Durchfallerkrankungen gehören zu den typischen Krankheiten, die zur Hospitalisierung eines Patienten führen. Einige dieser Durchfallerkrankungen werden durch gefährliche Viren wie beispielsweise die Noroviren ausgelöst. Diese Viren stellen ein besonderes Problem dar, weil sie nur mit speziellen Desinfektionsmitteln, die teuer und schlecht zu bevorraten sind, bekämpft werden können. Eine Herausforderung, der sich die Hygieniker des Universitätsklinikums Greifswald stellten.
In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Patienten mit einer Norovirusinfektion dramatisch zugenommen: Rund 170 000 Erkrankungen wurden im Jahr 2007 gemeldet, Ende März 2008 lagen bereits über 100 000 Infektionsmeldungen vor. Das Norovirus ist somit der häufigste Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen, noch vor den Salmonellen. Vor allem große Einrichtungen wie Krankenhäuser, in denen viele Menschen aufeinandertreffen, sind hochgradig gefährdet.
Das Hygiene-Institut des Greifswalder Universitätsklinikums hat daher im Rahmen des Hygiene-Managements einen speziellen Maßnahmenkatalog entwickelt, um die Ausbreitung der Noroviren im Krankenhaus zu stoppen. Sie begannen bei der engen Verzahnung der verschiedenen Berufsgruppen, führten ein Sofortmeldesystem ein, das bis hinauf zum Ärztlichen Direktor reicht, und entwickelten ein Bündel eng abgestimmter Einzelmaßnahmen, die bereits unmittelbar nach der Meldung eines Verdachts einsetzen. Wird ein Patient mit einer Durchfallerkrankung im Uniklinikum Greifswald stationär aufgenommen, erfolgt im ersten Schritt eine Online-Meldung an die Institutsdirektion. Diese setzt sich umgehend mit der betroffenen Station in Verbindung, um zu erfahren, ob epidemiologische Besonderheiten bestehen. Anschließend wird das weitere Vorgehen entschieden. Die elektronischen Meldungen werden täglich weitergegeben, bis der Durchfall abgeklungen ist. Sobald ein zweiter Patient infiziert ist, werden in Rücksprache mit dem Ärztlichen Direktor Isolierungsmaßnahmen festgelegt.
Notfallboxen enthalten spezielle Desinfektionsmittel
Ein unkonventioneller Bestandteil der Greifswalder Maßnahmen zur Virusbekämpfung sind die neuen Notfallboxen. Sie wurden in erster Linie konzipiert, weil Noroviren hochresistent gegen übliche Desinfektionsmittel sind. Das macht es schwierig, diese Krankheitserreger auf die übliche „flächendeckende“ Art zu bekämpfen. Bei Verdacht auf Noroviren muss deshalb sofort das Mittel gewechselt werden, um die Viren abzutöten. Diese Spezialmittel sind jedoch sehr teuer, wenn im Vergleich zu den herkömmlichen nicht viruzid wirksamen Alkohol-basierten Händedesinfektionsmitteln geringer hautverträglich und wirkstoffabhängig zum Teil nicht lange haltbar – kaum ein Krankenhaus kann es sich leisten, sie in großen Mengen im Stationsbereich auf Vorrat vorzuhalten. Die Notfallboxen ermöglichen nun allen betroffenen Klinikstationen schnellen Zugriff auf die teuren Desinfektionsmittel bei geringstmöglichen Kosten.
An mehreren zentralen Orten im Klinikum werden solche Boxen vorgehalten. Die Stationen können innerhalb von fünf bis zehn Minuten auf sie zugreifen. Wenn beispielsweise ein Patient mit akutem Brechdurchfall in der Notaufnahme aufgenommen wird, besteht somit die Möglichkeit, die Ausbreitung des Virus bereits ganz am Anfang zu stoppen. Diese Notfallboxen enthalten Hände- und Flächen-Desinfektionsmittel, Isoliermaterial wie Überzieher für die Schuhe, Schutzkittel, Augen- und Mundschutz sowie Anleitungen für Patienten und Personal zum Einsatz der Mittel.
Hygiene-Strategie: schneller als das Virus sein
Die Methode der Greifswalder Hygieniker ist effektiv und kostengünstig: Eine eigene Bevorratung der einzelnen Stationen mit dem Spezialdesinfektionsmittel ist nicht mehr notwendig. Die benötigte Menge lässt sich durch das Sofortmeldesystem genauer steuern, und auch bei gehäuften Akutfällen ist durch die schnelle Information und die zentrale Steuerung eine ausreichende Menge der Mittel sichergestellt. Es sind also vor allem zwei Bausteine, die das Norovirus eindämmen: Durch das Online-Sofortmeldesystem wird das Durchfallgeschehen unter stetiger Kontrolle gehalten, und durch das schnelle Eingreifen wird die Infektionskette des aggressiven Norovirus erfolgreich unterbrochen. Die Strategie lautet schlicht, schneller zu sein als das Virus – und das bei effektivem Einsatz der Ressourcen. Der Erfolg gibt dieser in Deutschland bisher einmaligen Strategie recht: Bundesweit hat das Universitätsklinikum Greifswald die besten Hygienewerte in diesem Bereich.
Was sind Noroviren, was lösen sie aus?
Noroviren gelten als die häufigsten Verursacher der viralen Gastroenteritis, einer Magen-Darm-Erkrankung, die fälschlicherweise oft auch als „Magen-Darm-Grippe“ bezeichnet wird. Der Mensch ist nach jetzigen Erkenntnissen der einzige Träger des Norovirus. Das Virus tritt weltweit auf und betrifft alle Altersgruppen. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt in den Wintermonaten. Das Virus ist hochresistent gegenüber Desinfektionsmitteln und Umwelteinflüssen, kann Temperaturschwankungen von minus 20 bis plus 60 Grad Celsius überleben und bleibt auch auf Gegenständen und Kleidung lebensfähig. So kann es sich beispielsweise auf einer Türklinke bei 20 Grad bis zu sieben Tage halten. Die Übertragung der Noroviren erfolgt meist über Stuhl, Erbrochenes oder eine Tröpfcheninfektion während des Erbrechens. Bereits durch ein Händeschütteln oder durch Gegenstände wie Spielzeuge oder Türklinken, aber auch über Lebensmittel kann das Virus übertragen werden. Eine Infektion mit dem Norovirus zeigt sich in schlagartigem Durchfall, Bauchkrämpfen und heftigem Erbrechen. Zudem leidet der Infizierte an Fieber und Kopfschmerzen. Die Inkubationszeit beträgt ungefähr einen halben Tag bis zwei Tage. Die Erkrankung kann bis zu 72 Stunden dauern und heilt in den meisten Fällen ohne Folgen ab. Das Virus kann aber noch etwa zwei Wochen weitergegeben werden.
Anschrift der Verfasser:
Prof. Dr. Axel Kramer, Direktor Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Dr. Nils Hübner, Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Dr. Christoph Bobrowski, Leiter der Stabsstelle Medizincontrolling
Prof. Dr. Claus Bartels Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor
Universitätsklinikum Greifswald, Fleischmannstraße 8, 17487 Greifswald