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Krankenhaus: HR im Teufelskreis

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Krankenhaus: HR im Teufelskreis
© Getty Images/Radachynskyi

Zu wenig Personal, geringe Digitalisierung und zersplitterte Zuständigkeiten: Unterbesetzte oder fehlorganisierte Personalbereiche sind in deutschen Krankenhäusern ein unterschätztes Betriebsrisiko.

Die wirtschaftliche Lage deutscher Kliniken ist dramatisch: Rund 80 Prozent sind defizitär. Sanierungsberater gehören vielerorts zum Alltag und verursachen zusätzliche Kosten. Während die öffentliche Debatte Investitionsmittel, Fallpauschalen und Leistungsgruppen fokussiert, bleibt ein zentraler Erfolgsfaktor im Schatten: das Personalmanagement. Genau hier zeigt sich ein doppeltes Problem. Der Fachkräftemangel belastet die Versorgung und die Organisation der Personalbereiche verhindert oft, dass gegengesteuert werden kann.

Personal ist mit rund zwei Dritteln der Gesamtausgaben der mit Abstand größte Kostenblock im Krankenhaus. Gleichzeitig hängt die Versorgungssicherheit direkt davon ab, ob Kliniken genügend qualifizierte Mitarbeitende gewinnen, binden und entwickeln können. Die Kienbaum/Kranz-Studie 2025 zeigt erstmals im Benchmarking: Die Personalbereiche in Krankenhäusern sind strukturell unterfinanziert, organisatorisch zersplittert und digital abgehängt – ein unterschätztes Betriebsrisiko für die gesamte Einrichtung. 

Fachkräftemangel ist das größte Betriebsrisiko

Der Fachkräftemangel ist längst nicht mehr nur eine Herausforderung für das Personalwesen. Stationen bleiben geschlossen, OP-Kapazitäten werden reduziert, ganze Leistungsbereiche eingeschränkt. Doch der Engpass ist nicht nur ein Marktproblem, er ist hausgemacht. Bereits vor 15 Jahren wurde in einer deutschen Universitätsklinik der Fachkräftemangel erstmals als Betriebsrisiko im Risikobericht geführt – mit der Einstufung „existenzgefährdend“ und einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 100 Prozent. Heute steht diese Klinik in Rankings unter den beliebtesten Arbeitgebern Deutschlands, weil sie frühzeitig Strukturen und Strategien angepasst hat. Andere Häuser kämpfen weiter mit denselben Problemen wie damals.

Die Erfahrungen aus über 50 begleiteten Klinik-Personalbereichen zeigen: Fehlende Ressourcen, fragmentierte Zuständigkeiten und mangelhafte Digitalisierung verhindern, dass Personalbereiche ihre eigentliche Steuerungsfunktion wahrnehmen können.

Zersplitterte Zuständigkeiten erhöhen das Risiko

Ein zentrales Problem ist die zersplitterte Aufgabenverteilung in vielen Kliniken:

 

Recruiting in der Pflegedirektion, Personalentwicklung als Stabsstelle, Personalcontrolling im Finanzbereich, Personalmarketing in der Unternehmenskommunikation, Gehaltsabrechnung bei externen Dienstleistern, Arbeitsrecht in der Rechtsabteilung. Die Folge: Niemand trägt die Gesamtverantwortung für die Personalfunktion. Entscheidungswege werden lang, Verantwortlichkeiten unklar, und die Steuerungsfähigkeit leidet massiv.

Bei einem Maximalversorger war die Aufspaltung so weit getrieben, dass es neben der zentralen Personalabteilung noch einen eigenen „Pflege-Personalbereich“ gab – inklusive eigenem Personalchef. Die Folge: unübersichtliche Strukturen, tariflich nicht abgesicherte Sonderregelungen und arbeitsrechtlich fragwürdige Vergütungsbestandteile. Solche Schnittstellen verursachen nicht nur Reibungsverluste, sondern verdoppeln teils die Kosten, wenn zwei Bereiche dasselbe betreiben.

Gleichzeitig gibt es Gegenbeispiele: Manche Häuser haben für die Pflege bewusst eigene HR-Ansprechpartner geschaffen, die eng mit der Pflegedirektion arbeiten – integriert, nicht getrennt. Entscheidend ist also nicht, wer HR-Aufgaben bearbeitet, sondern wer die Gesamtsteuerung innehat.

50 % weniger Personal und weniger Digitalisierung

Ein weiteres Ergebnis: Die Personalausstattung in den HR-Bereichen liegt 50 Prozent unter dem Branchendurchschnitt – bei zugleich deutlich geringerem Digitalisierungsgrad. Während Industrieunternehmen längst durchgängig digitale Tools für Recruiting, Onboarding oder Personalcontrolling einsetzen, müssen Kliniken viele Prozesse manuell bewältigen.

Ein Beispiel aus der Praxis: In einer Universitätsklinik wird seit mehr als zehn Jahren versucht, eine elektronische Personalakte einzuführen. Drei Projektanläufe wurden begonnen, zwei scheiterten an fehlendem Budget, einer an der Mitbestimmung. Paradox dabei: Auf der medizinischen Seite gehört dieselbe Klinik zu den Vorreitern der Digitalisierung. Für das medizinische Fachpersonal bedeutet das ein Leben in zwei Welten: digitalisierte Spitzenmedizin für die Patient:innen, handschriftliche Urlaubsanträge für die eigene Arbeit.

