Die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken wird immer prekärer. Was bringen DRG, Vorhaltung und Co.? Die Finanzierungsexperten aus der Selbstverwaltung und dem BMG benennen die wichtigsten Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung im Jahr 2025.
Die aktuelle Agenda des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nach Inkrafttreten der Krankenhausreform Ende vergangenen Jahres stellte Johanna Sell, Leiterin der Unterabteilung „Gesundheitsversorgung, Krankenhauswesen“ im BMG, vor. Voraussichtlich am Freitag werde der Bundesrat die Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) beschließen. Sie trete „hoffentlich relativ zeitnah“ in Kraft, damit die Förderung der Transformation der Krankenhausstrukturen frühzeitig erfolgen kann.
Anpassungsbedarf bei den Leistungsgruppen
Das Gesetz will die Leistungsgruppen-Verordnung bis zum 31. März auf den Weg bringen – ein „relativ knappes Unterfangen“, so Sell, das „so wohl nicht mehr funktionieren wird“. Die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien sei als dynamischer Prozess unter Beteiligung mehrerer Akteure und als mehrstufiges Verfahren angelegt, an dessen Ende der Erlass einer Rechtsverordnung durch das BMG stehe. Kurz-, mittel- und langfristig gebe es Anpassungsbedarf bei den Leistungsgruppen – mit dem Ziel, Planungssicherheit der Kliniken zu erhalten.
Die Mindestvorhaltezahlen-Verordnung soll ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis Mitte Dezember dieses Jahres, erarbeitet werden und zum 1. Januar 2027 in Kraft treten. Mindestvorhaltezahlen für Leistungsgruppen würden auf Grundlage von Empfehlungen des IQWiG und Auswertungen des InEK festgelegt.
Als wichtigen Baustein der Krankenhausreform bezeichnete Sell die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen. Sie sollen stationäre Leistungen wohnortnah mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden. Hiervon könnten insbesondere Krankenhäuser profitieren, deren Fortbestand aufgrund des geringeren stationären Versorgungsbedarfs in der Region nicht gesichert sei.
Länder sollen Planung vorantreiben
Für die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sei eine „besondere Vergütung“ geplant, sagte Sell. „Sie sollen nicht der Leistungsgruppensystematik unterworfen werden, sondern stattdessen sachgerecht kalkulierte degressive Tagessätze erhalten“.
Die Umsetzung der Krankenhausreform sei ein „dynamischer Prozess“, an dem viele verschiedene Akteure mitwirkten. Aufgabe des Bundes sei, Rechtsverordnungen schreiben und Gesetzesaufträge zu begleiten. „Wahrscheinlich muss das Gesetz auch nochmal angepasst werden, wenn ich mir die Koalitionsverhandlungen anschaue“, sagte Sell.
Wichtig sei, dass die Länder ihre Krankenhausplanung aktiv vorantreiben, auch wenn man das Gefühl habe, dass sich manche hier noch schwer täten. Die Krankenhäuser müssten sich auf eigene Stärken fokussieren und auf dieser Basis im Austausch mit anderen Kliniken Lösungen finden, um sich zukunftsfest aufzustellen.
Zusätzliche Belastung durch Hybrid-DRG
Dr. Roland Laufer, Geschäftsführer des Dezernats für Finanzen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, zeichnet ein düsteres Bild zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser in Deutschland: 70 Prozent der Häuser schreiben rote Zahlen.
Eine zeitnahe Entlastung sei nicht in Sicht. Im Gegenteil: Durch den weiteren Ausbau der Hybrid-DRG erwartet die Deutsche Krankenhausgesellschaft zusätzliche Belastungen für die Häuser. Mit einer Unterdeckung in Höhe von 257,62 Euro pro CM-Punkt sei jede Krankenhausleistung massiv unterfinanziert, so Laufer. Als Kostentreiber erwiesen sich unter anderem hohe Sach- und Personalkosten.
Immer mehr Datenlieferpflichten
Laufer kritisiert des Weiteren einen hohen bürokratischen Aufwand für die Krankenhäuser. Allein der Gemeinsame Bundesausschuss hat 873 Beschlüsse auf den Weg gebracht, die sich auf das Thema Qualität beziehen.
