Man könnte glauben, zur MVZ-Thematik ist schon alles gesagt. So omnipräsent ist das Thema derzeit, das es fast nervt. Aber der einseitige Fokus auf die Debatte um nichtärztliche Träger, und darauf, ob und wie man deren Aktionsradius einschränken sollte, verhindert den Blick auf das Alltagsgeschäft vieler MVZ, von denen weit über 90 Prozent von der "Investorendebatte" weder berührt, noch gemeint sind.
Behandlungsfallzählung als Honorargrundlage bedeuten Nachteil für MVZ
Werfen wir also einen Blick auf diese große Gruppe und deren Herausforderungen: Völlig unbeachtet von der Öffentlichkeit sind hier seit Jahr und Tag die Effekte der Behandlungsfallzählung als Honorargrundlage, die für fachübergreifende Praxen ernsthaften, weil wirtschaftlich relevanten strukturellen Nachteil bedeuten. Glauben Sie nicht, denn es gibt ja den Kooperationszuschlag, also ein Honorarzusatz extra für MVZ? Denken Sie noch einmal nach: Trauen Sie den notorisch geizigen Kassen und den noch nie sonderlich MVZ-freundlichen KVen ernsthaft eine EBM-Regelung zu, die MVZ seit inzwischen 13 Jahren ein Extra-Honorar bescheren würde?
Fakt ist, dass dem Bewertungsausschuss mit Einführung der Behandlungsfallzählung klar war, dass die derart erzeugte Strukturbenachteiligung bei fachübergreifender Kooperation so groß ausfällt – und zwar umso größer, je mehr Fachrichtungen innerhalb des MVZ oder der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) beteiligt sind – dass eine finanzielle Kompensation unausweichlich war. Et voilá: Geboren war der Kooperationszuschlag – ein Euphemismus, dessen Erfinder durchaus einen Preis für die nachhaltigste Sprachverwirrung in der vertragsärztlichen Versorgung verdient (gut, vielleicht noch getoppt vom Begriff "Bedarfsplanung" – aber geschenkt …)
Zusatzhonorar für eine Leistung schließt MVZ aus
Der sogenannte "Zuschlag" ist real nichts anderes, als ein höchst unvollständiger Nachteilsausgleich, dessen Höhe im Laufe der Jahre im übrigen KV-regional vielerorts immer weiter abgesenkt wurde. Ohne ins Jammern verfallen zu wollen: Das bedeutet effektiv für alle kooperativen Strukturen, gerade wenn sie tun, was sie am besten können – sprich im Sinne des Patienten fachübergreifend zusammenarbeiten – eine permanente und wirtschaftlich relevante Schlechterhonorierung gegenüber Einzelärzten.
Den Mechanismus zu erklären, führte hier zu weit. Aber praktisch hängt alles damit zusammen, dass ein MVZ und alle zugehörigen Ärzt:innen stets als eine Praxis gezählt werden. Das bedeutet – um einmal aktuell zu werden – im Fall der seit Jahresbeginn geltenden Boni für die schnelle Terminvermittlung durch Hausärzte, dass MVZ ausgeschlossen sind. Denn der Bonus hängt davon ab, dass Patient von Praxis A in Praxis B geschickt wird – was faktisch innerhalb eines MVZ nicht geht, weil alle Ärzte aller Fachrichtungen honorarrechtlich zu Praxis A gehören.
Die größte Frechheit ist dabei nicht einmal das ausbleibende Zusatzhonorar für eine Leistung, die eigentlich ohnehin selbstverständlich sein sollte. Das sind MVZ seit 2009 leider mehr oder weniger gewöhnt, da die Behandlungsfallorientierung sie auf sehr vielen Ebenen diskriminiert.
Wirklich dreist ist vielmehr, dass es für diese Leistung der zahlreichen MVZ, die dennoch kooperieren, weder Respekt noch überhaupt Bewusstsein gibt. Label der M-V-Z-Debatte ist stattdessen die "absolute Profitgier" und "Hamsterradmedizin" (O-Ton Karl Lauterbach). Vielleicht sollte das politische Berlin hier seinen Blick auf MVZ bei Gelegenheit einmal nachjustieren?!