Die Vorhaltevergütung soll den wirtschaftlichen Druck im Krankenhaus lindern. Das Konzept birgt jedoch Fehlanreize.
Dass das DRG-System in seiner jetzigen Form auch Fehlanreize erzeugt und ein korrigierender Eingriff sinnvoll ist, dürfte weitgehend unstrittig sein. Auch das Instrument einer Vorhaltevergütung erscheint aus ökonomischer Sicht zunächst durchaus plausibel. Als eine Komponente eines aus verschiedenen Modulen bestehenden Vergütungssystems könnte sie den massiven Druck, die Leistungsmenge zu maximieren, etwas reduzieren und in (Fach-) Bereichen oder Regionen, in denen hohe Vorhaltekosten einer geringen Fallzahl gegenüberstehen, Entlastung schaffen. Wie so häufig im Gesundheitswesen steckt der Teufel aber im Detail und aus „gut gemeint“ kann schnell das Gegenteil resultieren.
Mit Details geizt das Eckpunktepapier vom Juli dieses Jahres – das liegt in der Natur dieses Dokuments. Zugleich werden aber einige Aspekte formuliert, die Bedenken erzeugen – bei Kostenträgern wie bei Leistungserbringern. Im Auftrag des PKV-Verbandes entstand nun ein Policy Paper, das mögliche Wirkungen einer aus den veröffentlichten Eckpunkten abgeleiteten Vorhaltevergütung analysiert. Es trifft explizite Annahmen und formuliert konkrete Beispiele, was im Weiteren eine konstruktive und zielführende Diskussion erleichtern sollte.
Zu unterscheiden sind drei Ebenen:
- Die Wirkung auf Ebene der Kostenträger in Abhängigkeit der Regel, nach der sie an der Finanzierung der Vorhaltevergütung beteiligt werden. Hier zeichnet sich ab, dass – um Fehlanreize zum Beispiel in Präventionsbemühungen zu vermeiden – eine Beteiligung, bemessen an Fallzahl und Fallschwere, sinnvoll erscheint.
- Die Ebene des Zuteilungsmechanismus, d.h. ganz konkret, wie das Geld von den Kostenträgern zu den Krankenhäusern kommt, ist eher technischer Natur, wirkt sich aber durch ggf. notwendige Spitzabrechnungen auf den bürokratischen Aufwand und die Liquidität der Kliniken aus.
- Auf Ebene der Krankenhäuser ist die Regel entscheidend, nach der die auf einen Standort entfallende Vorhaltevergütung berechnet wird. Hier zeigen sich verschiedene Effekte.
Wie bereits mehrfach diskutiert, ist die zumindest für die Übergangsphase auf 60 Prozent festgelegte Höhe der Vorhaltevergütung ein massives Problem, da in vielen Bereichen wirtschaftliche Anreize entstehen werden, Leistungen nicht zu erbringen. Selbst bei einer Vorhaltevergütung, die „nur“ die kompletten Fixkosten der Leistungserbringung bedient, ergeben sich problematische Anreize – langfristig sind schließlich alle Kosten variabel.
Mithin ändert sich: nichts
Weniger im Fokus sind bisher aber die umverteilenden Wirkungen der Vorhaltevergütung. Dabei soll doch die wirtschaftliche Situation von Kliniken gestärkt werden, die mit hohen Vorhaltekosten bei zugleich geringen Fallzahlen zu kämpfen haben. Legt man nun zugrunde, dass – in der Übergangsphase wie in der finalen Implementierung – die Vorhaltevergütung eines Standorts als Prozentsatz des DRG-Erlöses (mithin des Casemix) berechnet wird (zunächst pauschal je Leistungsgruppe, später je DRG), tut sich: nichts. Bleibt die Fallzahl konstant, wird exakt dasselbe wirtschaftliche Ergebnis erreicht wie unter DRG-Bedingungen. Mithin ändert sich zunächst – ohne weitere Zuschläge – nichts für den kleinen, aber bedarfsnotwendigen Grund- und Regelversorger in der Peripherie und nichts für den Maximalversorger, der einen hochspezialisierten Fachbereich für wenige aber schwerkranke Patienten vorhält. Zugleich besteht das Risiko der beschriebenen sowie weiterer im Policy Paper ausgeführten Fehlanreize. Ob eine Umverteilung von Vorhaltebudgets in weiteren Runden Abhilfe schaffen kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen.
Während also auf Ebene der Kostenträger eine Bemessung des Beitrags zur Vorhaltevergütung an Fallzahl und Fallschwere durchaus sinnvoll ist, um Fehlanreize zu vermeiden, und auch die Abfinanzierung über die regulären Abrechnungswege das Mittel der Wahl darstellen dürfte, müssen sowohl die Höhe der Vorhaltevergütung als auch die Methode der Kalkulation der Vorhaltevergütung je Krankenhaustandort bzw. Leistungsgruppe kritisch hinterfragt werden.
Der Wunsch der Stakeholder ist klar: Möglichst schnell mehr Transparenz zu den konkreten Plänen. Schließlich berührt die Vorhaltevergütung den Kern der Reformbemühungen und kann sich erheblich auf die wirtschaftliche Lage der Akteure sowie die den Patienten zur Verfügung stehenden Versorgungsangebote auswirken.