1998 gab es mehr als 8.000 bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit als arbeitslos gemeldete Ärztinnen und Ärzte. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Ärztekammer Hamburg habe ich in einer Pressekonferenz eine Aktion vorgestellt, die die Betroffenen an norwegische Gesundheitseinrichtungen vermittelte. Derzeit können wir uns so etwas längst nicht mehr vorstellen. Während vor 25 Jahren Krankenhäuser noch aus 200 Bewerbungen auf eine Weiterbildungsstelle auswählen konnten, kommt es heute schon mal vor, dass der einzige Interessent dem verdutzten Leitenden Arzt am Ende des Kennenlerngespräches mitteilt, auf Grund der Beschreibung der Assistenzarztstelle käme er – der Chef - „in die engere Wahl“. Bei den Pflegenden sieht es nicht besser aus. Qualifiziertes Personal ist inzwischen der entscheidende Wettbewerbsfaktor. Deshalb betreiben aktuell auch immer mehr Gesundheitsunternehmen eine aktive Personalarbeit. Das war nicht immer so.
Als ich 1992 Vorstand eines Krankenhausunternehmens wurde, habe ich bei meinen Besuchen in unseren zehn Häusern die Personalabteilungen nicht selten in den Kellern angetroffen. Im Zentrum der Aktivitäten stand damals die Verwaltung von Personalakten. Da sind wir gegenwärtig natürlich schon besser dran, Nachholbedarf gegenüber anderen Branchen besteht aber trotzdem. Zwar sind eine Reihe von Kliniken dabei, für ihren Betrieb eine Arbeitgebermarke zu entwickeln, trotzdem setzen immer noch viele Akteure ausschließlich auf die intrinsische Motivation ihrer Beschäftigten. Das ist fahrlässig.
Wichtig ist in den Gesundheitsunternehmen, wie in anderen Betrieben auch, ein Bündel von Maßnahmen, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes nachhaltig zu verbessern. Dazu zählen die sorgfältige Strukturierung der Arbeitstätigkeiten und der -zeiten genauso, wie die technische Unterstützung. Wer privat die Segnungen der Digitalisierung selbstverständlich zur Erleichterung des Alltags nutzt, wird kein zufriedener Arbeitnehmer werden, wenn ihm im Krankenhaus bei Arbeitsbeginn Karopapier, Bleistift und Radiergummi in die Hand gedrückt werden. Sich als innovatives Krankenhaus zu präsentieren, wird zunehmend wichtiger im Kampf um die Talente.
Personalverantwortliche dürfen zudem keinesfalls einfach hinter dem Schreibtisch sitzend auf Bewerbungen von Interessenten warten. Im Gegenteil: Ihre Gesundheitsbetriebe müssen sich mit Nachdruck um Arbeitskräfte bemühen. Aus Arbeitgebermärkten vergangener Tage sind längst Arbeitnehmermärkte geworden. Die Krankenhäuser müssen sich bei den künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerben. Sie müssen mit ihren Vorzügen punkten und dabei die veränderten Erwartungen der Beschäftigten erfüllen. Recruiting kann deshalb nicht mehr wie früher „nebenbei“ erledigt werden. Die weitere Professionalisierung der Personalarbeit steht ganz oben auf der Tagesordnung.
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Variable Vergütung und ihre Effekte: Finanzielle Anreize für ärztliches Personal in Krankenhäusern sind weit verbreitet. Über deren Wirkung wird stark diskutiert. Eine repräsentative Umfrage zeigt überraschende Ergebnisse: Etwa, dass Ärzte bestimmte Kennzahlen bewusst ignorieren – auch wenn ihre Vergütung davon abhängt.
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