hin zur Zukunft.
Da steht er wieder, der Landrat, vor „seinem“ Krankenhaus und verkündet dessen Schließung – leider, leider, hohe Defizite, kaum Personal, sinkende Auslastung. Da muss man nun einmal „in den sauren Apfel beißen“ und sich mit einem Gesundheitszentrum zufriedengeben. Wenn künftig nichts mehr geht, gibt es zur Not ja auch noch die Telemedizin. Wen wundert es da, dass die Bürgerinnen und Bürger allerorten „auf die Palme gehen”? Wie soll angesichts eines solchen Szenarios Zuversicht entstehen? Im Gegenteil, überall ist das Jammertal: "Früher war alles besser. Und jetzt kommt auch noch die Medizin unter die Räder!"
In Wahrheit ist die Medizin heute so gut wie nie zuvor. Sie kann Krankheiten erfolgreich behandeln, bei denen sie noch vor wenigen Jahren hilflos war. Dazu nutzt sie diagnostische Möglichkeiten in der Bildgebung und der Labortechnik, die es vor kurzem noch gar nicht gab. Dank innovativer Methodik kann sie viel individueller und mit deutlich weniger Nebenwirkungen agieren als früher. Dabei spielt die Entwicklung neuer Arzneimittel eine gewichtige Rolle. In weiten Bereichen der Chirurgie kann sie minimalinvasiv operieren und damit die Genesungszeit erheblich verkürzen - und somit ambulanter agieren.
Auf der modernen Medizin ruht zurecht die Hoffnung vieler Menschen. Aber diese Angebote erfordern Expertinnen und Experten sowie Infrastruktur, die es nicht überall gibt. Die Organisation des Gesundheitssystems ist antiquiert. Sie reicht als Ordnungsrahmen für die medizinischen Angebote von heute schon lange nicht mehr aus. Wir enthalten vielen Menschen die Möglichkeiten einer zeitgemäßen Diagnostik und Therapie vor. Das ist ein unhaltbarer Zustand und unverantwortlich. Wir dürfen nicht an der Vergangenheit festhalten, sondern müssen die Zukunft aktiv gestalten.
Die Reform der Psychiatrie ist in den letzten 50 Jahren deshalb vorangekommen, weil von Anfang an viele Menschen erkannt haben, dass die Gesellschaft ihre psychisch kranken Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht weiter so inhuman behandeln darf. Die großen Landeskrankenhäuser sind in eine differenzierte Angebotsstruktur überführt worden. Den Patientinnen sowie Patienten sind neuartige Medikamente und eine ausgeprägte psychosoziale Betreuung zugänglich gemacht worden. Das Neue, das Moderne muss gefördert, das Alte, das Überholte überwunden werden. Das ist eine riesige Kraftanstrengung und auch bis heute noch längst nicht abgeschlossen.
Nun ist eine Reform des gesamten Gesundheitssystems überfällig. Die Organisation muss an die Möglichkeiten der Medizin angepasst werden. Das Gebot der Stunde lautet: nicht schließen, sondern reformieren. Wer ambulant behandelt werden kann, wird auch ambulant behandelt. Wenn digitale Medizin hilft, setzen wir sie ein. Wir verbinden uns per Telemedizin mit den Exzellenzzentren weltweit. Unser Motto muss lauten: moderne Medizin überall!