Ganz schön sicher

Patientensicherheit durch Design von Medizintechnik

  • Patientensicherheit
  • BVBG
  • 06.11.2017

f&w

Ausgabe 11/2017

Seite 1056

Die Verbesserung der Patientensicherheit hat in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren. Neuerdings kommt auch das Design von Medizintechnik als sicherheitsfördernder Aspekt ins Spiel. 

Sicherheit für Patienten in Diagnostik, Therapie und Pflege ist und war zu allen Zeiten ein Ziel therapeutischer Teams in Gesundheitseinrichtungen. Unter Patientensicherheit ist dabei die Abwesenheit unerwünschter und kritischer Ereignisse zu verstehen, die sich aus dem Behandlungs- und Pflegeprozess ergeben können. Prävention erfolgte in der Vergangenheit häufig auf Initiative einzelner Personen, Professionen oder Teams, ohne dass dabei einem systematischen Ansatz des klinischen Risikomanagements gefolgt wurde.

Dies hat sich in den zurückliegenden zehn Jahren durch stark veränderte Rahmenbedingungen gewandelt. Beginnend mit dem Jahr 2004 und der Gründung der World Alliance for Patient Safety hat die WHO die nationalen Gesundheitssysteme aufgefordert, nachhaltig wirksame Systeme zur Förderung der Patientensicherheit aufzubauen und zu etablieren. Die weltweiten Aktionen erfuhren ihre vorerst breiteste Aufmerksamkeit im März 2017 mit dem Global Ministerial Summit on Patient Safety in Bonn. Über 300 hochrangige Vertreter und Experten aus Politik, Medizin und Wissenschaft aus über 40 Ländern und internationalen Organisationen tauschten sich über weitere Verbesserungen der Patientensicherheit aus. Sie formulierten in Bonn auf Grundlage einer OECD-Studie drei besondere Herausforderungen für die Patientensicherheit in den kommenden Jahren:

  • Patientensicherheit im nicht klinischen vor- und nachstationären Bereich (Arztpraxen, ambulante Pflegedienste),
  • Patientensicherheit in der Diagnostik,
  • Patientensicherheit im Zusammenhang mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung der Medizin.

In Deutschland ist es zu einem großen Teil der Initiative des 2005 gegründeten Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) zu verdanken, dass die internationalen Vorgaben operationalisiert und daraus praxisrelevante Empfehlungen erarbeitet wurden. Der Gesetzgeber reagierte mit dem Patientenrechtegesetz: Die Krankenhäuser sind seit 2013 verpflichtet, ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement anzubieten und ein einrichtungsübergreifendes Fehlermeldesystem zu installieren. Mindeststandards für ein sachgerechtes, klinisches Risikomanagementsystem sollen helfen, die Patientensicherheit verbessern. Entscheidend sind dabei Führungsstrukturen sowie teamorientierte Kooperationen und Kommunikation mit dem Ziel des Aufbaus einer Sicherheitskultur.

Patienten helfen Ärzten

Als Partner für die Patientensicherheit kommen zunehmend auch die Patienten selbst ins Spiel. Sie können auf der Grundlage zuverlässiger Informationen und Entscheidungshilfen die Arbeit der Ärzte nachhaltig und wirksam unterstützen und den therapeutischen Teams dabei helfen, rechtzeitig Sicherheitslücken zu identifizieren und zu beseitigen. Auch die medizinischen Fachgesellschaften bauen Themen zur Förderung der Patientensicherheit in ihre Kriterienkataloge für Zertifizierungen von Zentren ein. Und nicht zuletzt fordern die Haftpflichtversicherer den Nachweis von Präventionsanstrengungen. Die Absicherung einer Hochleistungsmedizin setzt ein effizientes, klinisches Risikomanagement voraus.

Methodisch hat sich das Thema „Patientensicherheit“ in den vergangenen Jahren weiterentwickelt

  • von einer fehler- zu einer systemzentrierten Perspektive,
  • von einer sektoralen zu einer transsektoralen Betrachtung,
  • von einer defizit- zu einer stärkenorientierten Debatte.

Und es kommt neuerdings auch das Design von Medizintechnik als sicherheitsfördernder Aspekt ins Spiel. Design steht für Formgebung, Funktionalität und die Gebrauchstauglichkeit von Produkten und die Interaktion mit dem Benutzer. Allein aus dieser Allgemeindefinition wird deutlich, dass Design einen Einfluss auf die Sicherheit haben kann.

Tücken der Spezialisierung

Behandlungs- und Pflegefehler sind häufig multikausal und entstehen im System der Leistungserbringung durch individuelle Versäumnisse oder aufgrund einer zunehmend hoch technisierten Medizin, die von den Anwendern gleichzeitig theoretisches Hintergrundwissen, manuelle Fertigkeiten und den sachgerechten Gebrauch von Medizintechnik erwartet. Dies ist in einer hochgradig spezialisierten und fragmentierten Medizin eine Herausforderung. Reiling et al. entwickelten 2006 Designprinzipien zur Patientensicherheit mit dem Ziel, diese bei der Neu- und Ersatzgestaltung von Klinikeinrichtungen ebenso wie bei der Ausstattung von Funktionseinheiten zu berücksichtigen (Textkasten). Diese Designprinzipien sollen gewährleisten, dass aus Sicht und zum Nutzen der Patienten und der Anwender gedacht wird.

Designprinzipien von Medizinprodukten und -prozessen
  1. Lärmreduktion
  2. Skalierung, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität
  3. Sichtbarkeit von Patienten durch das Personal
  4. Einbezug von Patienten
  5. Unterstützung von Standardisierungen
  6. Automatisierung, soweit dies möglich und sinnvoll ist
  7. Minimierung von Ermüdungspotenzialen
  8. Unmittelbare Zugänglichkeit von relevanten Informationen am Ort der Leistungserbringung
  9. Reduktion von Patientenverlegungen und Übergaben
  10. Design rund um gefährliche Ereignisse:

     

  • Vermeidung von perioperativen Komplikationen
  • Konnektorensicherheit
  • Arzneimitteltherapiesicherheit
  • Vermeidung von Seitenverwechselungen
  • Vermeidung von Patientenverwechselungen
  • Vemeidung der Gefährdung durch Sauerstoffgabe
  • Sicherheit bei unvermeidbaren freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • Transfusionssicherheit
  • Vermeidung von Patientenstürzen
  • Sicherheit in diagnostischen und therapeutischen Großanlagen

Die Schweizer Stiftung Patientensicherheit entwickelte vier grundsätzliche Dimensionen zum Thema „Spitaldesign und Patientensicherheit“. Risiken direkt reduzieren umfasst die Aspekte, die eine Gefahr an sich darstellen: Die Art des Bodenbelags kann einen Einfluss auf die Sturzrate haben. Latente Bedingungen optimieren, die die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden erhalten bedeutet, die Arbeitsumgebung und -technik so zu gestalten, dass beispielsweise Licht und Lärm die Konzentrationsfähigkeit nicht einschränken. Intuitives, sicherheitsförderndes Verhalten soll positiv beeinflusst werden, indem es leichter wird, sich richtig zu verhalten und Fehler zu vermeiden. So öffnen sich OP-Türen beispielsweise erst, wenn eine Händedesinfektion erfolgte. Gesundheitsförderliche Umgebung für die Patienten wird unter dem Begriff „healing architecture“ zusammengefasst. Hierunter ist nicht nur die Raumgestaltung und Lärmreduktion, sondern auch die Möglichkeit der Nutzung sozialer Medien zu verstehen.

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