f&w-Bilanzgespräch

Wirtschaften auf dem Zauberberg

  • Finanzierung
  • Management
  • 26.02.2018

f&w

Ausgabe 3/2018

Seite 260

Ende der 1980er-Jahre errichtete Max Grundig die nach ihm benannte Privatklinik in Bühl. Das kleine Schmuckstück im Schwarzwald wirtschaftlich zu führen, ist mitnichten ein Selbstläufer, schildert Geschäftsführer Andreas Spaetgens.

Herr Spaetgens, die Max Grundig Klinik versorgt ausschließlich Privatpatienten und Selbstzahler, wirbt mit Hotelambiente und bietet nicht zuletzt eine fantastische Aussicht auf die Rheinebene. Verdient sich das Geld hier oben auf der Schwarzwald-Höhe von selbst?

Vergessen Sie nicht unseren Goldesel! Nein, Spaß beiseite, Sprüche wie diese bekommen wir öfter zu hören. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Dies ist ein herausfordernder Standort, und jeder Euro muss hart verdient werden. Fakt ist, dass wir jedes Jahr um unsere Profitabilität kämpfen müssen.

Welchen Anspruch hat Ihr Träger?

Als die Klinik Ende der 1980er-Jahre vom legendären Unternehmer Max Grundig gegründet wurde, gab es noch keinen sehr hohen wirtschaftlichen Druck. Die Stiftung war damals bereit, Verluste auszugleichen. Heute werden wir von der Stiftung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Wobei unser Träger nicht, wie so mancher Klinikkonzern heute, zweistellige Renditen erwartet. Ein Aspekt ist auch, in der Tradition des Gründers einen sehr besonderen Ort bewahren zu wollen, an dem Patienten geholfen wird, schneller wieder gesund zu werden. Als ich 2008 die Geschäftsleitung übernahm, traf die Stiftung die Grundsatzentscheidung, in der Klinik professionelle Strukturen aufzubauen, die den sich verändernden Anforderungen des Gesundheitswesens Rechnung tragen. Das Erbe von Max Grundig nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig das Krankenhaus wirtschaftlich zu führen, das ist seither die Aufgabe.Das ist mitnichten ein Selbstläufer – auch, weil wir mehrwertsteuerbelastet sind. Bei jeder GOÄ, bei jedem Pflegesatz führen wir 19 Prozent ab. Das kostet uns bis zu 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Dies zu verändern, ist aktuell eine große Herausforderung in Gesprächen mit der Finanzverwaltung.

Was waren die größten Probleme?

Historisch war die Max Grundig Klinik nicht ausreichend vernetzt, wir waren in Fachkreisen zu wenig bekannt. Wir mussten am Austausch mit anderen Ärzten, Veranstaltungen und der Kontaktpflege mit Kollegen arbeiten. Ich habe in den ersten drei Jahren 250 Sozialdienste, Krankenhäuser und Chefärzte besucht, um die Klinik in das Bewusstsein der Einweiser zu rücken. Uns hatte beispielsweise niemand für Privatpatienten mit kardiologischer Anschlussheilbehandlung (AHB) auf dem Schirm, obwohl wir dafür sehr gut ausgerüstet waren. Die Belegungszahlen waren entsprechend. Es ging darum, die medizinische Kompetenz zu stärken und das medizinische Leistungsangebot in den Vordergrund zu stellen. Dazu kam, dass wir zu geringe ambulante Umsätze machten, auch weil die Radiologie nicht auf dem neuesten technischen Stand war. Es gab also durchaus etwas zu tun.

Wie wichtig ist der Faktor Chefarzt für eine Privatklinik noch?

