DRG | Forum 2024

Vom schwierigen Verteilen der Kuchenstücke

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Vom schwierigen Verteilen der Kuchenstücke
Frank Heimig und Andreas Tecklenburg © Regina Sablotny

So gern Frank Heimig auch jedes Jahr an der Abendveranstaltung des DRG | Forum 2024 teilnimmt – dieses Jahr würde er es sich verkneifen: „Da müsste ich mir sonst nur hundertmal die Frage anhören, wann denn nun endlich der Grouper kommt“, verkündete der Geschäftsführer des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in seinem Vortrag und sorgte damit für Lacher im Publikum. Sein Haus ist damit betraut, Vorgaben zu erarbeiten, anhand derer die Behandlungsfälle der Krankenhäuser künftig zu Leistungsgruppen (LG) zugeordnet werden können. Das große Ziel ist ein Leistungsgruppengrouper, der tiefere Analysen erlaubt. Doch diese Aufgabe wird nicht nur beständig komplizierter, die Bedingungen ändern sich auch gern einmal: Heimig, der im vergangenen Jahr noch geglaubt hatte, die Schweizer Leistungsgruppen als Grundlage für das neue deutsche Krankenhausvergütungssystem zugrunde legen zu können, wurde zwischenzeitlich zurückgepfiffen. „Da hat dann irgendwann Frau Sell angerufen“, erzählte er mit Blick auf die anwesende Leiterin der Abteilung Krankenhauswesen beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Johanna Sell, „und gesagt, jemand müsse mit den Schweizern Schluss machen, wir machen jetzt NRW“. Heimig habe dann eine SMS an die Schweizer Kollegin geschickt mit den Worten: „Es liegt an mir, nicht an dir“ – wie sich das gehöre. „Und dann war’s NRW.“

Die LG, wie sie das geplante Krankenhaustransparenzgesetz (KHTG) nun vorsieht, beruhen weitgehend auf dem Leistungsgruppengrouper Nordrhein-Westfalens. Diese LG seien laut Heimig jedoch nur zu einem geringen Teil leistungsbezogen definiert: „Über drei Viertel der Fälle werden nach der entlassenden Fallabteilung eingruppiert.“ Deshalb stelle sich die Frage, ob die Definitionen nicht eigentlich ergänzt gehören oder die fachabteilungsbezogene Zuordnung verbessert werden müsse. Die Schwierigkeit liege vor allem in den Strukturvorgaben: „Wenn man ein System entwickelt, das nur Vorhaltungen verteilt, kann man ja bei bestimmten Zuordnungen relativ entspannt sein“, so Heimig. Baue man aber ein System, das an Strukturvorgaben angeschlossen sei, müsse es „auch dafür geeignet sein, zum Beispiel nicht jedem Krankenhaus in Deutschland eine Gastroenterologie zuzumuten – denn so viele Gastroenterologen haben wir gar nicht“.

Die Definition der einzelnen LG gestalte sich für das InEK auch deshalb immer schwieriger, weil der Input aus den Fachgesellschaften nachlasse. Heimig mutmaßt, dass die Gesellschaften beraten worden seien, vorsichtiger zu agieren. Nur vier Fachgruppen hätten Informationen eingereicht, darunter etwa die Traumatologie. Für diese Zurückhaltung hat der InEK-Chef gleichwohl Verständnis, schließlich sei die Fragestellung nicht nur „furchtbar schwer“, die Informationen entschieden letztlich auch darüber, wie die einzelnen Kuchenstücke verteilt würden. „Wenn die Definition relativ scharf ist, kriegen viele nichts mehr vom Kuchen.“ Es werde wohl darauf hinauslaufen, so seine Prognose, dass sein Institut einen Vorschlag zum Grouper macht, der erst einmal verrissen werde – „und dann bauen wir konstruktiv weiter“.

