Endlich deregulieren und den Kliniken mehr Gestaltungsspielraum geben, die Finanzierung der Strukturreform anders lösen, mehr digitalisieren und ran ans Pflegebudget: Das fordern die Kandidaten der Spitzenrunde zu Beginn des DRG-Forums.
Da werde gerade sehr engagiert diskutiert. So beschreibt Edgar Franke (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Status quo im Leistungsgruppenausschuss.
Was nun mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz passiert und was der Leistungsgruppenausschuss gerade verhandelt, hatte Moderator Florian Albert, Chefredakteur im Bibliomed Verlag, Franke gefragt. Der Ausschuss setzt sich aus Ländern, BMG und Selbstverwaltung zusammen und müsste eigentlich Ende März Ergebnisse liefern. Doch bislang gibt es noch nichts.
Weniger Vorgaben, mehr Gestaltungsspielraum
Bis zum Sommer soll das Ergebnis vorliegen, so Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG.
„Die Länder können nicht weiter so wurschteln wie bisher“, sagte Franke. „Wir brauchen eine Reform, die die Versorgungsqualität erhöht, aber auch einen effizienten Einsatz von Personal.“
Der entscheidende Beitrag zu mehr Effizienz wäre eine umfassende Deregulierung, so Gaß. Das würde er sich wünschen: weniger Vorgaben, dafür mehr Gestaltungsspielraum für die Häuser. „Das wäre ein noch größerer Beitrag als der Inflationsausgleich.“
Stoff-Ahnis fordert eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik
Ehrlichkeit fiel gleich zweimal als Stichwort auf dem Podium in der Eröffnungsrunde des DRG-Forums: Mehr Ehrlichkeit beim Thema Finanzierung der Strukturreform – also wenn es um den Transformationsfonds geht – forderte Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied des Vorstands, GKV-Spitzenverband.
Bisher sollen die Gesetzlichen Krankenkassen über 50 Prozent der Kosten tragen. Dabei ist die finanzielle Lage der Gesetzlichen Krankenkassen schon jetzt dramatisch. Man brauche jetzt eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik. „Bei der Finanzierung der Strukturreform geht es um die staatliche Verantwortung für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – das gehört für mich zur Ehrlichkeit.“
Der Fonds müsste aus Steuermitteln von Bund und Ländern finanziert werden, stimmte ihr Gerald Gaß zu. Auch Franke pflichtete bei: Noch mehr Geld von den Kassen zu nehmen, gehe nicht.
Interessant, wendete Moderator Albert ein: „Sie haben den Transformationsfonds doch maßgeblich mit aufgebaut.“ „Dass der so ist wie er ist, lag am Finanzminister“, so Franke.
Kroemer wünscht sich Reaktion auf demografischen Wandel
In einem anderem Bereich wünscht sich Heyo Kroemer zunächst mal eine ehrliche Analyse der Situation: „Unser Gesundheitssystem ist doppelt belastet durch den demografischen Wandel“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Charité Universitätsmedizin Berlin. „Darauf reagieren wir bisher aber in keiner Weise.“
Entsprechend düster seine Prognose: „In fünf bis sechs Jahren werden wir mit gewissem Amüsement auf unsere heutigen Probleme schauen. Denn wie wollen wir den demografischen Wandel im Gesundheits- und Pflegesektor in den Griff bekommen, wenn wir uns nicht heute damit beschäftigen?“
Mehr Effizienz und Entlastung durch Digitalisierung
Für Kroemer ließen sich Effizienz und Entlastung fürs Personal ganz klar mit mehr Digitalisierung erreichen: 30 Prozent der Arbeitsleistungen von Ärzten und Pflegekräfte auf den Stationen könnten durch digitale Systeme ersetzt werden.
„Da hängt Deutschland hintendran“, sagte er. „Wir sind aber auch sehr effektiv dabei, zu schauen, welche Prozesse wir durch Digitalisierung ersetzen. Das Problem ist, dass diese Investitionen nicht bezahlt werden.“ Digitalisierung im Gesundheitswesen würde helfen, die Abhängigkeit von den USA in einem wichtigen Bereich deutlich zu verringern.
Fehlanreize beim Pflegebudget abbauen
Ein weiteres Problemthema: das Pflegebudget. „Das ist der komplette Wahnsinn“, so Gaß. Denn es sei ein Anreiz, dass die Pflege genau dort verharrt, wo sie ist.
„Das Pflegebudget ist sowas von überholt“, so Stoff-Ahnis. Personaluntergrenzen brauche man schon, aber nicht diese kleinteiligen Pflegepersonalbemessungsinstrumente. „Die PPR 2.0 ist ein bürokratischer Supergau!“
Er glaube nicht, dass die große Koalition das Pflegebudget abschafft, schränkte Franke ein. Aber die Fehlanreize müsse man schon abbauen.