Am Ende war sogar das EM-Spiel Kroatien gegen Italien vom Vortag Thema bei der 66. VKD-Jahrestagung in Osnabrück: „Wird die Krankenhausstrukturreform noch in dieser Legislaturperiode kommen?“, hatte Falk Milski, Pressesprecher des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) und Moderator, in die Diskussionsrunde auf dem Podium gefragt. Er sehe sich da gerade in der 85. Minute des gestrigen EM-Spiels antwortete Michael Weber, Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte. „Hätten Sie da gedacht, dass Italien als Sieger hervorgehen würde?“ Webers Vermutung: Der Gesetzesentwurf werde durch den Bundestag gehen und dann werde man erneut ein Pokern im Bundesrat erleben. Hier komme es entscheidend auf die Stimmen der Länder an, so der VLK-Präsident in Richtung Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi.
Dieser hatte auf dem Podium bereits klargemacht, dass die Reform ohne Zweifel nötig sei, man jedoch nicht eine Schablone (wie aus Nordrhein-Westfalen) über alle Bundesländer stülpen dürfe. „An manchen Stellen und für manche sehr ländliche Regionen ist die Leistungsgruppenregelung viel zu streng. Wenn es danach ginge, hätten wir nur noch eine einzige Kinderchirurgie in Niedersachsen. Und es dürften nur noch diejenigen Kliniken neurologische Reha anbieten, die über eine eigene entsprechende Intensivstation verfügen. Da sind noch Kompromisse nötig“, sagte Philippi. Parallel zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) müsste außerdem unbedingt die Reform des Rettungswesens und der Notfallversorgung angepackt werden.
Jochen A. Werner "Eine Hektik, die mir nicht gefällt"
Realitätsferne und zu viel Druck beklagte Jochen A. Werner, der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Essen, am Reformvorhaben. „Warum machen wir keinen geordneten Zehnjahresplan für das Krankenhauswesen, der den Menschen Zuversicht gibt?“, fragte er. „Hier ist jetzt eine Hektik drin, die mir nicht gefällt.“ Dabei kommen die Unikliniken im Reformvorhaben bisher gut weg, ihre Rolle soll gestärkt werden. Doch auch für sie sei das jetzige System nicht das Beste, eine Veränderung müsse her, so Werner. „Wir haben unsere Tarifkonflikte und müssen Tag für Tag auch Betten abgeben, das ist die Realität.“ Gesundheitsminister Philippi wiederum lobte die Universitätsmedizin Göttingen, die sich zu einem hervorragenden regionalen Player entwickelt habe. „Sie nimmt ihren Auftrag wirklich wahr, auch in der Ausbildung von Allgemeinmedizinern sowie in der Versorgungsforschung.“
Berufsbild Klinikmanager soll wieder attraktiver werden
Julia Oswald von der Fakultät der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Hochschule Osnabrück benannte einen Rückgang der Bewerberzahlen im Bereich Gesundheitsmanagement. Hier gebe es Handlungsbedarf, auch in den Kliniken. „Das Berufsbild sollte wieder attraktiver werden, die Dauerkrise mit fast nicht zu bewältigenden Herausforderungen dürfte nicht mehr über allem schweben.“ Oswald mahnte außerdem an, parallel zur Vorhaltefinanzierung eine umfassende Begleitforschung einzuführen. „Die gab es damals bei der DRG-Einführung auch. Ich weiß gar nicht, wo die inzwischen eigentlich geblieben ist?“
Als unausgegoren empfindet Michael Weber die Vorhaltezahlen und als „völlig überzogen“ die Diskussion um medizinische Qualität. Zum Beispiel die Debatte um die Versorgung von Herzinfarkten und Schlaganfällen. „Das ist unseriös. Hier wird etwas sehr Gutes schlecht geredet.“ Nie gehe es da um Qualitätsverbesserung, immer nur um Strukturbereinigung. „Wenn wir einen Bundesgesundheitsminister haben, der seit anderthalb Jahren erzählt, wie schlecht die Versorgung ist, ist es doch kein Wunder, dass die Bevölkerung auf einmal sagt, sie fühle sich in Deutschland schlecht versorgt.“
Gerald Gaß: Mit Entbürokratisierung Kosten senken
Und nicht zuletzt das große Thema Entbürokratisierung: Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Gerald Gaß sieht hier einen wirksamen Hebel zur Kostensenkung. „Wenn man den Krankenhäusern schon nicht mehr Geld geben will, muss man ihnen wenigstens die Chance einräumen, Kosten zu senken.“ Entsprechende Vorschläge habe die DKG dem BMG bereits unterbreitet.
Grundsätzlich formuliere man mit dem Entwurf zur Reform ja vernünftige Ziele, räumte Gaß ein. Die Umsetzung sei jedoch schlecht. „Da müssen wir den Finger weiter in die Wunde legen.“ Oder, wie VKD-Präsident Josef Düllings appelierte: „Egal, was kommt: Wir müssen weitermachen, weitermachen, weitermachen!“