GKV: Vorhaltefinanzierung wirkt wie bedingungsloses Grundeinkommen

BMG-Vertreterin Johanna Sell und Wulf-Dietrich Leber vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV) rechneten den Anwesenden unterdessen vor, wie stark doch die Krankenhäuser in den letzten Monaten finanziell unterstützt worden seien: Ob Ausgleichszahlungen und Versorgungsaufschläge während der Pandemie in Höhe von 22 Milliarden Euro oder Energiehilfen aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds – „wir haben nicht nichts gemacht“, verteidigte Sell die Seite des Bundes. Kassenvertreter Leber verwies darauf, dass in deutschen Kliniken die Fallzahlen um zwölf Prozent gesunken, die Erlöse im selben Zeitraum um 21 Prozent gestiegen seien. „Das haben nicht alle Branchen geschafft“, sagte er etwas launisch – und sorgte damit für Raunen im Publikum. Sicher, es brauche weitere Veränderungen, wie Sell ausführte. Eben deshalb würde ja nun auch an der Vorhaltevergütung gearbeitet, mit der die Strukturen in Krankenhäusern unabhängig von der Leistungserbringung – normativ zu einem Anteil von 60 Prozent der Gesamtvergütung – gesichert werden sollen. Die Politikerin skizzierte den Zeitplan für das Vorhaben: Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KVVG), das die neue Vergütungsform regelt, wird voraussichtlich zum Jahreswechsel 2024/2025 in Kraft treten. Anschließend seien die Länder gefordert: Diese müssten ihre Krankenhausgesetze anpassen, bis spätestens 31. Oktober des jeweiligen Jahres den jeweiligen Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen und diese Zuweisungen an das InEK übermitteln. Dann würde im InEK „die verschärfte Arbeitsphase“ mit der Ermittlung der Vorhaltevergütungen beginnen, die bis 10. Dezember des Jahres per Bescheid an die Krankenhäuser verschickt sein müssen. 2025 und 2026 gelte für die Krankenhäuser eine budgetneutrale Phase, 2027 und 2028 eine Konvergenzphase mit Budgetwirksamkeit, bevor 2029 und 2030 die Vorhaltevergütung „ihre volle Wirkung entfaltet“.

Leber mahnte unterdessen, die Leistungsgruppen eigneten sich nicht zur Verteilung der Vorhaltefinanzierung, weil sie die Komplexität der Versorgung nicht richtig abbildeten. Er habe vielmehr das Gefühl, die Kliniken wähnten sich angesichts der geplanten neuen Finanzierung in der Sicherheit eines „bedingungslosen Grundeinkommens“, wie er sagte. Besser wäre es stattdessen, bevölkerungsbezogen Versorgungsverpflichtungen zu definieren.

Mit dem Bild eines gekenterten Tankers hielt jedoch Roland Laufer, Geschäftsführer des Dezernats II „Krankenhausfinanzierung und -planung“ bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dagegen: Das Krankenhauswesen, so die Botschaft, habe längst Schiffbruch erlitten. Die Corona-Unterstützungshilfen, die Johanna Sell angeführt hätte, seien 2023 alle „weggefallen“, die Energiehilfen endeten in diesem Frühjahr ersatzlos. 500 Millionen Euro fehlten monatlich laut der Defizit-Uhr der DKG, „und da sind die Energiekosten noch gar nicht eingerechnet“, so Laufer, der selbst neun Jahre lang Vizechef des Klinikums Fichtelgebirge war. Die Finanzhilfen aus dem geplanten Krankenhaustransparenzgesetz bezeichnet er als „reine Liquiditätshilfen“, die die eigentlichen Probleme nicht lösten. Die Einführung von Leistungsgruppen halte die DKG für zielführend, auch um Transparenz zu schaffen. Doch andere Parameter der Reform seien nicht geglückt. „Das Ziel sollte doch sein, dass das Finanzierungssystem Strukturveränderungen unterstützt“, so Laufer“, „also den Häusern, die einzelne Leistungsgruppen abgeben, auch einen Anreiz bietet, sich vielleicht in anderen Gebieten entwickeln zu können". Man solle hier doch bitte noch einmal „neu denken“. 

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