Im Rahmen des Projektes ISIS (Intersektorales Informationssystem) ist unter Federführung des Universitätsklinikums Heidelberg der Aufbau einer patientenorientierten Gesundheitsakte in der Umsetzung. In einem ersten Schritt wird zwischen dem Universitätsklinikum Heidelberg und den Krankenhäusern der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH eine einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte (eEPA) aufgebaut. Diese wird dann auf Arztpraxen und weitere Krankenhäuser erweitert, um im letzten Schritt den Patienten in den Mittelpunkt der Versorgung zu rücken und ihm mit einer persönlichen elektronischen Gesundheitsakte (eGA) die alleinige Verfügungsgewalt über seine Daten zu geben. Dies entspricht seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Aufbau der eEPA
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten medizinischen Zentren in Deutschland und gilt als Vorreiter bei der Umsetzung neuer Technologien. Im Zuge kooperativer Versorgungsmodelle und integrierter Versorgungsszenarien ist es in einem Maximalversorgungszentrum üblich, dass ein Teil der Patienten regelmäßig zwischen dem Universitätsklinikum, den Partnerkrankenhäusern sowie niedergelassenen Ärzten wechselt. Um sicherzustellen, dass die Behandlung nach jedem Wechsel nahtlos fortgeführt werden kann, ohne dass wichtige medizinische Informationen verloren gehen, muss ein effizienter Austausch vollständiger Patienteninformationen über Sektorengrenzen hinweg gewährleistet sein. Zu diesem Zweck müssen alle an der Behandlung beteiligten Leistungserbringer miteinander vernetzt werden. Das Universitätsklinikum Heidelberg kooperiert in vielen medizinischen Bereichen mit den Krankenhäusern der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH.
Dazu zählen die Krankenhäuser Schwetzingen, Weinheim, Sinsheim und Eberbach. In einem ersten Schritt wird mit Aufbau der eEPA die Anbindung dieser Häuser an die gemeinsame technische Plattform des Universitätsklinikums realisiert. Die Projektpartner setzen zur Umsetzung aller Projektstufen und Ziele Produkte des eHealth-Spezialisten Inter- ComponentWare AG (ICW) ein. Der ICW Professional Exchange Server (PXS) verbindet unter Beibehaltung der bereits bestehenden Lösungen die unterschiedlichen Krankenhausinformationssysteme in den angeschlossenen Kliniken miteinander. Das Herzstück bilden ein Master Patient Index (MPI) und eine virtuelle Patientenakte (VPA). Diese ermöglichen den Informationsaustausch, sodass alle an der Behandlung Beteiligten webbasiert Zugriff auf die medizinischen Daten ihrer gemeinsamen Patienten haben. Der MPI gleicht die Stammdaten aus den verschiedenen Einrichtungen und Systemen ab und ordnet sie bei Übereinstimmung automatisch einem Patienten zu. Die schwellwertgesteuerte Zuordnung erfolgt auf Basis konfigurierbarer demografischer Daten unter Verwendung von probabilistischen Algorithmen. Kann keine Zuordnung erfolgen, wird eine Clearingstelle im Universitätsklinikum eingeschaltet, die den Patienten eindeutig identifiziert. Die ICW MPI Lösung nutzt vorhandene Standards wie HL7 und IHE zum Informationsaustausch.
Die VPA sorgt für einen einrichtungsübergreifenden Datenaustausch
Über die VPA erhalten alle an der Behandlung Beteiligten eine konsolidierte Sicht auf die medizinische Dokumentation ihrer gemeinsamen Patienten. So liegen jederzeit die neuesten Falldaten, Diagnosen, Dokumente und Bilddaten vor. Diese Informationen werden unverändert in den Krankenhausinformationssystemen (Primärsystemen) erstellt und dann über standardbasierte Schnittstellen wie HL7 oder DICOM an die VPA übertragen. Der Zugriff auf die Akte erfolgt aus dem Primärsystem mit Übergabe des Patienten- und Benutzerkontextes, wodurch die erneute Anmeldung und Patientensuche vermieden wird. Alternativ kann sich der Nutzer auch manuell an der eEPA anmelden. Die Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherheit werden umfassend berücksichtigt. Der Patient muss der Speicherung seiner Daten zustimmen. Benutzer und Primärsysteme müssen sich für den Zugriff auf die Patientendaten authentifizieren.
Einsicht haben lediglich Personen, die an der Behandlung des Patienten beteiligt sind. Im Rahmen von Konsilen können Zugriffsrechte auch manuell zeitlich begrenzt an mitbehandelnde Ärzte vergeben werden. In Notfällen ist ein schneller und protokollierter Zugriff auf die Daten gewährleistet. Das intersektorale Informationssystem verbessert nachhaltig die Qualität der Patientenversorgung und die Wirtschaftlichkeit. Dem Universitätsklinikum und den Partnerkrankenhäusern stehen unmittelbar alle Informationen zur Verfügung, die eine einfachere, schnellere und sicherere Diagnostik und Therapie der Patienten ermöglichen. Mehrfachuntersuchungen können vermieden und neue kooperative Behandlungsformen optimal unterstützt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Lösung die leichte Anbindung an die künftige Telematik-Infrastruktur der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Ausbau des eEPA-Projektes und Einbindung der eGA
In einem zweiten Schritt ist geplant, neben niedergelassenen Arztpraxen weitere Krankenhäuser der Rhein- Neckar-Region an den PXS anzuschließen, wobei weiterhin die eEPATechniken eingesetzt werden. In einem dritten Schritt sollen die Patienten direkt über persönliche LifeSensor Gesundheitsakten in den elektronischen Datenaustausch einbezogen werden. Im Gegensatz zur arztgeführten eEPA ist die eGA unter der alleinigen Verfügungsgewalt des Patienten. Nach Zustimmung des Patienten können die Daten aus dem PXS in die eGA kopiert werden und vom Patienten eingestellte Daten in der arztgeführten eEPA verfügbar gemacht werden. Der Patient rückt damit stärker in den Mittelpunkt der Versorgung.
Anschriften der Verfasser:
Prof. Dr. med. Björn Bergh, Direktor Zentrum Informations- und Medizintechnik Universitätsklinikum Heidelberg Tiergartenstraße 15, 69121 Heidelberg
Dr. Ralf Brandner, Produktlinienleiter ProfessionalGate, Industriestraße 41, 69190 Walldorf (Baden)