Die Personalabteilungen trifft keine Schuld – und doch die Verantwortung

Die Ursachen liegen nicht primär bei den HR-Abteilungen selbst, und auch nicht bei den Geschäftsführungen oder Vorständen. Enge finanzielle Rahmenbedingungen zwingen Kliniken, Ressourcen zu priorisieren. Hier fällt der Personalbereich oft hintenüber. 

So entsteht ein Teufelskreis: Unterbesetzte HR-Abteilungen können kaum Innovationen anstoßen, Digitalisierungsprojekte bleiben liegen, vakante Stellen schwächen die Steuerungsfähigkeit zusätzlich. Der Fachkräftemangel macht auch vor den Personalabteilungen nicht halt. Die rückständigen Arbeitsbedingungen in den Personalbereichen machen die Arbeitsplätze für qualifizierte Personaler unattraktiv. Da hilft auch der maximale Purpose nicht.

Ein blinder Fleck: Management der Langzeiterkrankten

Besonders deutlich zeigt sich dieser Teufelskreis beim Thema langzeitlich erkrankte Mitarbeitende. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben, wird das systematische Management in vielen Kliniken nicht ausreichend priorisiert – oft wird es nebenbei erledigt. Dabei betrifft es nicht selten mehr als zehn Prozent der Belegschaft. Auch hierzu ein Beispiel aus der Praxis: In einem Maximalversorger wurden vor Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements rund 400 Langzeiterkrankte gezählt. Nach einer genaueren Erhebung und Einbindung der Führungskräfte lag die Zahl tatsächlich bei 750 Mitarbeitenden. Ein enormer wirtschaftlicher Faktor und zugleich ein Beispiel dafür, dass fehlende Strukturen sowohl Kosten als auch soziale Verantwortung betreffen.

Was Kliniken jetzt konkret tun müssen

Aus der Analyse ergeben sich fünf zentrale Handlungsfelder – vier für die Träger und eines für die Politik:

Ressourcen realistisch bemessen

HR darf nicht länger pauschal unterfinanziert werden. Die Ausstattung muss sich auf einer Zeitschiene am Digitalisierungsgrad und an den anstehenden Projekten orientieren. 

Zersplitterte Zuständigkeiten bündeln

Recruiting, Personalentwicklung, Controlling und Marketing gehören grundsätzlich in eine integrierte HR-Struktur. Nur so lassen sich Prozesse effizient steuern und Doppelarbeit vermeiden. Um ein Gesamtbild zu erhalten, sollte in einem ersten Schritt die Anzahl der Mitarbeitenden ermittelt werden, die in den verschiedenen Bereichen der Klinik Personalfunktionen ausüben, also auch in denjenigen Bereichen, die nicht zum klassischen Personalbereich zählen. 

Prozesse konsequent digitalisieren

Kliniken brauchen auch für den Personalbereich eine Roadmap für durchgängige digitale und KI-unterstützte HR-Prozesse – vom Onboarding bis zur Dienstplanung. So entstehen Kapazitäten für strategische Aufgaben und Führung. Aus dem Bau-Bereich kennen Kliniken seit langem "Masterplan Bau", die Entwicklung der baulichen Situation und die hierzu erforderlichen Ressourcen und Finanzen über lange Zeiträume festschreibt. Für die Digitalisierung der Personalbereiche ist ein korrespondierender "Masterplan Personal" zu entwickeln.

HR auf Ebene der Geschäftsleitung platzieren

Wenn Personal das größte Risiko und zugleich der wichtigste Erfolgsfaktor ist, braucht es eine Stimme auf Vorstandsebene – analog zu Medizin und Finanzen. Einige Klinikträger haben hier bereits reagiert und Personalvorstände installiert. Andere müssen diesen Schritt dringend nachholen. Hierzu sind Satzungen und gegebenenfalls Rechtsverordnungen, welche die Satzung regeln (Uniklinika), zu ändern.

Krankenhausfinanzierung um HR erweitern

Die Finanzierung des Krankenhauswesens konzentriert sich seit Jahren auf Gebäude, Technik und medizinische Berufsgruppen. Die Ausstattung der Personalbereiche wird bislang nicht berücksichtigt – obwohl sie entscheidend ist, um den Fachkräftemangel zu bewältigen. Hier braucht es auch eine politische Korrektur. 

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist kein Arbeitsmarktphänomen, sondern ein strukturelles Risiko, das aus den Kliniken selbst entsteht. Unterbesetzte HR-Abteilungen, fehlende Digitalisierung und zersplitterte Zuständigkeiten gefährden nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch die Versorgungsqualität.

Der Engpass im Krankenhaus ist nicht die medizinische Leistungsplanung, sondern das verfügbare und motivierte Personal. Kliniken, die HR strategisch stärken, sichern ihre Zukunftsfähigkeit – und letztlich die Versorgung von Millionen Patientinnen und Patienten.

 

Die Studie „Benchmarking und Herausforderungen der HR-Funktion im Klinikumfeld“ wurde von Kienbaum und NKC | HealthCare 2024 und 2025 durchgeführt. Insgesamt haben sich 74 Krankenhäuser (Universitätskliniken, Maximalversorger, kommunale Häuser) beteiligt. Angefragt waren 130 Kliniken, die Rücklaufquote betrug 57 Prozent. Die Studie beinhaltet ein Benchmarking von HR-FTEs, dem Digitalisierungsgrad, von Organisationseinheiten sowie Zuständigkeiten und strategischer Einbindung.

Autoren

Dr. Nicolai Kranz
Prof. Dr. Walter Jochmann

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