Ich bin davon überzeugt, dass Chefärzte der Schlüssel für den erfolgreichen Betrieb unserer Klinik sind. Ein Chefarzt muss neben medizinischer Kompetenz und persönlicher Reputation auch die Fähigkeit mitbringen, Netzwerke und Bindungen aufzubauen. Solche Mediziner zu finden, ist nicht leicht. Wir haben in der Psychosomatik drei Anläufe gebraucht, sind mit Dr. Christian Dogs, der bereits eine Privatklinik sehr erfolgreich aufgebaut hat, nun aber sehr gut aufgestellt. Mit Prof. Dr. Curt Diehm, unserem Ärztlichen Direktor, haben wir einen sehr renommierten Arzt gefunden, der auch unsere Vorstellungen an wirtschaftliches Arbeiten teilt. Eine Klinik ist aus meiner Sicht nur erfolgreich zu entwickeln, wenn Geschäftsführung und Ärztlicher Direktor intensiv zusammenarbeiten. Es muss ein offener und bei Bedarf auch kontroverser Diskurs stattfinden, um medizinische und wirtschaftliche Interessen abzustimmen. Entscheidend ist am Schluss, mit einer gemeinsamen Stimme die Klinik nach außen und gegenüber dem Team zu vertreten.

Auf welches Konzept setzt die Max Grundig Klinik inzwischen?

Wir wollen unser ambulantes Potenzial stärker nutzen, vor allem mit dem hochmodernen Radiologie-Zentrum und der Inneren Medizin – Stichwort Check-ups. Hier spielt auch das Geschäft mit internationalen Patienten eine wichtige Rolle. Stationär war die frühere Abteilung für Innere Medizin allein nicht überlebensfähig. Wir können mit unserer Infrastruktur und der Größe in vielen Akutbereichen nicht konkurrenzfähig arbeiten. Wir setzen stattdessen stationär verstärkt auf die Psychosomatik. Ziel ist es, dass wir zunächst rund die Hälfte aller stationären Patienten in diesem Bereich behandeln. Dazu kommen Betten für Check-ups, AHB und einige Akutpatienten im konservativen internistischen Bereich. Einzigartig ist die enge Verzahnung zwischen den Fachärzten der Inneren Medizin und der Abteilung Psychosomatik. Aus meiner Sicht ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil.

Wichtiges Standbein internationale Patienten

Der Jahresumsatz der Max Grundig Klinik liegt bei rund zwölf Millionen Euro, davon stammen rund vier Millionen Euro aus den Ambulanzen mit Radiologie. Ein wichtiges Standbein ist das Geschäft mit internationalen Patienten. Hier liegt der jährliche Umsatz bei rund 1,5 Millionen Euro. Einbrüche im Geschäft mit russischen Patienten (s. Interview) musste nicht nur die baden-württembergische Privatklinik verkraften. Im Jahr 2016 gab es im gesamten Bundesgebiet einen deutlichen Rückgang an Patienten aus Russland (13 Prozent) und Kasachstan (32 Prozent). Das geht aus Zahlen hervor, die die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg veröffentlicht hat. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Jens Juszczak geht davon aus, dass die Talsohle durchschritten ist. „Rückmeldungen aus einzelnen Krankenhäusern deuten auf eine Stabilisierung der Nachfrage hin.“ Eine Trendumkehr gebe es bereits in der Ukraine. Hier stiegen die Patientenzahlen um fast acht Prozent. Aufgrund der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Visafreiheit dürfte sich dies künftig fortsetzen, so Juszczak. Insgesamt ließen sich 2016 mehr als 253.000 Patienten aus 181 Ländern stationär oder ambulant in Deutschland behandeln.Auf diese Weise flossen 1,2 Milliarden Euro an Einnahmen in das deutsche Gesundheitssystem. Gegenüber dem Vorjahr bedeuten die Patientenzahlen einen leichten Rückgang um 1,1 Prozent. fa

Wie wichtig ist die Radiologie in diesem Gesamtkonzept?

