Nicht erst seit der Krankenhausprivatisierung in den 1990er Jahren gibt es die Debatte, ob und wie viel privates Kapital von welcher Art von Investoren im Gesundheitswesen investiert werden soll und darf. Diese Diskussion ist nun wieder ganz oben auf der gesundheitspolitischen Agenda. Ein Blick beispielsweise in das Wahlprogramm der amtierenden Kanzlerpartei will ein Ende der „Kommerzialisierung im Gesundheitswesen“ […]. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend und weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen“.
Parallel dazu ist landauf, landab bekannt, dass Deutschland in vielen Bereichen ein Investitionsdefizit aufweist – in der analogen wie auch der digitalen Infrastruktur. Konkret im Krankenhaussektor diskutieren wir seit Jahrzehnten über die Probleme der ungenügenden dualen Fördermittel. Die dort bevorstehenden Strukturreformen werden diesen Bedarf nochmals deutlich erhöhen. Denn neue, zentrierte (stationäre) Versorgungsstrukturen auf der einen Seite, ebenso wie mehr stationsersetzende (ambulante) Leistungserbringung auf der anderen Seite, brauchen viel Investitionskapital, unter anderem in die bauliche wie auch technologische Infrastruktur.
Hier alleine auf öffentliches Geld von Bund und Ländern zu setzen wäre – gerade in Anbetracht der aktuellen konjunkturellen Lage und dem perspektivischen Festhalten an der Schuldengrenze – wohl kaum realistisch. So zeigen auch die aktuellen Diskussionen im Rahmen des GKV-FinG, dass der Finanzminister nicht jede Idee aus dem BMG finanzieren will und kann. Bei den Ländern sieht es nicht viel anders aus als beim Bund: Kein Wunder, betrachtet man die Fülle der anstehenden Aufgaben. Auch wenn alle nach dem Staat rufen, wird es ohne privates Kapital wohl kaum funktionieren. Dieses Kapital verlangt allerdings – der ökonomischen Logik folgend – nach einer angemessenen Verzinsung bzw. Rendite. Doch was ist angemessen? Zum einen wäre es sicherlich nicht gut, das deutsche Gesundheitswesen vom Kapitalzufluss abzuschneiden und somit die Investitionen für den so dringend benötigten Strukturwandel zu unterlassen. Zum anderen ist aber auch zu beobachten, dass immer mehr Investoren, die bis dato noch nicht im Gesundheitswesen aktiv waren – und dazu teilweise auch keinerlei Bezug haben – nun vor allem in den ambulanten Versorgungsbereich drängen. Hier fallen die Einschätzungen sehr unterschiedlich aus, überwiegend bestehen jedoch eher Vorbehalte. Wieso ist dem so? Im Mittelpunkt steht die Angst, dass „marktfremde“ Investoren auf der Suche nach schneller Rendite in den Markt dringen, Rosinenpicken betreiben und durch eine Art „ruinösen Wettbewerb“ oligopolistische Marktkonstellationen etablieren, die dann ex post für alle negativ sind.
Dergleichen Sorgen und Befürchtungen sollten ernst genommen werden. Sicherlich will niemand ein Heuschrecken-Investment in einem so sensiblen und solidarisch finanzierten Bereich wie dem Gesundheitswesen. Deswegen greift der Staat auch regulierend in den Markt ein. Es ist an uns, Spielregeln aufzustellen, die wir uns für privates Kapital im Gesundheitswesen wünschen.
Diese müssen so ausgestaltet sein, dass sie gesellschaftlich akzeptiert und pragmatisch umzusetzen sind, die Versorgung verbessern – aber dennoch für Investoren einen Anreiz bieten, mitzumachen. Oberziel ist eine Regulierung der Art, dass zum einen Investitionen auskömmlich stattfinden, dadurch aber eine bedarfsgerechte Versorgung, eine hohe Qualität der Versorgung,
Effizienz bei der Leistungserbringung, Gerechtigkeit gegenüber den Leistungserbringern sowie Fairness gegenüber den Kostenträgern hergestellt wird. Doch kann dies gelingen? Im Kern ist dies das im §1 des IHK-Gesetzes genannte Prinzip des ehrbaren Kaufmanns („Die Industrie- und Handelskammern haben (…) für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“), an dem sich auch das Gesundheitswesen orientieren sollte.
Aber auch die Überlegungen des griechischen Philosophen Aristoteles können hier als Anleihe dienen: Ein „gerechter“ Preis für ein zur Verfügung gestelltes Gut – und somit auch die Rendite für zur Verfügung gestelltes Kapital, soll demnach die Kosten der Produktion decken, die Schwere der Arbeit und unter anderem die Abgeltung positiver Verantwortung berücksichtigen. Vielleicht können auch dergleichen Gedanken helfen, sich gesellschaftlich auf einen Rahmen zu einigen, in dem private Investitionen im Gesundheitswesen stattfinden können und sollen.
Sicherlich spielt auch der Zeithorizont eine bedeutende Rolle. Nachhaltiges Investment, welches nicht auf schnelle Renditen, sondern auf langfristige Gewinne setzt, hat a priori einen Anreiz, beispielsweise im Kontext von regionalen Gesundheitsbudgets in Prävention zu investieren. Hier ergeben sich Effekte oftmals erst mit einer längeren Laufzeit. Das ist aber genau das, was wir uns erwarten: Renditen durch eine neue, ressourcenschonende Versorgung, die darauf abzielt, Gesundheit zu erhalten.
Es ist an uns, die Spielregeln so aufzustellen, damit ehrbare Kaufleute in das System investieren und eine Rendite erzeugt wird, die Kapitalgebern wie Kapitalnehmern – sprich dem System, zum Vorteil gereichen. Es geht daher nicht um die Frage nach „gutem oder bösem Kapital, nicht um ein JA oder NEIN, sondern wir immer in der Gesundheitsökonomie um das Setzen richtiger Anreize und Regeln – die jedoch nicht wie in der Vergangenheit zu komplex, sondern klar und pragmatisch erfolgen müssen.