Der Bundestag hat erstmals über den Gesetzentwurf zur Reform der ambulanten Notfallversorgung debattiert. Diese Reform ist aufgrund von Bund-Länder-Streitigkeiten seit rund zehn Jahren in der Schwebe. Nach dem aktuellen Entwurf sollen die Rufnummern 112 und 116117 digital vernetzt und integrierte Notfallzentren (INZ) flächendeckend eingerichtet werden. Wesentliches Element des INZ wird die Ersteinschätzungsstelle. Hier würden Patienten mit Hilfe eines standardisierten Verfahrens in die passende Versorgung vermittelt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte in der Parlamentsdebatte, dass geschätzt rund 30 Prozent der Patienten in einer Notaufnahme eigentlich nicht ins Krankenhaus gehörten.
Auch eine Reform des Rettungsdienstes hat die Ampelkoalition versprochen, allerdings steht sie noch nicht im Entwurf. "Die Reform des Rettungsdienstes wird kommen. Sie wird in Form von Formulierungshilfen und Änderungsanträgen in den Gesetzentwurf der Notfallreform eingebacht. Den Gesetzgebungsprozess schließen wir noch in diesem Jahr ab", erklärte dazu Janosch Dahmen, der für die Grünen im Bundestag sitzt, und den Gesetzentwurf maßgeblich mitgestaltet hat. Die Notfallreform sei ein ganz zentraler Reformbaustein, unterstrich Dahmen. Sie sei nichts, was sich für Parteienstreit eigne. Dafür sei das Thema zu wichtig, so Dahmen. Er verwies auf die langen Wartezeiten, die viele Patienten erleben, wenn sie über die Notfallnummern Hilfe suchen. Die Reform eine "fachgerechten Hilfe" sicher, versprach Dahmen. Auch Oppositionspolitiker Tino Sorge (CDU) erklärte, es seien "viele gute Dinge in der Reform" enthalten – vor allem wenn es um die Patientensteuerung geht. Er forderte aber Korrekturen an verschiedenen Stellen. So macht es aus seiner Sicht wenig Sinn, ein Rund-um-die-Uhr-Angebot von Notaufnahmen und Kassenärzten nebeneinander laufen zu lassen.
KBV warnt vor Doppelstrukturen
Dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) im Rahmen des Sicherstellungsauftrags dazu verpflichtet werden, einen 24/7-Fahrdienst für die Akutversorgung bereitzustellen, kritisierte die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit deutlichen Worten. "Das ist weder versorgungsnotwendig noch wirtschaftlich und personell umsetzbar", monierte KBV-Chef Andreas Gassen in einer Mitteilung. "Der Betrieb eines solchen Notdienstes während der Praxisöffnungszeiten schafft zudem Doppelstrukturen, die wir uns angesichts der ohnehin knappen Personalressourcen unter keinen Umständen leisten können – von der mangelhaften Finanzierung ganz zu schweigen." Außerdem sei der Entwurf "nur so durchzogen von zusätzlicher Bürokratie und unrealistischen Fristen".
VUD begrüßt Präzisierung des KBV-Auftrags
Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) begrüßte hingegen die "Konkretisierung des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen". Der Verband findet es außerdem sinnvoll, die Integrierte Notfallfallzentren (INZ) an ausgewählten Krankenhäusern anzusiedeln und diesen die Federführung zuzuweisen. "Krankenhäuser mit den G-BA-Notfallstufen 2 und 3 sollten dabei explizit gesetzt sein", so der Verband.
AOK Rheinland rückt Pflegebedürftige in den Blickpunkt
Die AOK Rheinland unterstrich, wie wichtig die Verknüpfung der Rufnummern von Rettungsdienst (112) und Bereitschaftsdienst (116117) ist. Denn allzu oft würden heute kleine Probleme mit maximalem Rettungsmitteleinsatz gelöst. Wesentliche Gestaltungsfragen würden aber auch auf regionaler Ebene liegen, hier gebe es gute Ansätze, die die Politik aufgreifen könne. Ein Beispiel sei der Umgang mit akuten Versorgungssituationen in Pflegeheimen. "Telemedizinische Lösungen helfen beim Versorgungsmodell ,VisitON‘, gemeinsam mit Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Haus- und Fachärzt:innen abzuklären, was wirklich erforderlich ist", erklärte AOK-Rheinland-Chef Matthias Mohrmann.