Immer mehr Datenlieferpflichten weiten sich zu einem massiven Problem für die Krankenhäuser aus: „Die Ärzte in Leistungsgruppen einzuordnen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit“, so Laufer. Um die Krankenhäuser rasch und wirksam zu entlasten, seien sofortige Korrekturmaßnahmen wie ein Inflationsausgleich, Entbürokratisierung und ein Ende der Misstrauens- und Kontrollkultur erforderlich.
Leistungsgruppen: "Plan ist nicht einzuhalten"
Mit Blick auf die aktuelle Krankenhausreform kritisiert er den ambitioniert gesetzten Zeitplan zur Erarbeitung der Leistungsgruppen in den Ländern. „Eine erste Frist ist gerissen und wenn man das seriös bewertet, muss man sagen, der Plan ist nicht einzuhalten.“
Laufer verweist auf offene Punkte in der Arbeit des Leistungsgruppenausschusses: Beispielsweise wisse man nicht, wie mit den Belegärzten zu verfahren sei und die Facharztzahlen seien keinem Realitätscheck unterzogen worden.
Leistungsgruppen sind die neue Währung
Das Konzept der Mindestvorhaltezahlen ist ein Konzept, „dass einmalig ist. Das gibt es nirgendwo.“ Laufer plädiert deswegen für eine Erweiterung des Zeitrahmens um mindestens ein Jahr. Als Problem identifiziert er die Verknüpfung von Leistungsgruppen mit der Vorhaltefinanzierung. Leistungsgruppen seien die neue Währung. „Sie können die aktuellen Abteilungsstrukturen allerdings nicht abbilden.“
Moderator Andreas Tecklenburg will wissen, wie die Personalmindestmengen ermittelt werden. „Fragt die DKG bei der Bundesärztekammer nach, wie viele Fachärzte es überhaupt gibt? „Ja, wir haben uns für die Notfallmedizin diese Zahlen geben lassen“, so Laufer, „und es war klar, dass das so nicht funktionieren kann.“
Wolff: Mehr Ausgaben als Einnahmen
Ein Grundsatzreferat über Freiheit und Verantwortung der Krankenhausfinanzierung hielt Johannes Wolff, Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband. In seiner bis heute 20-jährigen Tätigkeit im Gesundheitswesen habe er drei Phasen ausgemacht: die Prä-DRG-Phase, mit 1 Milliarde Euro mehr pro Jahr, die DRG-Phase mit schon 2,5 Milliarden Euro pro Jahr und die Post-DRG-Phase – „oder auch Chaos-Phase“ mit 5 Milliarden Euro im Jahr. Im vergangenen Jahr kamen sogar 8 Milliarden Euro hinzu aus dem Krankenhausbereich; das Defizit der GKV liege nun bei 6,2 Milliarden Euro. Der Grund laut Wolff: „Das Ausgabenwachstum ist doppelt so hoch wie das Einnahmewachstum, und das seit Jahren.“
Schuld daran sei eine Mischung aus schlechter Finanzierung, veränderter Einstellung zur Arbeit und schlechter Regulierung. Wolff fordert mehr Härte, um Gesundheit für Versicherte bezahlbar zu erhalten. Um die Produktivität aus den Vorjahren zu halten, müsste man etwa jedes Jahr 1,7 Milliarden aus dem System herausziehen.
KHVVG: "Im Kern genial"
Das KHVVG wolle zu viel auf einmal: Es setze Menge und Inputs fest. So könne man aber schlecht Wirtschaftlichkeit verlangen. „Es ist aber nicht alles am KHVVG vergebens“, sagt Wolff. „Im Kern ist es genial. Es verbindet erstmals Planung, Finanzierung und Qualität.“ Die Planung werde geldwert und damit relevant, es gebe Mindestqualitätsvorgaben je Leistungsgruppe und DRG und das Case-Mix schaffe eine Mengensteuerung. Das KHVVG sei auch eine Reform für die Länder, denn sie könnten so nach gleichen Voraussetzungen planen.
Was dem KHVVG noch fehle, ist eine Antwort auf die Frage, wie viel Bedarf es gibt? Dafür hat der GKV ein Modell entwickelt, das den Versicherten in den Mittelpunkt rückt. Was braucht er? In welchem Radius erhält er welche Angebote?
Die Bewertung einer Insolvenz könne dann zum Beispiel als konkreter Anwendungsfall dienen. Das hat der GKV mit dem St. Lukas Krankenhaus in Solingen gemacht, das 2024 geschlossen hat.