Orientierungswert

Gut gedacht, aber zu kurz gesprungen

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Gut gedacht, aber zu kurz gesprungen

Jetzt ist die Katze also aus dem Sack: Die von Gesundheitsminister Lauterbach als „Revolution“ angekündigte Krankenhausreform bleibt aus. Die von der Regierungskommission zur Krankenhausversorgung vorgestellten Vorschläge haben nicht das Zeug dazu, die dringend notwendigen Reformen im Gesundheitswesen durchzusetzen, sondern bleiben auf halbem Wege stehen.

Das ist nur teilweise die Schuld der beteiligten Experten, denen ich ihren guten Willen, ihre große Fachkompetenz und manch gute Idee gar nicht absprechen will. Aber die vorgelegten Vorschläge werden nichts daran ändern, dass die Qualität der Gesundheitsversorgung hochgradig gefährdet ist, die Finanzierbarkeit nicht langfristig gesichert und existenzielle Probleme wie der Personalnotstand sich weiter verschärfen. Die ungute Kombination aller Problemfelder sehen wir aktuell in der teils dramatischen Lage in unseren Kinderkliniken.  

Es ist immer leicht und gerade in der Gesundheitspolitik ein bewährter Reflex, auf Strukturveränderungen mit Kritik und teilweise mit Häme zu reagieren. Daher sage ich ganz ausdrücklich: Die Analyse der aktuellen Situation im deutschen Krankenhauswesen von Prof. Lauterbach ist zutreffend. Unser Gesundheitssystem ist zu sehr von Partikularinteressen und einer Ökonomisierung getrieben, die Fehlanreize statt gerechte Lastenverteilung schafft. Die Schere aus Unterversorgung bei weniger gut vergüteten Leistungen und Überversorgung bei gut vergüteten Leistungen wird immer größer.

Eine faire Leistungshonorierung ist mit dem bestehenden DRG-System alleine nicht möglich. Die Krankenhäuser müssen raus aus dem Hamsterrad der Fallzahlen und der Codierungsoptimierung. Das alles ist absolut richtig. Allein: Es fehlt die ganzheitliche Betrachtung. Denn es ist schlicht unmöglich, die Krankenhäuser isoliert als – wenn auch zentralen – Bestandteil des Gesundheitswesens zu reformieren, ohne das gesamte System zu überarbeiten. Vor allem aber fehlt Verbindlichkeit, es fehlt ein Zielkorridor für die angestrebte Zahl von Kliniken, es fehlt an einer Strategie, wie die lähmende föderale Struktur der Krankenhausplanung überwunden, zumindest aber im Interesse eines gemeinsamen Ziels besser gemanagt werden kann.   

Denn dies ist ein Kernproblem von Lauterbachs Vorschlagswesen: Die Strukturveränderung soll nach wie vor nicht bundesweit zentral gesteuert werden, sondern weiterhin in den Händen der Bundesländer verbleiben, die jetzt – ohne vorher eingebunden zu sein – die Vorschläge zu Versorgungsleveln und Leistungsgruppen übernehmen sollen. Das Scheitern ist vorprogrammiert. Es ist doch nur logisch, dass wieder lokal- und regionalpolitische Interessen die Entscheidungen dominieren werden. Das zeigt sich auch an der Reaktion erster Länder, die bereits signalisiert haben, sich von Minister Lauterbach nicht das Zepter der landesweiten Krankenhausplanung aus der Hand nehmen zu lassen.

Ein weiteres Defizit der vorgelegten Vorschläge ist, dass Prof. Lauterbach zwar die ineffiziente Struktur des Gesundheitswesens treffend erkennt, dieser aber ein System entgegensetzt, das auf einen Bürokratie-Dschungel aus Vorhaltefinanzierung, Versorgungsleveln und Leistungsgruppen hinausläuft. Den Beleg für die Komplexität liefern die Experten gleich mit: Eine Umstellungsphase von fünf Jahren, in denen sich alle auf das neue Finanzierungssystem einstellen sollen. Das zeugt definitiv weder von der notwendigen Geschwindigkeit noch von Vertrauen in die Erneuerungskraft der Kliniken. Worauf werden sich die Häuser in dieser üppigen Zeitspanne konzentrieren? Die Erfahrung der Umstellung auf das DRG-System vor knapp 20 Jahren lehrt: Doch eher auf das Finden von Lücken und Nischen, die einen auskömmlichen Krankenhausbetrieb ermöglichen – egal, ob dieser für ein Gesamtsystem zur medizinisch und ökonomisch optimalen gesundheitlichen Versorgung sinnvoll ist, oder nicht. 

Aber es geht bei weitem nicht nur um Geld. Stichwort Digitalisierung: Prof. Lauterbach analysiert wieder treffend: Deutschland hat „10 Jahre Rückstand bei der Digitalisierung“.  Wir brauchen nicht nur Aktivitäten in den Kliniken und das Bekenntnis des Managements zur unumgänglichen digitalen Transformation. Wir brauchen begleitend und unterstützend auch eine Digitalisierungsoffensive des Bundes, die über die Gesundheitsversorgung hinausreicht und alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Am besten ausgestattet mit einem Sondervermögen, das ausreicht, um in einer Dekade den digitalen Rückstand aufzuholen. Das wäre mal ein Ziel, das Beine macht und Kräfte freisetzt. Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Treffend analysieren allein reicht nicht.

Autor

Prof. Dr. Jochen A. Werner

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