Der Klinikverbund Qumik (Qualität und Management im Krankenhaus) hat zu den Reformvorhaben des Bundesgesundheitsministeriums Stellung bezogen. Die Krankenhäuser des baden-württembergischen Verbunds steuerten vermehrt in eine existenzbedrohende Situation, ihre Jahresprognosen für 2022 beliefen sich auf einen negativen zweistelligen Millionenbetrag. Ohne finanzielle Unterstützung könnten die Zahlen für das Jahr 2023 sogar deutlich in den dreistelligen Minusbetrag rutschen, so der Verbund.
Zwar seien die Reformvorhaben der Regierung absolut notwendig, betont Matthias Ziegler, Geschäftsführer des Klinikums Esslingen. Aber die Neugestaltung der Krankenhausstruktur und -finanzierung sei langwierig. „Gleichzeitig drängt die Zeit. Ein Sofort-Programm muss daher zunächst sicherstellen, dass die gewaltige Finanzierungslücke geschlossen wird. Dabei müssen insbesondere die geringere Nachfrage, die aktuelle Inflation und die Tariflohnsteigerungen ausgeglichen werden. Es ist für uns daher existentiell, dass bis zum Inkrafttreten der Krankenhausreform der während der Pandemie geltende Ganzjahresausgleich fortgeführt wird“, fordert Ziegler. Die zuletzt vorgenommenen Eingriffe in die Krankenhausvergütung hätten das Erlösvolumen der Krankenhäuser in Baden-Württemberg um 375 Millionen Euro abgesenkt. „Diese Beschlüsse müssen vollständig zurückgenommen werden“ so Ziegler.
Notfallversorgung: bessere Vernetzung der Akteure
Momentan basiert die Notfallversorgung auf einem Dreisäulenmodell bestehend aus den Notaufnahmen der Krankenhäuser, der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte sowie dem Rettungsdienst. Eine Neustrukturierung der Notfallversorgung sei jedoch unumgänglich, hebt Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe, hervor. Auch wenn die Regierungskommission in ihrer aktuellen vierten Stellungnahme zu ähnlichen Schlüssen käme, werde darin jedoch eine Reform des Rettungswesens und Rettungsdienstgesetzes ausgespart.
Insgesamt müsse eine bessere Vernetzung der Akteure durch eine gemeinsame Leitstelle für den Notruf 112 und die Notfallnummer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) 116117 her, die schon beim Erstkontakt eine intelligente Steuerung der Patienten ermöglicht. Voraussetzungen hierfür seien aber ausreichende personelle Ressourcen, die Möglichkeit telemedizinischer Beratungen und ausreichende Akutkapazitäten im KV-Sektor samt Hausbesuchen. Auch einen Aufbau sogenannter Integrierter Notfallzentren (INZ) an großen Häusern schlägt Geißler vor, in denen neben der Krankenhaus-Notaufnahme eine KV-Notfallpraxis untergebracht ist, die verbindlich rund um die Uhr besetzt ist, genauso wie einheitliche validierte Ersteinschätzungs- und Triagesysteme sowie realistische fachliche Mindeststandards. Auch wenn der Fokus der Diskussion auf der Erwachsenenversorgung liegt, sei die Situation bei der Notfallversorgung erkrankter und verletzter Kinder nicht weniger akut. Dementsprechend sei ein analoges System auch in der Pädiatrie umzusetzen. Insbesondere Videosprechstunden mit Online-Beratungen für Eltern hätten ein großes Potenzial. Dadurch könnten die notdiensthabenden Ärzte entlastet werden.
Doch „mit den bisherigen Vergütungssätzen entsteht den Krankenhäusern mit jeder ambulanten Behandlung ein relevantes Defizit“, so Geißler. „Die hohen Vorhaltekosten für das Personal, das rund um die Uhr bereitsteht, sowie für teure Großgeräte sind in der Vergütung nicht ausreichend berücksichtigt.“ Zudem müsse sichergestellt sein, dass ausreichend Mittel zur baulichen und personellen Realisierung der zukünftigen Notfallstruktur unter Berücksichtigung der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bereitgestellt werden.
Ambulantisierung: Anreiz mehr als limitiert, Versorgungslücke droht
Eine weitere Reformbaustelle kritisiert Dennis Göbel, Geschäftsführer der Kliniken Landkreis Heidenheim. Die Zahl der ambulanten Operationen sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, wobei bislang lediglich 23 Prozent der ambulanten Operationen im Krankenhaus erbracht würden (2020). Studien zufolge könnten jedoch bis zu 40 Prozent aller Krankenhausfälle ambulant behandelt werden. Die Zahl der ambulanten Eingriffe werde künftig dramatisch zunehmen, da die Leistungen – anders als bisher – nur noch dann im stationären Bereich erbracht werden dürften, wenn sogenannte „Kontextfaktoren“ erfüllt seien, die eine stationäre Durchführung anhand von medizinischen oder sozialen Kriterien begründen.
Die bislang angekündigten inhaltlichen Veränderungen im sogenannten AOP-Katalog sehen perspektivisch mehr als 5.000 verschiedene Prozeduren vor, die künftig ambulant erbracht werden könnten. Dies sind nahezu 50 Prozent mehr als bisher. Laut des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) seien jedoch im Durchschnitt bis zu 34 Prozent der anfallenden Kosten nicht durch die Erlöse gedeckt, was bedeute, dass die Krankenhäuser in diesen Fällen finanzielle Verluste erleiden. Krankenhäuser hätten in diesem Zusammenhang einen strukturellen Nachteil gegenüber niedergelassenen Praxen, da deren höhere Personal- und Sachkosten sowie notwendigen strukturellen Vorhaltungen nicht ausreichend finanziert seien. Somit sei der Anreiz für ambulante Eingriffe im Krankenhaus mehr als limitiert. „Sollte es zur Umsetzung des neuen Katalogs für Ambulantes Operieren kommen, droht eine Versorgungslücke. Durch die unzureichende Finanzierung werden die Krankenhäuser ambulante Eingriffe nicht anbieten können und wollen, die niedergelassenen Ärzte werden die zum Teil komplexen Leistungen nicht anbieten können“, mahnt Göbel.
Qumik-Klinikverbund
Der Klinikverbund Qumik (Qualität und Management im Krankenhaus) wurde 2001 durch fünf Krankenhausträger in Baden-Württemberg gegründet, um die Qualität und Wirtschaftlichkeit in den Mitgliedskrankenhäusern zu verbessern. Der Qumik umfasst mittlerweile 14 kommunale Krankenhausträger mit 42 Kliniken und Gesundheitseinrichtungen mit 13.500 Betten, die rund 43.000 Mitarbeiter beschäftigen. Jährlich werden in den Kliniken des Verbunds circa 500.000 Patienten stationär behandelt. 23 Arbeits- und Fachgruppen bearbeiten medizinische, betriebswirtschaftliche und technische Themen. Regelmäßige Fachtagungen und Informationsveranstaltungen dienen dem Wissensaustausch.