Mit technischen Leistungen lässt sich viel besser ein Deckungsbeitrag erwirtschaften als mit der sprechenden Medizin und persönlichen Betreuung – das ist im deutschen Gesundheitswesen zwar absurd, aber nun mal Fakt. Es war eine richtige Entscheidung, vor eineinhalb Jahren in ein 3-Tesla-MRT und einen CT mit 128 Zeilen zu investieren und uns in der gesamten Region damit technisch an der Spitze zu positionieren. Das war nicht nur eine Frage der Versorgungsqualität, sondern ein Schlüssel zur Zukunftssicherung.

Auf welches Finanzierungsmodell setzen Sie bei der Medizintechnik?

Leasing ermöglicht es uns, auf dem aktuellen Stand der Technik zu bleiben und die Investition als Krankenhaus selber zu stemmen. Das ist auch unser Anspruch: Wir wollen mit wirtschaftlichem Bewusstsein arbeiten und unseren Betrieb selbstständig finanzieren.

Wer sind die größten Wettbewerber, wie groß ist Ihr Einzugsgebiet?

Unsere größten Wettbewerber sind im Grunde jeder Arzt und jedes Gesundheitszentrum, das Check-ups anbietet. In diesem Bereich kommen unsere Patienten überwiegend aus einem Umkreis von 300 Kilometern in der Rhein-Neckar-Region bis hoch nach Frankfurt. Aber auch aus Düsseldorf oder Hamburg kommen Patienten zu uns. Beim internationalen Geschäft sind wir stark vernetzt mit dem osteuropäischen Raum – Russland, Kasachstan, Ukraine. Hinzu kommen auch arabische Patienten, ein aktives Marketing betreiben wir in dieser Region aber nicht. Botschaftspatienten hingegen behandeln wir fast gar nicht. In der Psychosomatik sind etablierte Privatkliniken, etwa in Bayern, die seit vielen Jahren am Markt agieren, unsere Wettbewerber. In diesem Bereich entstehen derzeit vielerorts neue Kapazitäten. In der Reha gibt es viele Häuser, die schon lange ihre Netzwerke pflegen und exzellente Arbeit leisten. Mit diesen größeren und spezialisierten Kliniken können wir auch preislich nicht konkurrieren. Die üblichen Pauschalen in der AHB decken unsere Kosten nicht – dies ist allerdings auch nicht der Schwerpunkt, in dem wir wachsen wollen.

„Wir werden langfristig nur erfolgreich sein, wenn wir den Anteil der Selbstzahler dauerhaft erhöhen." 

Andreas Spaetgens ist seit 2008 Geschäftsführer der Max Grundig Klinik.

Wie wichtig sind ausländische Patienten?

Wir haben rund zehn bis 15 Prozent internationale Patienten im stationären Bereich. Es wäre für uns ein Leichtes, diesen Anteil in Zusammenarbeit mit Botschaften und Marketingpartnern zu erhöhen, aber unsere Hauptzielgruppe ist und bleibt die der deutschen Privatpatienten: Selbstständige, Unternehmer, Manager, die eine besondere, individuelle Atmosphäre schätzen und bereit sind, dafür in Zukunft auch mehr zu bezahlen. Diese Zielgruppe ist für ein so kleines Haus wie das unsere groß genug, ohne dass wir andere Patientengruppen ausschließen wollen. In der Ambulanz schwankt der Anteil internationaler Patienten zwischen 30 und 40 Prozent. Hier wollen wir weiterwachsen. Wir brauchen die Deckungsbeiträge, um andere Bereiche, die wirtschaftlich weniger lukrativ sind, tragen zu können. Wir legen beispielsweise großen Wert auf frische und gesunde Ernährung und betreiben dabei einen großen Aufwand – das bezahlt uns eine private Krankenversicherung mit den Regelsätzen nicht.

Baden-Baden hat die Folgen der politischen Spannungen mit Russland zu spüren bekommen. Sie auch?

Ja, wir hatten Einbrüche in diesem Bereich. Das hat massiv auf unseren Umsatz durchgeschlagen. Inzwischen ist es uns aber gelungen, diese Delle wieder aufzufangen und uns auf einem guten Niveau zu stabilisieren.

