Für Personalabteilungen von Kliniken ist das Diversity Management zum Thema geworden. Dabei geht es um Toleranz, Chancengleichheit – und Zufriedenheit von Mitarbeitern. Diversity kann Herkunft, Religion und sexuelle Orientierung meinen, wobei die Träger unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
Made in Germany – für den Medizintechniker Belal Almobarak aus Syrien war das schon immer ein Qualitätsversprechen. Der 33-Jährige, den die große Fluchtbewegung von 2015 nach Deutschland geführt hat, arbeitet seit zwei Jahren im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle. Almobarak ist glücklich in seinem Beruf, den er auch in Syrien gelernt hat. Er freut sich, dass seine Kinder sicher aufwachsen können, „in dem Land, in dem so tolle Dinge gebaut werden“. Das Gefühl, als Muslim in einem katholischen Krankenhaus fremd zu sein, hat er nicht. Das liege nicht nur an dem Gebetsraum für muslimische Mitarbeiter und Patienten, den die Klinikleitung schon eingerichtet hatte, bevor Almobarak dort anfing zu arbeiten. „Mein Arbeitgeber und meine Kollegen haben mich immer unterstützt“, sagt er, „ich habe das Gefühl, dazuzugehören.“
Diversität hat Konjunktur
Zusammengehörigkeit werde in dem katholischen Krankenhaus großgeschrieben, betont Unternehmenssprecher Jan-Stephan Schweda. „Achtung und Wertschätzung gegenüber jedem Menschen“ sind im Leitbild des Hauses verankert, „unabhängig vom sozialen Status, Geschlecht, der sexuellen Orientierung, Herkunftskultur, vom religiösen Bekenntnis, von Krankheit oder Behinderung.“
Immer mehr Krankenhäuser machen sich diesen Diversitätsgedanken zu eigen. Längst bezieht er sich nicht mehr nur auf Menschen mit Migrationshintergrund. 3.900 Unternehmen, darunter etwa 50 Krankenhäuser und Klinikverbünde, haben die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Die Arbeitgeberinitiative macht sich seit 2006 für Vielfalt und Chancengleichheit in der Arbeitswelt stark. Erfolgreich sein könne nur der, heißt es in der Charta, der die Vielfalt seiner Beschäftigten zu nutzen wisse. Für die Unterzeichner heißt das, ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich ihre Fähigkeiten entfalten können, die in ihnen schlummern – unabhängig davon, wo sie geboren sind, wen sie lieben, woran sie glauben, wer sie sind.
Ein Zeichen der Nächstenliebe
Die Beschäftigten selbst beteiligen sich oft mit großer Begeisterung an Aktionen, mit denen sie ein Zeichen für Vielfalt setzen können. So hat das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen anlässlich des diesjährigen Deutschen Diversity-Tages am 18. Mai ein „Kochbuch der Vielfalt“ mit 70 Rezepten aus aller Welt veröffentlicht, zusammengetragen von den Mitarbeitern des Klinikums. Ebenfalls am Diversity-Tag warben Beschäftigte der Uniklinik Hamburg-Eppendorf mit bunten Socken an den Füßen für Vielfalt in Gesellschaft und Arbeitswelt. Und die Belegschaft der Hamburger Asklepios Kliniken beteiligte sich im Sommer an den Hamburger Pride Weeks und sammelte Geld für eine Beratungsstelle, die Jugendliche bei Fragen rund um die sexuelle Orientierung berät.
Im vergangenen Jahr haben auch der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) und der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Diversity-Kampagnen gestartet. „Vielfalt ist gesund“ hieß es beim kkvd, „Wir sind Vielfalt“ titelte ganz ähnlich der VUD. „Wir wollten uns abgrenzen von der Diskussion um die vermeintliche Überfremdung der Gesellschaft“, sagt kkvd-Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin. Hetzjagden auf Geflüchtete in Chemnitz, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der Mordanschlag auf die Synagoge in Halle, die Morde in Hanau – „All dem Hass wollten wir etwas entgegensetzen. Ein Zeichen der Nächstenliebe.“ Dafür konnten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fotografieren lassen, die Fotos auf die Kampagnen-Website hochladen und in einem „Mix-Max-Spiel“ aus drei Kollegen einen neuen machen. „Wir wollten zeigen, dass Vielfalt völlig normal ist. Dass wir zusammen eine Einheit sind und viel mehr schaffen können als allein“, erzählt Bernadette Rümmelin. Trotz der Corona-Pandemie sei die Beteiligung enorm gewesen – oder vielleicht gerade deswegen, „einfach weil es schön war, mal an etwas anderes als an das Virus zu denken“.
