Die Patientenperspektive gewinnt im Gesundheitswesen an Bedeutung. Entscheidend für einen echten Paradigmenwechsel ist, wie sie zukünftig in patientenindividuelle Behandlungsentscheidungen einfließt, sagt Jared Sebhatu.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wird derzeit viel über Patientenorientierung im Gesundheitswesen diskutiert. Elektronische Patientenakten, Patientenportale und digitale Gesundheitsanwendungen gelten als zentrale Werkzeuge, um den Patienten stärker in den Fokus zu rücken.
Diese Instrumente allein reichen jedoch nicht aus, um eine wirklich patientenzentrierte Versorgung zu gewährleisten: Die grundlegenden Strukturen des Gesundheitssystems sehen vor, dass Leistungserbringer medizinische Leistungen erbringen und Kostenträger die Kosten tragen. Der Patient bleibt in diesem Prozess häufig ohne maßgeblichen Einfluss auf Bewertung und Vergütung der erbrachten Leistungen.
Behandlungsergebnis aus Sicht der Patienten erfassen
Hier setzt das Konzept der werteorientierten Gesundheitsversorgung – Value-Based Healthcare (VBHC) – an. Ziel ist es, den Wert medizinischer Versorgung systematisch aus Sicht der Patienten zu erfassen und in die Versorgungssteuerung zu integrieren.
Zentrales Instrument sind sogenannte Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) – standardisierte Fragebögen, die das individuelle Behandlungsergebnis aus Patientensicht erfassen. PROMs ermöglichen somit eine objektivierte sowie vergleichbare Bewertung der Versorgungsqualität über Fachbereiche und Sektoren hinweg.
In Deutschland nimmt die Bedeutung patientenberichteter Ergebnisse stetig zu. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) entwickelt bereits seit mehreren Jahren indikationsspezifische PROMs. Die Regierungskommission sprach sich 2023 für eine verpflichtende Erhebung solcher Daten an allen Krankenhäusern aus. PROMs sind zudem Bestandteil von Qualitätsverträgen, in deren Rahmen die Behandlungsqualität zwischen Krankenhäusern sowie Kostenträgern gezielt vereinbart und evaluiert wird.
Erste Versorger setzen PROMs proaktiv in einigen Fachbereichen ein. So hat Asklepios bereits Initiativen in der Geburtshilfe, Orthopädie oder Psychiatrie gestartet und plant eine weitere Ausweitung.
PROMs sinnvoll nutzen
Wie bei vielen innovativen Ansätzen liegt die zentrale Herausforderung jedoch nicht allein in der Erhebung, sondern in der sinnvollen Nutzung der Ergebnisse im klinischen Alltag. Nur wenn Patienten den Eindruck haben, dass ihre Rückmeldungen tatsächlich Einfluss auf die Versorgung nehmen, werden sie bereit sein, diese regelmäßig und verlässlich zu geben.
Die entscheidende Frage lautet daher: Wie gelingt es, die Patientenperspektive wirksam in Therapieentscheidungen und Versorgungsgespräche einzubinden?
Erst wenn PROMs über die reine Berichtspflicht hinausgehen und nicht nur der grundsätzlichen Qualitätsentwicklung dienen, sondern auch individuelle, patientenzentrierte Entscheidungen unterstützen, rückt der Patient tatsächlich in den Mittelpunkt des Gesundheitssystems.