Ein Megatrend im Krankenhausmarkt sind Fusionen und Kooperationen. Alle werden größer. Sie nicht?

Wir gehen bewusst einen anderen Weg. Wir werden klein und fein bleiben. Im Bedarfsfall könnte ich mir vorstellen, dass wir um bis zu 20 Betten erweitern – alles andere würde jedoch den individuellen Charakter dieser Klinik zerstören. Das spüren wir auch beim Personal: Viele Ärzte kommen zu uns, weil sie hier besser arbeiten können. Die Zuwendung zum einzelnen Patienten ist bei uns noch möglich. Das mag im Einzelfall nicht immer wirtschaftlich sein – für eine Visite bekommen wir circa acht Euro. Aber unterm Strich muss es in der Klinik eben passen. Bei uns ist es möglich, dass drei Ärzte auch mal eine halbe Stunde Zeit für ein Gespräch haben. Das honorieren unsere Patienten. Wichtig sind für uns aber intensive Kooperationen wie zum Beispiel mit dem Universitären Herzzentrum in Freiburg, um im ständigen Austausch mit dessen Experten das Niveau unserer medizinischen Versorgung auf dem aktuellen Stand zu halten.

Die Bürgerversicherung spielte in den GroKo-Verhandlungen eine wichtige Rolle. Wird die PKV für Ihre Klinik unwichtiger?

Die PKV ist wichtig, und wir brauchen sie als strategischen Partner. Wir werden langfristig aber nur erfolgreich sein, wenn wir den Anteil der Selbstzahler dauerhaft erhöhen. Denn es wird irgendwann zur Anpassung von Vergütungssätzen oder einer Bürgerversicherung kommen, davon bin ich überzeugt. Wir können diese Angleichung nicht ohne Weiteres kompensieren und haben langfristig nur eine Chance, wenn Patienten diese Art der Versorgung, die wir bieten, selbst bezahlen. In der Psychosomatik haben wir bereits relativ schnell einen guten Anteil an Selbstzahlern gewinnen können. Mit den großen Krankenhäusern und deren Massen werden und wollen wir jedoch nicht konkurrieren.

Warum nicht einfach an der Preisschraube drehen?

Wir sind – außer bei GOÄ oder Pflegesätzen – frei in der Preisgestaltung. Das ist verlockend, aber auch riskant, und wir dürfen diese Schraube nicht überdrehen. Unser AHB-Pflegesatz ist schon teurer als in vielen Kliniken. In anderen Bereichen haben wir in der Vergangenheit die Preise angepasst. Aber auch wohlhabende internationale Patienten sind nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen und achten auf ihr Geld. Eine Goldgräbermentalität hat in Baden-Baden auch im Gesundheitsbereich zum Teil exzessive Auswüchse angenommen und manches Geschäftsmodell kaputt gemacht.

Jüngst führte die Behandlung des iranischen Ex-Justizchefs, dem Menschenrechtsverstöße vorgeworfen werden, in einer Privatklinik in Niedersachsen zu Aufsehen. Würde Ihr Haus jeden Patienten behandeln, oder gibt es Grenzen?

Uns wurde einmal unterstellt, dass wir den ägyptischen Ex-Präsidenten Mubarak behandeln würden. Das war nie ein Thema, es gab keine Anfrage und keine Behandlung. Aber wir hatten einen riesigen Shitstorm, brauchten Polizeischutz und Security, bekamen anonyme Drohungen. Anfragen abzulehnen ist ein Balanceakt, den man im Einzelfall aber sehr intensiv überlegen muss.

Die Max Grundig Klinik in Bühl wurde 1988, kurz vor dem Tod ihres gleichnamigen Gründers, eröffnet. Schwerpunkte sind die Innere Medizin, ein Check-up-Zentrum und die Psychosomatische Medizin. Träger ist die Max Grundig Stiftung. In der Privatklinik mit rund 60 Betten versorgen 122 Vollkräfte rund 1.000 stationäre und 4.000 ambulante Patienten im Jahr.

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