Gegen Diskriminierung – für Chancengleichheit
Öffentlichkeitswirksame Statements sind das eine – ein praktiziertes Diversity Management das andere. Wegbereiter ist vielfach der Fachkräftemangel. So auch bei den Helios Kliniken: Der Konzern hat vor drei Jahren damit begonnen, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. 450 neue Mitarbeiter sind gekommen – von den Philippinen, aus Mexiko, Brasilien, Ägypten, Tunesien, Ungarn, Portugal, Albanien, Mazedonien und aus den Balkanstaaten. Um leichter in ihr neues Arbeits- und Lebensumfeld zu starten, bekommen sie neben Sprach- und Vorbereitungskursen für fachliche Prüfungen auch Lernpaten und Praxisanleiter an die Seite. „Vielfalt ist normal geworden“, sagt Personalgeschäftsführerin Cornelia Glenz, „sowohl in der Belegschaft als auch unter den Patienten.“ Nicht immer läuft alles reibungslos ab. Es kommt vor, dass sich ein Mann nicht von Frauen behandeln lassen will. Oder dass sich jemand aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung benachteiligt fühlt. Mithilfe einer sensiblen Kommunikation ließen sich solche Probleme erfahrungsgemäß jedoch meist beheben, sagt Glenz. Bei schwerwiegenden Vorfällen wird ein Krisenstab eingesetzt, bestehend aus Juristen, Klinikgeschäftsführern und Personalverantwortlichen. Das sei bislang jedoch nur ein einziges Mal nötig gewesen, sagt Glenz.
Auch der kommunale Vivantes-Konzern verweist auf seiner Website auf seine multikulturelle Belegschaft. Menschen aus 124 Nationen arbeiten für den Berliner Klinikriesen, der jüngst einen Diversity-Rat eingesetzt hat. „Der Diversity-Rat fungiert als eine Art Thinktank, in dem Mitarbeitende ehrenamtlich gemeinsam Ideen entwickeln, Projekte anstoßen und neue Veranstaltungsformate etablieren“, sagt Personalgeschäftsführerin Dorothea Schmidt. Was für Projekte das sein sollen, ist aber noch offen – momentan sei der Diversity-Rat im Aufbau.
Jetzt wird‘s queer
Bislang am wenigsten Gehör fanden im Krankenhaus die Menschen, die der LSBTIQA -Community zuzurechnen sind. LSBTIQA steht für Lesbisch, Schwul, Bi-, Trans-, Intersexuell, Queer, Asexuell und mehr, meint also Menschen jenseits des heteronormativen Spektrums oder die nicht in feste Kategorien wie männlich und weiblich passen. Doch eine Trendwende kündigt sich an: In einer aktuellen Umfrage der Networking-Plattform LinkedIn fordern die 18- bis 24-Jährigen, dem Thema mehr Beachtung zu schenken. Höchste Zeit, sagt Jana Haskamp. Die Sexualpädagogin und Bildungsreferentin bietet über den Deutschen Verband für Pflegeberufe (DBfK) Nordost eine Fortbildung für Pflegekräfte zum sensiblen Umgang mit LGBTQIA -Patient:innen an. „Sensibilisierungsarbeit ist sehr wichtig“, sagt Haskamp. Viele Pflegende wissen – wie der Großteil der Deutschen – wenig über queeres Leben. „Die Patient:innen müssen sich outen, Respekt einfordern, vielfach Bildungsarbeit leisten. Das kann nicht sein.“ Doch nicht alle Krankenhäuser müssen bei null anfangen. In den Kliniken der Stadt Köln beispielsweise gibt es seit 2013 ein LGBT-Netzwerk, das als Ansprechpartner für Beschäftigte zur Verfügung steht. Und am Helios Klinikum in Berlin-Buch haben zwei Ärztinnen und ein Arzt eine Queer-Community gegründet, die allen Interessierten eine Plattform bieten soll, um sich auszutauschen. Beim Christopher Street Day 2019 war sie mit eigenem Wagen dabei.